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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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zweites Buch.
mernüs zu bringen. Sie beschlossen/ ihn/ auf Dans
einrahten/ zu bereden/ Josef sei todt. Er sei von den
wilden tieren zerrissen. So/ vermeinten sie/ würde er
eher zu trauren aufhören/ als wan sie gerade zusagten/
daß sie ihn zum leibeignen verkauft: dadurch sie sich zu-
gleich in eine ewige schande stürtzten. Und darüm ver-
wundeten sie erstlich dem Persischen leuffer/ darauf
Josef geritten/ die schenkel; damit man vermeinen
solte/ die wölfe hetten ihn also zerbissen. Hierauf füh-
reten sie ihn bei nachtzeit nach ihres Vaters hofe zu.
Nicht weit darvon liessen sie ihn lauffen/ und aus be-
gierde zum futter/ seinen stal suchen. Und also liessen
sie dieses pferd ihrem Vater die erste zeitung vom tode
seines Sohnes bringen.

Auf den morgen schlachteten sie einen ziegenbok. In
desselben bluht tunkten sie den bunten rok ihres Bru-
ders; nachdem sie ihn zerrissen. Und also schikten sie
ihn/ mit Isaschar und Sebulon/ zum Vater. Se-
bulon
sprach: Ach! Vater/ diesen bluhtigen rok haben
wir gefunden. Siehe zu/ ob du ihn kennest. Jakob
kennete ihn alsobald/ und antwortete: es ist meines
Sohnes rok. Ein böses tier hat ihn gefressen. Ein
reissendes tier hat ihn zerrissen. Ach! Josef! Josef!
wo seind nun deine Treume? O ihr betrüglichen treu-
me! O ihr Himmel! warüm habet ihre meine deutun-
gen vereitelen/ und meine hofnung vernichtigen laßen?
Mit diesen erbärmlichen worten/ drükte er den Rok an
seine brust. Er küssete das bluht so hertzlich/ als wan
es seines Sohnes eigenes bluht gewesen. Und also
ward Jakob vergolten/ was er an seinem Vater I-
saak
verschuldet. Er hatte ihn mit Esaus/ seines
liebsten Sohnes/ Rokke betrogen. Nun musten ihn
seine Söhne wieder mit seines liebsten Sohnes Josefs
Rokke betrügen. Die schmertzen/ welche dieser traurige
Vater über einen so unglüklichen todes fal seines so lie-

ben

zweites Buch.
mernuͤs zu bringen. Sie beſchloſſen/ ihn/ auf Dans
einrahten/ zu bereden/ Joſef ſei todt. Er ſei von den
wilden tieren zerriſſen. So/ vermeinten ſie/ wuͤrde er
eher zu trauren aufhoͤren/ als wan ſie gerade zuſagten/
daß ſie ihn zum leibeignen verkauft: dadurch ſie ſich zu-
gleich in eine ewige ſchande ſtuͤrtzten. Und daruͤm ver-
wundeten ſie erſtlich dem Perſiſchen leuffer/ darauf
Joſef geritten/ die ſchenkel; damit man vermeinen
ſolte/ die woͤlfe hetten ihn alſo zerbiſſen. Hierauf fuͤh-
reten ſie ihn bei nachtzeit nach ihres Vaters hofe zu.
Nicht weit darvon lieſſen ſie ihn lauffen/ und aus be-
gierde zum futter/ ſeinen ſtal ſuchen. Und alſo lieſſen
ſie dieſes pferd ihrem Vater die erſte zeitung vom tode
ſeines Sohnes bringen.

