Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 6. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gesang.
Zwey furchtbare Schattengespenster, von schrecklichem
Anblick,

Sassen an jeder Seite der Thore. Das eine schien
reitzend,

Und bis in die Mitten ein Weib d) , doch schloß sie sich
unten

Jn
wegen
d) Hier hebt Miltons berühmte Allegorie an, die ei-
gentlich eine Umschreibung einer Stelle in der Epi-
stel Jak. ist. I, 15. Wenn die Lust empfangen
hat, gebiert sie die Sünde, die Sünde aber
wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod.

Richardson.
Diese Allegorie ist so sehr gelobt, und so sehr ge-
tadelt worden, als nur jemals eine Stelle in einem
Gedicht. Jndes wird jeder aufmerksame Leser die
ganz besondern Schönheiten davon empfinden, die
ihr die feinsten und aufgeklärtesten Kunstrichter zu-
gestanden haben. Niemanden wird der Tadel des
Voltaire und andrer französischen Kunstrichter irre
machen, die Miltons erhabne und vorsichtige Aus-
drücke in lächerliche und gemeine verkleiden; oder
M 2

Zweyter Geſang.
Zwey furchtbare Schattengeſpenſter, von ſchrecklichem
Anblick,

Saſſen an jeder Seite der Thore. Das eine ſchien
reitzend,

Und bis in die Mitten ein Weib d) , doch ſchloß ſie ſich
unten

Jn
wegen
d) Hier hebt Miltons beruͤhmte Allegorie an, die ei-
gentlich eine Umſchreibung einer Stelle in der Epi-
ſtel Jak. iſt. I, 15. Wenn die Luſt empfangen
hat, gebiert ſie die Suͤnde, die Suͤnde aber
wenn ſie vollendet iſt, gebiert ſie den Tod.

Richardſon.
Dieſe Allegorie iſt ſo ſehr gelobt, und ſo ſehr ge-
tadelt worden, als nur jemals eine Stelle in einem
Gedicht. Jndes wird jeder aufmerkſame Leſer die
ganz beſondern Schoͤnheiten davon empfinden, die
ihr die feinſten und aufgeklaͤrteſten Kunſtrichter zu-
geſtanden haben. Niemanden wird der Tadel des
Voltaire und andrer franzoͤſiſchen Kunſtrichter irre
machen, die Miltons erhabne und vorſichtige Aus-
druͤcke in laͤcherliche und gemeine verkleiden; oder
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0179" n="179"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
          <l>Zwey furchtbare Schattenge&#x017F;pen&#x017F;ter, von &#x017F;chrecklichem<lb/><hi rendition="#et">Anblick,</hi></l><lb/>
          <l>Sa&#x017F;&#x017F;en an jeder Seite der Thore. Das eine &#x017F;chien<lb/><hi rendition="#et">reitzend,</hi></l><lb/>
          <l>Und bis in die Mitten ein Weib  <note xml:id="f52" next="#f53" place="foot" n="d)">Hier hebt Miltons beru&#x0364;hmte Allegorie an, die ei-<lb/>
gentlich eine Um&#x017F;chreibung einer Stelle in der Epi-<lb/>
&#x017F;tel Jak. i&#x017F;t. <hi rendition="#aq">I,</hi> 15. <hi rendition="#fr">Wenn die Lu&#x017F;t empfangen<lb/>
hat, gebiert &#x017F;ie die Su&#x0364;nde, die Su&#x0364;nde aber<lb/>
wenn &#x017F;ie vollendet i&#x017F;t, gebiert &#x017F;ie den Tod.</hi><lb/><hi rendition="#et">Richard&#x017F;on.</hi><lb/>
Die&#x017F;e Allegorie i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ehr gelobt, und &#x017F;o &#x017F;ehr ge-<lb/>
tadelt worden, als nur jemals eine Stelle in einem<lb/>
Gedicht. Jndes wird jeder aufmerk&#x017F;ame Le&#x017F;er die<lb/>
ganz be&#x017F;ondern Scho&#x0364;nheiten davon empfinden, die<lb/>
ihr die fein&#x017F;ten und aufgekla&#x0364;rte&#x017F;ten Kun&#x017F;trichter zu-<lb/>
ge&#x017F;tanden haben. Niemanden wird der Tadel des<lb/>
Voltaire und andrer franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Kun&#x017F;trichter irre<lb/>
machen, die Miltons erhabne und vor&#x017F;ichtige Aus-<lb/>
dru&#x0364;cke in la&#x0364;cherliche und gemeine verkleiden; oder</note> , doch &#x017F;chloß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">unten</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">M 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">wegen</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0179] Zweyter Geſang. Zwey furchtbare Schattengeſpenſter, von ſchrecklichem Anblick, Saſſen an jeder Seite der Thore. Das eine ſchien reitzend, Und bis in die Mitten ein Weib d) , doch ſchloß ſie ſich unten Jn wegen d) Hier hebt Miltons beruͤhmte Allegorie an, die ei- gentlich eine Umſchreibung einer Stelle in der Epi- ſtel Jak. iſt. I, 15. Wenn die Luſt empfangen hat, gebiert ſie die Suͤnde, die Suͤnde aber wenn ſie vollendet iſt, gebiert ſie den Tod. Richardſon. Dieſe Allegorie iſt ſo ſehr gelobt, und ſo ſehr ge- tadelt worden, als nur jemals eine Stelle in einem Gedicht. Jndes wird jeder aufmerkſame Leſer die ganz beſondern Schoͤnheiten davon empfinden, die ihr die feinſten und aufgeklaͤrteſten Kunſtrichter zu- geſtanden haben. Niemanden wird der Tadel des Voltaire und andrer franzoͤſiſchen Kunſtrichter irre machen, die Miltons erhabne und vorſichtige Aus- druͤcke in laͤcherliche und gemeine verkleiden; oder M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften06_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften06_1764/179
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 6. [Braunschweig], [1764], S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften06_1764/179>, abgerufen am 24.11.2024.