Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zeiller, Martin: Centuria II. Variarvm Quæstionum. Bd. 2. Ulm, 1659.

Bild:
<< vorherige Seite

Die XXXV. Frag.
wird das Gemüt nicht leichtlich das Recht erken-
nen. Wer will aber der Richter Affecten stärckere
Fessel/ oder Fuß-Eisen/ anlegen/ als gute Gesätz?
dann dieselbe seyn frey von allen Verwirrungen;
und haben wir von ihnen fast mehr Gutthaten/
als von der Natur; dieweil von derselben die
Menschen mit gar hefftiger der Begierden Hitz
getrieben/ und verstrickt werden: Durch das Ge-
sätz aber wird eben diesen Begierden/ damit die
Menschen ins Verderben offtmals gerahten/ ge-
steuert/ und gewehret/ und des Menschen Natur/
so für sich zu den Lastern geneigt/ regiert/ und zu
der Tugend geleitet. Wir irren alle manichfaltig.
Jst deswegen eines Leiters/ und Führers vonnöh-
ten/ ohne den kein Werck recht von statten gehet/
namlich das Gesätz; gleichwie die Baumeister
ohne das Richtscheid/ und Lineal/ nicht leichtlich
was vornehmen. Zu deme/ auch die Gesätz/ ausser
anderer Nutzbarkeiten/ so sie überhäuffig leisten/
die böse Richter gleichsam in Verwahrung neh-
men/ und einschräncken.

Es wird aber allhie gefragt/ ob die Schrifft
von der Wesenheit eines Gesätzes seye? Da dann
die Wesenheit/ von der Vorständigkeit/ unter-
schieden wird. Zu der Wesenheit eines Gesätzes
thut die Schrifft nichts. Dann die ausdrückliche
Einwilligung des Volcks machet ein Gesätz/ und
nicht die Schrifft. Der Spartaner/ oder Lacedae-
monier/ Gesätz seyn niemals schrifftlich verfasset

worden/

Die XXXV. Frag.
wird das Gemuͤt nicht leichtlich das Recht erken-
nen. Wer will aber der Richter Affecten ſtaͤrckere
Feſſel/ oder Fuß-Eiſen/ anlegen/ als gute Geſaͤtz?
dann dieſelbe ſeyn frey von allen Verwirrungen;
und haben wir von ihnen faſt mehr Gutthaten/
als von der Natur; dieweil von derſelben die
Menſchen mit gar hefftiger der Begierden Hitz
getrieben/ und verſtrickt werden: Durch das Ge-
ſaͤtz aber wird eben dieſen Begierden/ damit die
Menſchen ins Verderben offtmals gerahten/ ge-
ſteuert/ und gewehret/ und des Menſchen Natur/
ſo fuͤr ſich zu den Laſtern geneigt/ regiert/ und zu
der Tugend geleitet. Wir irren alle manichfaltig.
Jſt deswegen eines Leiters/ und Fuͤhrers vonnoͤh-
ten/ ohne den kein Werck recht von ſtatten gehet/
namlich das Geſaͤtz; gleichwie die Baumeiſter
ohne das Richtſcheid/ und Lineal/ nicht leichtlich
was vornehmen. Zu deme/ auch die Geſaͤtz/ auſſer
anderer Nutzbarkeiten/ ſo ſie uͤberhaͤuffig leiſten/
die boͤſe Richter gleichſam in Verwahrung neh-
men/ und einſchraͤncken.

Es wird aber allhie gefragt/ ob die Schrifft
von der Weſenheit eines Geſaͤtzes ſeye? Da dann
die Weſenheit/ von der Vorſtaͤndigkeit/ unter-
ſchieden wird. Zu der Weſenheit eines Geſaͤtzes
thut die Schrifft nichts. Dann die ausdruͤckliche
Einwilligung des Volcks machet ein Geſaͤtz/ und
nicht die Schrifft. Der Spartaner/ oder Lacedæ-
monier/ Geſaͤtz ſeyn niemals ſchrifftlich verfaſſet

