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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 6. [Braunschweig], [1764].

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Das verlohrne Paradies.
Und in ihrem Geheul sie etwas störte, zurück sich
Jn den Leib verkriechen, in welchem sie lagen; und
drinnen

Bell-
dungskraft auf gewisse Art in Handlung setzt. Der
Sünde wird der Schlüssel der Hölle von ihm an-
vertraut: der Sünde, einer Tochter Satans, die
selbst mit vom Himmel gestürzt wurde, und für die
die Hölle so gut ein Gefängniß seyn sollte, als für Sa-
tan, und seine Schaaren. Kan ein Poet es uns
wahrscheinlich machen, daß Gott ein so wichtiges
Amt, wie die Bewahrung der Höllenpforten war,
einer Person anvertrauen sollte, die blos in der Ein-
bildungskraft des Dichters da ist, einer Person, die
er selbst zu ihrer Verdammniß und Bestrafung in
die Hölle verstossen hatte? -- Diese Gründe sind,
glaube ich, Ursache, daß wir diese Allegorie zwar sehr
schön finden, daß wir aber wünschen, die Personen
davon möchten in einem biblischen epischen Gedichte
nicht solche Hauptpersonen seyn, wie die guten und
bösen Engel. 3.

Das verlohrne Paradies.
Und in ihrem Geheul ſie etwas ſtoͤrte, zuruͤck ſich
Jn den Leib verkriechen, in welchem ſie lagen; und
drinnen

Bell-
dungskraft auf gewiſſe Art in Handlung ſetzt. Der
Suͤnde wird der Schluͤſſel der Hoͤlle von ihm an-
vertraut: der Suͤnde, einer Tochter Satans, die
ſelbſt mit vom Himmel geſtuͤrzt wurde, und fuͤr die
die Hoͤlle ſo gut ein Gefaͤngniß ſeyn ſollte, als fuͤr Sa-
tan, und ſeine Schaaren. Kan ein Poet es uns
wahrſcheinlich machen, daß Gott ein ſo wichtiges
Amt, wie die Bewahrung der Hoͤllenpforten war,
einer Perſon anvertrauen ſollte, die blos in der Ein-
bildungskraft des Dichters da iſt, einer Perſon, die
er ſelbſt zu ihrer Verdammniß und Beſtrafung in
die Hoͤlle verſtoſſen hatte? — Dieſe Gruͤnde ſind,
glaube ich, Urſache, daß wir dieſe Allegorie zwar ſehr
ſchoͤn finden, daß wir aber wuͤnſchen, die Perſonen
davon moͤchten in einem bibliſchen epiſchen Gedichte
nicht ſolche Hauptperſonen ſeyn, wie die guten und
boͤſen Engel. 3.
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[182/0182] Das verlohrne Paradies. Und in ihrem Geheul ſie etwas ſtoͤrte, zuruͤck ſich Jn den Leib verkriechen, in welchem ſie lagen; und drinnen Bell- d) d) dungskraft auf gewiſſe Art in Handlung ſetzt. Der Suͤnde wird der Schluͤſſel der Hoͤlle von ihm an- vertraut: der Suͤnde, einer Tochter Satans, die ſelbſt mit vom Himmel geſtuͤrzt wurde, und fuͤr die die Hoͤlle ſo gut ein Gefaͤngniß ſeyn ſollte, als fuͤr Sa- tan, und ſeine Schaaren. Kan ein Poet es uns wahrſcheinlich machen, daß Gott ein ſo wichtiges Amt, wie die Bewahrung der Hoͤllenpforten war, einer Perſon anvertrauen ſollte, die blos in der Ein- bildungskraft des Dichters da iſt, einer Perſon, die er ſelbſt zu ihrer Verdammniß und Beſtrafung in die Hoͤlle verſtoſſen hatte? — Dieſe Gruͤnde ſind, glaube ich, Urſache, daß wir dieſe Allegorie zwar ſehr ſchoͤn finden, daß wir aber wuͤnſchen, die Perſonen davon moͤchten in einem bibliſchen epiſchen Gedichte nicht ſolche Hauptperſonen ſeyn, wie die guten und boͤſen Engel. 3.

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 6. [Braunschweig], [1764], S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften06_1764/182>, abgerufen am 07.05.2024.