Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Mittag. Warten auf seiner Gäste Befehle; sie werden vollzo-gen, Wie der Gedanke gewünscht, und winkende Blicke ge- fodert. Und so trinken sie, herrlich und groß, dem Abend ent- gegen; Wahre Zufriedenheit scheint auf ihre Stirnen gezeich- net, Und der Pöbel beneidet das Glück des mächtigen Man- nes. Aber mit schärferem Blick sieht in der Ferne der Weise, Wie vergebens sich hier von allen Theilen der Erde Theure Speisen zusammengedrängt, und wie er verge- bens Alle Weine versucht, um seiner Zunge zu schmeicheln. Doch sein Gefühl ist dahin! Sein längst verdorbener Magen Muß die Pariserpastete verschmähn, so sehr auch die Reuter Mit ihr durch Länder geeilt, um seinen Geschmack zu vergnügen. Und vor allem vergällt ihm sein Mahl die Furcht und die Unruh, Welche beständig um ihn die störenden Schwingen ver- breiten. Jn den Augen sitzet der Neid, und der Argwohn, und wachet Auf
Der Mittag. Warten auf ſeiner Gaͤſte Befehle; ſie werden vollzo-gen, Wie der Gedanke gewuͤnſcht, und winkende Blicke ge- fodert. Und ſo trinken ſie, herrlich und groß, dem Abend ent- gegen; Wahre Zufriedenheit ſcheint auf ihre Stirnen gezeich- net, Und der Poͤbel beneidet das Gluͤck des maͤchtigen Man- nes. Aber mit ſchaͤrferem Blick ſieht in der Ferne der Weiſe, Wie vergebens ſich hier von allen Theilen der Erde Theure Speiſen zuſammengedraͤngt, und wie er verge- bens Alle Weine verſucht, um ſeiner Zunge zu ſchmeicheln. Doch ſein Gefuͤhl iſt dahin! Sein laͤngſt verdorbener Magen Muß die Pariſerpaſtete verſchmaͤhn, ſo ſehr auch die Reuter Mit ihr durch Laͤnder geeilt, um ſeinen Geſchmack zu vergnuͤgen. Und vor allem vergaͤllt ihm ſein Mahl die Furcht und die Unruh, Welche beſtaͤndig um ihn die ſtoͤrenden Schwingen ver- breiten. Jn den Augen ſitzet der Neid, und der Argwohn, und wachet Auf
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Der Mittag.
Warten auf ſeiner Gaͤſte Befehle; ſie werden vollzo-
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Wie der Gedanke gewuͤnſcht, und winkende Blicke ge-
fodert.
Und ſo trinken ſie, herrlich und groß, dem Abend ent-
gegen;
Wahre Zufriedenheit ſcheint auf ihre Stirnen gezeich-
net,
Und der Poͤbel beneidet das Gluͤck des maͤchtigen Man-
nes.
Aber mit ſchaͤrferem Blick ſieht in der Ferne der Weiſe,
Wie vergebens ſich hier von allen Theilen der Erde
Theure Speiſen zuſammengedraͤngt, und wie er verge-
bens
Alle Weine verſucht, um ſeiner Zunge zu ſchmeicheln.
Doch ſein Gefuͤhl iſt dahin! Sein laͤngſt verdorbener
Magen
Muß die Pariſerpaſtete verſchmaͤhn, ſo ſehr auch die
Reuter
Mit ihr durch Laͤnder geeilt, um ſeinen Geſchmack zu
vergnuͤgen.
Und vor allem vergaͤllt ihm ſein Mahl die Furcht und
die Unruh,
Welche beſtaͤndig um ihn die ſtoͤrenden Schwingen ver-
breiten.
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