Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Mittag.
Und mit ihrem Gesang barbarische Sitten gemildert.
Philomele singt so in tiefen schauernden Wäldern
Durch die Nacht der Wildniß ihr Lied, und tröstet
den Wandrer,

Welcher im Walde verirrt mit Kummer den Morgen
erwartet.

Oft verfolg auch den Weg durch frische Wälder
von Eichen

Bis zur Lindenallee, die nach Salzdalum *) dich leitet,
Wo die erschaffende Kunst in kühlen Gemächern und
Hallen

Eine zweyte Natur, beseelt durch den Pinsel, dir auf-
stellt.

Welch ein Anblick! Das schwellende Herz scheint mächt-
ger zu fühlen,

Wenn es den opfernden Abraham **) sieht, der voller
Entzücken

Seinen Jsak umarmt, und mit dem sprechenden Auge
Dank für seinen Geretteten weint. Mit flammenden
Blicken

Hält hier Judiths blutige Hand des aßyrischen Feld-
herrn

Scheuß-
*) Ein berzoal. Braunschweigisches Lustschloß; wegen
seiner Gemäldengallerie merkwürdig.
**) Von Lievens.

Der Mittag.
Und mit ihrem Geſang barbariſche Sitten gemildert.
Philomele ſingt ſo in tiefen ſchauernden Waͤldern
Durch die Nacht der Wildniß ihr Lied, und troͤſtet
den Wandrer,

Welcher im Walde verirrt mit Kummer den Morgen
erwartet.

Oft verfolg auch den Weg durch friſche Waͤlder
von Eichen

Bis zur Lindenallee, die nach Salzdalum *) dich leitet,
Wo die erſchaffende Kunſt in kuͤhlen Gemaͤchern und
Hallen

Eine zweyte Natur, beſeelt durch den Pinſel, dir auf-
ſtellt.

Welch ein Anblick! Das ſchwellende Herz ſcheint maͤcht-
ger zu fuͤhlen,

Wenn es den opfernden Abraham **) ſieht, der voller
Entzuͤcken

Seinen Jſak umarmt, und mit dem ſprechenden Auge
Dank fuͤr ſeinen Geretteten weint. Mit flammenden
Blicken

Haͤlt hier Judiths blutige Hand des aßyriſchen Feld-
herrn

Scheuß-
*) Ein berzoal. Braunſchweigiſches Luſtſchloß; wegen
ſeiner Gemaͤldengallerie merkwuͤrdig.
**) Von Lievens.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0088" n="80"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Mittag.</hi> </fw><lb/>
          <l>Und mit ihrem Ge&#x017F;ang barbari&#x017F;che Sitten gemildert.</l><lb/>
          <l>Philomele &#x017F;ingt &#x017F;o in tiefen &#x017F;chauernden Wa&#x0364;ldern</l><lb/>
          <l>Durch die Nacht der Wildniß ihr Lied, und tro&#x0364;&#x017F;tet<lb/><hi rendition="#et">den Wandrer,</hi></l><lb/>
          <l>Welcher im Walde verirrt mit Kummer den Morgen<lb/><hi rendition="#et">erwartet.</hi></l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Oft verfolg auch den Weg durch fri&#x017F;che Wa&#x0364;lder<lb/><hi rendition="#et">von Eichen</hi></l><lb/>
          <l>Bis zur Lindenallee, die nach Salzdalum <note place="foot" n="*)">Ein berzoal. Braun&#x017F;chweigi&#x017F;ches Lu&#x017F;t&#x017F;chloß; wegen<lb/>
&#x017F;einer Gema&#x0364;ldengallerie merkwu&#x0364;rdig.</note> dich leitet,</l><lb/>
          <l>Wo die er&#x017F;chaffende Kun&#x017F;t in ku&#x0364;hlen Gema&#x0364;chern und<lb/><hi rendition="#et">Hallen</hi></l><lb/>
          <l>Eine zweyte Natur, be&#x017F;eelt durch den Pin&#x017F;el, dir auf-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tellt.</hi></l><lb/>
          <l>Welch ein Anblick! Das &#x017F;chwellende Herz &#x017F;cheint ma&#x0364;cht-<lb/><hi rendition="#et">ger zu fu&#x0364;hlen,</hi></l><lb/>
          <l>Wenn es den opfernden Abraham <note place="foot" n="**)">Von Lievens.</note> &#x017F;ieht, der voller<lb/><hi rendition="#et">Entzu&#x0364;cken</hi></l><lb/>
          <l>Seinen J&#x017F;ak umarmt, und mit dem &#x017F;prechenden Auge</l><lb/>
          <l>Dank fu&#x0364;r &#x017F;einen Geretteten weint. Mit flammenden<lb/><hi rendition="#et">Blicken</hi></l><lb/>
          <l>Ha&#x0364;lt hier Judiths blutige Hand des aßyri&#x017F;chen Feld-<lb/><hi rendition="#et">herrn</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Scheuß-</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0088] Der Mittag. Und mit ihrem Geſang barbariſche Sitten gemildert. Philomele ſingt ſo in tiefen ſchauernden Waͤldern Durch die Nacht der Wildniß ihr Lied, und troͤſtet den Wandrer, Welcher im Walde verirrt mit Kummer den Morgen erwartet. Oft verfolg auch den Weg durch friſche Waͤlder von Eichen Bis zur Lindenallee, die nach Salzdalum *) dich leitet, Wo die erſchaffende Kunſt in kuͤhlen Gemaͤchern und Hallen Eine zweyte Natur, beſeelt durch den Pinſel, dir auf- ſtellt. Welch ein Anblick! Das ſchwellende Herz ſcheint maͤcht- ger zu fuͤhlen, Wenn es den opfernden Abraham **) ſieht, der voller Entzuͤcken Seinen Jſak umarmt, und mit dem ſprechenden Auge Dank fuͤr ſeinen Geretteten weint. Mit flammenden Blicken Haͤlt hier Judiths blutige Hand des aßyriſchen Feld- herrn Scheuß- *) Ein berzoal. Braunſchweigiſches Luſtſchloß; wegen ſeiner Gemaͤldengallerie merkwuͤrdig. **) Von Lievens.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/88
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/88>, abgerufen am 21.11.2024.