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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
sie seinetwegen gantz sicher. Nun trachtete sie auch die
liebe/ die Josef in ihrem hertzen erreget/ mit dem rech-
ten laabsaale zu sättigen. Und zu dem ende kahm sie
von der ferne zur nähe: von den liebesblikken/ und
seufzern zum küssen. Des nachts ging sie vor sein bette/
als wan sie ihn hette besuchen wollen. Sie stellete sich/
weil sie kinderloß war/ als wan sie ihn vor ihren sohn
hielte. Unter dem scheine ümhälsete sie ihn. Sie hertz-
te ihn/ als eine Mutter.

Josef dachte noch kein arges. Vielmehr hatte er
mitleiden mit ihr. Er baht Gott/ daß er ihr einen Sohn
gebe. Ja er bemühete sich einige Artzneien zu finden/
welche der Frauen fruchtbahrkeit befördern. Er nahm
die wurtzel vom Knabenkraude. Die dürrete er/ und
sties sie klein. Hierzu mängete er noch andere artznei-
mittel/ die zum Kinderzeugen dienlich. Als sie nun wie-
derkahm/ ihm ihre mütterliche liebe/ wie sie sich stellete/
zu beweisen; da gab er ihr diese Artznei. Er wiese ihr
auch zugleich das Knabenkraut/ samt der wurtzel.
Diese wurtzel/ sagte er/ ist das fürnehmste/ das ich zu
hiesiger Artznei genommen. Sie ist sonderlich guht zum
Kinderzeugen: zuvorauswan man ein Knäblein begeh-
ret. Die euserliche gestalt der wurtzel zeiget es an. Dan
die Natur hat vielen Kreutern/ auch andern gewäch-
sen ein solches euserliches kenzeichen gegeben. Darbei
kan man zur stunde sehen/ wozu sie guht seind. Er hat-
te noch zwei andere kreuter mit aus dem garten genom-
men. Diese lagen eben vor seinem bette. Sie sehe hier/
sagte er: Dieses kraut hat eine wurtzel/ wie ein hertz ge-
bildet. Darüm ist sie auch vor alle krankheiten des her-
tzens guht. Darüm würd es auch Hertzwurtz genen-
net. Und hier liegt noch ein anderes; welches Zahn-
kraut
heisset: weil es bluhmen/ als zähne gebildet/ trä-
get; und daher auch vor die zufälle der zähne dienet.

Ich habe gesehen/ redete Josef ferner/ daß sie über

ihr

Der Aſſenat
ſie ſeinetwegen gantz ſicher. Nun trachtete ſie auch die
liebe/ die Joſef in ihrem hertzen erreget/ mit dem rech-
ten laabſaale zu ſaͤttigen. Und zu dem ende kahm ſie
von der ferne zur naͤhe: von den liebesblikken/ und
ſeufzern zum kuͤſſen. Des nachts ging ſie vor ſein bette/
als wan ſie ihn hette beſuchen wollen. Sie ſtellete ſich/
weil ſie kinderloß war/ als wan ſie ihn vor ihren ſohn
hielte. Unter dem ſcheine uͤmhaͤlſete ſie ihn. Sie hertz-
te ihn/ als eine Mutter.