Auf den morgen ſchlachteten ſie einen ziegenbok. In
deſſelben bluht tunkten ſie den bunten rok ihres Bru-
ders; nachdem ſie ihn zerriſſen. Und alſo ſchikten ſie
ihn/ mit Iſaſchar und Sebulon/ zum Vater. Se-
bulon
ſprach: Ach! Vater/ dieſen bluhtigen rok haben
wir gefunden. Siehe zu/ ob du ihn kenneſt. Jakob
kennete ihn alſobald/ und antwortete: es iſt meines
Sohnes rok. Ein boͤſes tier hat ihn gefreſſen. Ein
reiſſendes tier hat ihn zerriſſen. Ach! Joſef! Joſef!
wo ſeind nun deine Treume? O ihr betruͤglichen treu-
me! O ihr Himmel! waruͤm habet ihre meine deutun-
gen vereitelen/ und meine hofnung vernichtigen laßen?
Mit dieſen erbaͤrmlichen worten/ druͤkte er den Rok an
ſeine bruſt. Er kuͤſſete das bluht ſo hertzlich/ als wan
es ſeines Sohnes eigenes bluht geweſen. Und alſo
ward Jakob vergolten/ was er an ſeinem Vater I-
ſaak
verſchuldet. Er hatte ihn mit Eſaus/ ſeines
liebſten Sohnes/ Rokke betrogen. Nun muſten ihn
ſeine Soͤhne wieder mit ſeines liebſten Sohnes Joſefs
Rokke betruͤgen. Die ſchmertzen/ welche dieſer traurige
Vater uͤber einen ſo ungluͤklichen todes fal ſeines ſo lie-

ben
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[79/0103] zweites Buch. mernuͤs zu bringen. Sie beſchloſſen/ ihn/ auf Dans einrahten/ zu bereden/ Joſef ſei todt. Er ſei von den wilden tieren zerriſſen. So/ vermeinten ſie/ wuͤrde er eher zu trauren aufhoͤren/ als wan ſie gerade zuſagten/ daß ſie ihn zum leibeignen verkauft: dadurch ſie ſich zu- gleich in eine ewige ſchande ſtuͤrtzten. Und daruͤm ver- wundeten ſie erſtlich dem Perſiſchen leuffer/ darauf Joſef geritten/ die ſchenkel; damit man vermeinen ſolte/ die woͤlfe hetten ihn alſo zerbiſſen. Hierauf fuͤh- reten ſie ihn bei nachtzeit nach ihres Vaters hofe zu. Nicht weit darvon lieſſen ſie ihn lauffen/ und aus be- gierde zum futter/ ſeinen ſtal ſuchen. Und alſo lieſſen ſie dieſes pferd ihrem Vater die erſte zeitung vom tode ſeines Sohnes bringen. Auf den morgen ſchlachteten ſie einen ziegenbok. In deſſelben bluht tunkten ſie den bunten rok ihres Bru- ders; nachdem ſie ihn zerriſſen. Und alſo ſchikten ſie ihn/ mit Iſaſchar und Sebulon/ zum Vater. Se- bulon ſprach: Ach! Vater/ dieſen bluhtigen rok haben wir gefunden. Siehe zu/ ob du ihn kenneſt. Jakob kennete ihn alſobald/ und antwortete: es iſt meines Sohnes rok. Ein boͤſes tier hat ihn gefreſſen. Ein reiſſendes tier hat ihn zerriſſen. Ach! Joſef! Joſef! wo ſeind nun deine Treume? O ihr betruͤglichen treu- me! O ihr Himmel! waruͤm habet ihre meine deutun- gen vereitelen/ und meine hofnung vernichtigen laßen? Mit dieſen erbaͤrmlichen worten/ druͤkte er den Rok an ſeine bruſt. Er kuͤſſete das bluht ſo hertzlich/ als wan es ſeines Sohnes eigenes bluht geweſen. Und alſo ward Jakob vergolten/ was er an ſeinem Vater I- ſaak verſchuldet. Er hatte ihn mit Eſaus/ ſeines liebſten Sohnes/ Rokke betrogen. Nun muſten ihn ſeine Soͤhne wieder mit ſeines liebſten Sohnes Joſefs Rokke betruͤgen. Die ſchmertzen/ welche dieſer traurige Vater uͤber einen ſo ungluͤklichen todes fal ſeines ſo lie- ben

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/103>, abgerufen am 30.11.2024.