Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Jch für sie nur gemacht, sie ganz für mich nur geschaf-fen, Welche die paradiesischen Freuden des güldenen Lebens Mit mir genösse -- was hätt ich da noch von Glück: zu wünschen? Aber mir schien bey meiner Geburt kein solches Gestirne! Nicht ein einziger Fleck der weiten Erde gehöret Meinen Wünschen! Oft muß ich den Thor, den Witz- ling, ertragen, Um nur Bäume zu sehn, und Blüthen zu riechen. Oft muß ich Stundenlang gehn, vor Hitze verschmachten, bevor mich der Schatten Eines Waldes erfrischt; indes der eckele Hofmann, Oder ein Harpax, der sich nur freut im düstern Ge- wölbe Finster zu lauschen, und Schätze zu häufen, die herr- lichsten Gärten, Und Palläste besitzt, um welche die glücklichsten Fluren Sich erstrecken, und nicht sie genießt! Wie würde der Dichter Sie geniessen! O glückliches Land, in welchem ein Pope Mit der göttlichen Kunst die dichtrische Leyer zu rühren, Sich
Der Morgen. Jch fuͤr ſie nur gemacht, ſie ganz fuͤr mich nur geſchaf-fen, Welche die paradieſiſchen Freuden des guͤldenen Lebens Mit mir genoͤſſe — was haͤtt ich da noch von Gluͤck: zu wuͤnſchen? Aber mir ſchien bey meiner Geburt kein ſolches Geſtirne! Nicht ein einziger Fleck der weiten Erde gehoͤret Meinen Wuͤnſchen! Oft muß ich den Thor, den Witz- ling, ertragen, Um nur Baͤume zu ſehn, und Bluͤthen zu riechen. Oft muß ich Stundenlang gehn, vor Hitze verſchmachten, bevor mich der Schatten Eines Waldes erfriſcht; indes der eckele Hofmann, