Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 6. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Dritter Gesang.
Lieber dich nennen? Noch ehe die Sonnen und Him-
mel gewesen,

Warst du schon da, und umhülltest, auf Gottes allmäch-
tige Stimme,

Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln nächtlichen
Wasser,

Welche herauf stieg, indem sie sich ietzt dem unförmli-
chen Leeren

Durch die Schöpfung entriß. Mit kühnern Schwin-
gen besuch ich

Dich aufs neue, seitdem ich den stygischen Tiefen ent-
ronnen,

Obgleich lange genug in diesem finsteren Abgrund
Zu verweilen gezwungen. Auf meinem verwegenen Fluge,
Welcher mich durch das finstere Reich der Hölle geführet,
Sang ich mit höherem Ton, als Orpheus Leyer gesun-
gen c) ,

Von
c) Orpheus machte einen Lobgesang an die Nacht, den
wir noch von ihm haben; er schrieb auch von der
Schöpfung
P 3

Dritter Geſang.
Lieber dich nennen? Noch ehe die Sonnen und Him-
mel geweſen,

Warſt du ſchon da, und umhuͤllteſt, auf Gottes allmaͤch-
tige Stimme,

Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln naͤchtlichen
Waſſer,

Welche herauf ſtieg, indem ſie ſich ietzt dem unfoͤrmli-
chen Leeren

Durch die Schoͤpfung entriß. Mit kuͤhnern Schwin-
gen beſuch ich

Dich aufs neue, ſeitdem ich den ſtygiſchen Tiefen ent-
ronnen,

Obgleich lange genug in dieſem finſteren Abgrund
Zu verweilen gezwungen. Auf meinem verwegenen Fluge,
Welcher mich durch das finſtere Reich der Hoͤlle gefuͤhret,
Sang ich mit hoͤherem Ton, als Orpheus Leyer geſun-
gen c) ,

Von
c) Orpheus machte einen Lobgeſang an die Nacht, den
wir noch von ihm haben; er ſchrieb auch von der
Schoͤpfung
P 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0229" n="229"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dritter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
          <l>Lieber dich nennen? Noch ehe die Sonnen und Him-<lb/><hi rendition="#et">mel gewe&#x017F;en,</hi></l><lb/>
          <l>War&#x017F;t du &#x017F;chon da, und umhu&#x0364;llte&#x017F;t, auf Gottes allma&#x0364;ch-<lb/><hi rendition="#et">tige Stimme,</hi></l><lb/>
          <l>Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln na&#x0364;chtlichen<lb/><hi rendition="#et">Wa&#x017F;&#x017F;er,</hi></l><lb/>
          <l>Welche herauf &#x017F;tieg, indem &#x017F;ie &#x017F;ich ietzt dem unfo&#x0364;rmli-<lb/><hi rendition="#et">chen Leeren</hi></l><lb/>
          <l>Durch die Scho&#x0364;pfung entriß. Mit ku&#x0364;hnern Schwin-<lb/><hi rendition="#et">gen be&#x017F;uch ich</hi></l><lb/>
          <l>Dich aufs neue, &#x017F;eitdem ich den &#x017F;tygi&#x017F;chen Tiefen ent-<lb/><hi rendition="#et">ronnen,</hi></l><lb/>
          <l>Obgleich lange genug in die&#x017F;em fin&#x017F;teren Abgrund</l><lb/>
          <l>Zu verweilen gezwungen. Auf meinem verwegenen Fluge,</l><lb/>
          <l>Welcher mich durch das fin&#x017F;tere Reich der Ho&#x0364;lle gefu&#x0364;hret,</l><lb/>
          <l>Sang ich mit ho&#x0364;herem Ton, als Orpheus Leyer ge&#x017F;un-<lb/><hi rendition="#et">gen  <note xml:id="f71" next="#f72" place="foot" n="c)">Orpheus machte einen Lobge&#x017F;ang an die Nacht, den<lb/>
wir noch von ihm haben; er &#x017F;chrieb auch von der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Scho&#x0364;pfung</fw></note> ,</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0229] Dritter Geſang. Lieber dich nennen? Noch ehe die Sonnen und Him- mel geweſen, Warſt du ſchon da, und umhuͤllteſt, auf Gottes allmaͤch- tige Stimme, Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln naͤchtlichen Waſſer, Welche herauf ſtieg, indem ſie ſich ietzt dem unfoͤrmli- chen Leeren Durch die Schoͤpfung entriß. Mit kuͤhnern Schwin- gen beſuch ich Dich aufs neue, ſeitdem ich den ſtygiſchen Tiefen ent- ronnen, Obgleich lange genug in dieſem finſteren Abgrund Zu verweilen gezwungen. Auf meinem verwegenen Fluge, Welcher mich durch das finſtere Reich der Hoͤlle gefuͤhret, Sang ich mit hoͤherem Ton, als Orpheus Leyer geſun- gen c) , Von c) Orpheus machte einen Lobgeſang an die Nacht, den wir noch von ihm haben; er ſchrieb auch von der Schoͤpfung P 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften06_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften06_1764/229
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 6. [Braunschweig], [1764], S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften06_1764/229>, abgerufen am 04.05.2024.