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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
Sie überwäget aller menschen gunst. Und ich weis ge-
wis/ weil er sich selbsten so gar erniedriget/ daß ihn die
Götter aufs höchste erhöhen werden. Wer sich selbst er-
höhet/ wird erniedriget. Wer sich selbst erniedriget/
wird erhöhet. Das ist ein unveränderliches gesetze des
Himmels. Die Demuht hat einen güldenen bodem.
Sie blühet immerdar. Sie bringet immerdar früchte.
Wer diese tugend liebet und häget/ der wird ihrer früch-
te geniessen. Es kan ihm nicht fehlen. Er mus endlich
steigen. Ist es nicht heute/ so ist es morgen. So hat
es der Himmel beschlossen. Dieser schlus stehet fest.
Er stehet in den härtesten marmel gegraben. Der finger
des allerhöchsten Gottes hat ihn selbst darein geetzet.
Hingegen hat der Hochmuht einen bleiernen grund.
Ja dieser grund stehet auf einem sumfichten bodem.
Er blühet zwar auch eine weile. Aber seine blühten fal-
len plötzlich ab. Dan verwehet sie der wind. Der regen
vereitelt sie. Die früchte/ die er träget seind nichts: ja
weniger/ als nichts; weil das unzeitige abfallen der
blüßen ihren wachstuhm hämmet. Daher ist es/ daß
der hochmühtige so plötzlich vergehet. Wan er vermei-
net am gewissesten zu stehen/ fället er über einen hauffen/
ja versinket in dem tiefsten mohrast des Höllischen ab-
grundes. Und also ist der Demuht das steigen/ dem
Hochmuhte das fallen bestimmet. Jene ziehet der Him-
mel/ und diesen der Abgrund zu sich. Und ob schon
der Hochmuht auch nach dem Himmel zusteiget/ ja über
alle Himmel hin zu steigen sich vermisset; so wird er
doch/ in solcher seiner vermessenheit/ uhrplötzlich herun-
ter gestürtzet. Rasch fället er zu bodem. Geschwinde
verschlinget ihn die tiefe. Da findet er sein ewiges
grab. Da verbürget ihn die grust der vergessenheit für
und für.

Die königliche Fürstin wolte den schlus dieser worte
auf den Josef ziehen. Auch wündschte er selbsten/ daß

er

Der Aſſenat
Sie uͤberwaͤget aller menſchen gunſt. Und ich weis ge-
wis/ weil er ſich ſelbſten ſo gar erniedriget/ daß ihn die
Goͤtter aufs hoͤchſte erhoͤhen werden. Wer ſich ſelbſt er-
hoͤhet/ wird erniedriget. Wer ſich ſelbſt erniedriget/
wird erhoͤhet. Das iſt ein unveraͤnderliches geſetze des
Himmels. Die Demuht hat einen guͤldenen bodem.
Sie bluͤhet immerdar. Sie bringet immerdar fruͤchte.
Wer dieſe tugend liebet und haͤget/ der wird ihrer fruͤch-
te genieſſen. Es kan ihm nicht fehlen. Er mus endlich
ſteigen. Iſt es nicht heute/ ſo iſt es morgen. So hat
es der Himmel beſchloſſen. Dieſer ſchlus ſtehet feſt.
Er ſtehet in den haͤrteſten marmel gegraben. Der finger
des allerhoͤchſten Gottes hat ihn ſelbſt darein geetzet.
Hingegen hat der Hochmuht einen bleiernen grund.
Ja dieſer grund ſtehet auf einem ſumfichten bodem.
Er bluͤhet zwar auch eine weile. Aber ſeine bluͤhten fal-
len ploͤtzlich ab. Dan verwehet ſie der wind. Der regen
vereitelt ſie. Die fruͤchte/ die er traͤget ſeind nichts: ja
weniger/ als nichts; weil das unzeitige abfallen der
bluͤßen ihren wachstuhm haͤmmet. Daher iſt es/ daß
der hochmuͤhtige ſo ploͤtzlich vergehet. Wan er vermei-
net am gewiſſeſten zu ſtehen/ faͤllet er uͤber einen hauffen/
ja verſinket in dem tiefſten mohraſt des Hoͤlliſchen ab-
grundes. Und alſo iſt der Demuht das ſteigen/ dem
Hochmuhte das fallen beſtimmet. Jene ziehet der Him-
mel/ und dieſen der Abgrund zu ſich. Und ob ſchon
der Hochmuht auch nach dem Himmel zuſteiget/ ja uͤber
alle Himmel hin zu ſteigen ſich vermiſſet; ſo wird er
doch/ in ſolcher ſeiner vermeſſenheit/ uhrploͤtzlich herun-
ter geſtuͤrtzet. Raſch faͤllet er zu bodem. Geſchwinde
verſchlinget ihn die tiefe. Da findet er ſein ewiges
grab. Da verbuͤrget ihn die gruſt der vergeſſenheit fuͤr
und fuͤr.