worden/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="124"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">XXXV.</hi></hi> Frag.</hi></fw><lb/>
wird das Gemu&#x0364;t nicht leichtlich das Recht erken-<lb/>
nen. Wer will aber der Richter <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Affe</hi></hi>cten &#x017F;ta&#x0364;rckere<lb/>
Fe&#x017F;&#x017F;el/ oder Fuß-Ei&#x017F;en/ anlegen/ als gute Ge&#x017F;a&#x0364;tz?<lb/>
dann die&#x017F;elbe &#x017F;eyn frey von allen Verwirrungen;<lb/>
und haben wir von ihnen fa&#x017F;t mehr Gutthaten/<lb/>
als von der Natur; dieweil von der&#x017F;elben die<lb/>
Men&#x017F;chen mit gar hefftiger der Begierden Hitz<lb/>
getrieben/ und ver&#x017F;trickt werden: Durch das Ge-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tz aber wird eben die&#x017F;en Begierden/ damit die<lb/>
Men&#x017F;chen ins Verderben offtmals gerahten/ ge-<lb/>
&#x017F;teuert/ und gewehret/ und des Men&#x017F;chen Natur/<lb/>
&#x017F;o fu&#x0364;r &#x017F;ich zu den La&#x017F;tern geneigt/ regiert/ und zu<lb/>
der Tugend geleitet. Wir irren alle manichfaltig.<lb/>
J&#x017F;t deswegen eines Leiters/ und Fu&#x0364;hrers vonno&#x0364;h-<lb/>
ten/ ohne den kein Werck recht von &#x017F;tatten gehet/<lb/>
namlich das Ge&#x017F;a&#x0364;tz; gleichwie die Baumei&#x017F;ter<lb/>
ohne das Richt&#x017F;cheid/ und Lineal/ nicht leichtlich<lb/>
was vornehmen. Zu deme/ auch die Ge&#x017F;a&#x0364;tz/ au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
anderer Nutzbarkeiten/ &#x017F;o &#x017F;ie u&#x0364;berha&#x0364;uffig lei&#x017F;ten/<lb/>
die bo&#x0364;&#x017F;e Richter gleich&#x017F;am in Verwahrung neh-<lb/>
men/ und ein&#x017F;chra&#x0364;ncken.</p><lb/>
          <p>Es wird aber allhie gefragt/ ob die Schrifft<lb/>
von der We&#x017F;enheit eines Ge&#x017F;a&#x0364;tzes &#x017F;eye? Da dann<lb/>
die We&#x017F;enheit/ von der Vor&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit/ unter-<lb/>
&#x017F;chieden wird. Zu der We&#x017F;enheit eines Ge&#x017F;a&#x0364;tzes<lb/>
thut die Schrifft nichts. Dann die ausdru&#x0364;ckliche<lb/>
Einwilligung des Volcks machet ein Ge&#x017F;a&#x0364;tz/ und<lb/>
nicht die Schrifft. Der Spartaner/ oder Laced<hi rendition="#aq">æ</hi>-<lb/>
monier/ Ge&#x017F;a&#x0364;tz &#x017F;eyn niemals &#x017F;chrifftlich verfa&#x017F;&#x017F;et<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">worden/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0152] Die XXXV. Frag. wird das Gemuͤt nicht leichtlich das Recht erken- nen. Wer will aber der Richter Affecten ſtaͤrckere Feſſel/ oder Fuß-Eiſen/ anlegen/ als gute Geſaͤtz? dann dieſelbe ſeyn frey von allen Verwirrungen; und haben wir von ihnen faſt mehr Gutthaten/ als von der Natur; dieweil von derſelben die Menſchen mit gar hefftiger der Begierden Hitz getrieben/ und verſtrickt werden: Durch das Ge- ſaͤtz aber wird eben dieſen Begierden/ damit die Menſchen ins Verderben offtmals gerahten/ ge- ſteuert/ und gewehret/ und des Menſchen Natur/ ſo fuͤr ſich zu den Laſtern geneigt/ regiert/ und zu der Tugend geleitet. Wir irren alle manichfaltig. Jſt deswegen eines Leiters/ und Fuͤhrers vonnoͤh- ten/ ohne den kein Werck recht von ſtatten gehet/ namlich das Geſaͤtz; gleichwie die Baumeiſter ohne das Richtſcheid/ und Lineal/ nicht leichtlich was vornehmen. Zu deme/ auch die Geſaͤtz/ auſſer anderer Nutzbarkeiten/ ſo ſie uͤberhaͤuffig leiſten/ die boͤſe Richter gleichſam in Verwahrung neh- men/ und einſchraͤncken. Es wird aber allhie gefragt/ ob die Schrifft von der Weſenheit eines Geſaͤtzes ſeye? Da dann die Weſenheit/ von der Vorſtaͤndigkeit/ unter- ſchieden wird. Zu der Weſenheit eines Geſaͤtzes thut die Schrifft nichts. Dann die ausdruͤckliche Einwilligung des Volcks machet ein Geſaͤtz/ und nicht die Schrifft. Der Spartaner/ oder Lacedæ- monier/ Geſaͤtz ſeyn niemals ſchrifftlich verfaſſet worden/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria02_1659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria02_1659/152
Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centuria II. Variarvm Quæstionum. Bd. 2. Ulm, 1659, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria02_1659/152>, abgerufen am 21.11.2024.