Joſef dachte noch kein arges. Vielmehr hatte er
mitleiden mit ihr. Er baht Gott/ daß er ihr einen Sohn
gebe. Ja er bemuͤhete ſich einige Artzneien zu finden/
welche der Frauen fruchtbahrkeit befoͤrdern. Er nahm
die wurtzel vom Knabenkraude. Die duͤrrete er/ und
ſties ſie klein. Hierzu maͤngete er noch andere artznei-
mittel/ die zum Kinderzeugen dienlich. Als ſie nun wie-
derkahm/ ihm ihre muͤtterliche liebe/ wie ſie ſich ſtellete/
zu beweiſen; da gab er ihr dieſe Artznei. Er wieſe ihr
auch zugleich das Knabenkraut/ ſamt der wurtzel.
Dieſe wurtzel/ ſagte er/ iſt das fuͤrnehmſte/ das ich zu
hieſiger Artznei genommen. Sie iſt ſonderlich guht zum
Kinderzeugen: zuvorauswan man ein Knaͤblein begeh-
ret. Die euſerliche geſtalt der wurtzel zeiget es an. Dan
die Natur hat vielen Kreutern/ auch andern gewaͤch-
ſen ein ſolches euſerliches kenzeichen gegeben. Darbei
kan man zur ſtunde ſehen/ wozu ſie guht ſeind. Er hat-
te noch zwei andere kreuter mit aus dem garten genom-
men. Dieſe lagen eben vor ſeinem bette. Sie ſehe hier/
ſagte er: Dieſes kraut hat eine wurtzel/ wie ein hertz ge-
bildet. Daruͤm iſt ſie auch vor alle krankheiten des her-
tzens guht. Daruͤm wuͤrd es auch Hertzwurtz genen-
net. Und hier liegt noch ein anderes; welches Zahn-
kraut
heiſſet: weil es bluhmen/ als zaͤhne gebildet/ traͤ-
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Ich habe geſehen/ redete Joſef ferner/ daß ſie uͤber

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[102/0126] Der Aſſenat ſie ſeinetwegen gantz ſicher. Nun trachtete ſie auch die liebe/ die Joſef in ihrem hertzen erreget/ mit dem rech- ten laabſaale zu ſaͤttigen. Und zu dem ende kahm ſie von der ferne zur naͤhe: von den liebesblikken/ und ſeufzern zum kuͤſſen. Des nachts ging ſie vor ſein bette/ als wan ſie ihn hette beſuchen wollen. Sie ſtellete ſich/ weil ſie kinderloß war/ als wan ſie ihn vor ihren ſohn hielte. Unter dem ſcheine uͤmhaͤlſete ſie ihn. Sie hertz- te ihn/ als eine Mutter. Joſef dachte noch kein arges. Vielmehr hatte er mitleiden mit ihr. Er baht Gott/ daß er ihr einen Sohn gebe. Ja er bemuͤhete ſich einige Artzneien zu finden/ welche der Frauen fruchtbahrkeit befoͤrdern. Er nahm die wurtzel vom Knabenkraude. Die duͤrrete er/ und ſties ſie klein. Hierzu maͤngete er noch andere artznei- mittel/ die zum Kinderzeugen dienlich. Als ſie nun wie- derkahm/ ihm ihre muͤtterliche liebe/ wie ſie ſich ſtellete/ zu beweiſen; da gab er ihr dieſe Artznei. Er wieſe ihr auch zugleich das Knabenkraut/ ſamt der wurtzel. Dieſe wurtzel/ ſagte er/ iſt das fuͤrnehmſte/ das ich zu hieſiger Artznei genommen. Sie iſt ſonderlich guht zum Kinderzeugen: zuvorauswan man ein Knaͤblein begeh- ret. Die euſerliche geſtalt der wurtzel zeiget es an. Dan die Natur hat vielen Kreutern/ auch andern gewaͤch- ſen ein ſolches euſerliches kenzeichen gegeben. Darbei kan man zur ſtunde ſehen/ wozu ſie guht ſeind. Er hat- te noch zwei andere kreuter mit aus dem garten genom- men. Dieſe lagen eben vor ſeinem bette. Sie ſehe hier/ ſagte er: Dieſes kraut hat eine wurtzel/ wie ein hertz ge- bildet. Daruͤm iſt ſie auch vor alle krankheiten des her- tzens guht. Daruͤm wuͤrd es auch Hertzwurtz genen- net. Und hier liegt noch ein anderes; welches Zahn- kraut heiſſet: weil es bluhmen/ als zaͤhne gebildet/ traͤ- get; und daher auch vor die zufaͤlle der zaͤhne dienet. Ich habe geſehen/ redete Joſef ferner/ daß ſie uͤber ihr

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/126>, abgerufen am 08.05.2024.