Die koͤnigliche Fuͤrſtin wolte den ſchlus dieſer worte
auf den Joſef ziehen. Auch wuͤndſchte er ſelbſten/ daß

er
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[108/0132] Der Aſſenat Sie uͤberwaͤget aller menſchen gunſt. Und ich weis ge- wis/ weil er ſich ſelbſten ſo gar erniedriget/ daß ihn die Goͤtter aufs hoͤchſte erhoͤhen werden. Wer ſich ſelbſt er- hoͤhet/ wird erniedriget. Wer ſich ſelbſt erniedriget/ wird erhoͤhet. Das iſt ein unveraͤnderliches geſetze des Himmels. Die Demuht hat einen guͤldenen bodem. Sie bluͤhet immerdar. Sie bringet immerdar fruͤchte. Wer dieſe tugend liebet und haͤget/ der wird ihrer fruͤch- te genieſſen. Es kan ihm nicht fehlen. Er mus endlich ſteigen. Iſt es nicht heute/ ſo iſt es morgen. So hat es der Himmel beſchloſſen. Dieſer ſchlus ſtehet feſt. Er ſtehet in den haͤrteſten marmel gegraben. Der finger des allerhoͤchſten Gottes hat ihn ſelbſt darein geetzet. Hingegen hat der Hochmuht einen bleiernen grund. Ja dieſer grund ſtehet auf einem ſumfichten bodem. Er bluͤhet zwar auch eine weile. Aber ſeine bluͤhten fal- len ploͤtzlich ab. Dan verwehet ſie der wind. Der regen vereitelt ſie. Die fruͤchte/ die er traͤget ſeind nichts: ja weniger/ als nichts; weil das unzeitige abfallen der bluͤßen ihren wachstuhm haͤmmet. Daher iſt es/ daß der hochmuͤhtige ſo ploͤtzlich vergehet. Wan er vermei- net am gewiſſeſten zu ſtehen/ faͤllet er uͤber einen hauffen/ ja verſinket in dem tiefſten mohraſt des Hoͤlliſchen ab- grundes. Und alſo iſt der Demuht das ſteigen/ dem Hochmuhte das fallen beſtimmet. Jene ziehet der Him- mel/ und dieſen der Abgrund zu ſich. Und ob ſchon der Hochmuht auch nach dem Himmel zuſteiget/ ja uͤber alle Himmel hin zu ſteigen ſich vermiſſet; ſo wird er doch/ in ſolcher ſeiner vermeſſenheit/ uhrploͤtzlich herun- ter geſtuͤrtzet. Raſch faͤllet er zu bodem. Geſchwinde verſchlinget ihn die tiefe. Da findet er ſein ewiges grab. Da verbuͤrget ihn die gruſt der vergeſſenheit fuͤr und fuͤr. Die koͤnigliche Fuͤrſtin wolte den ſchlus dieſer worte auf den Joſef ziehen. Auch wuͤndſchte er ſelbſten/ daß er

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/132>, abgerufen am 08.05.2024.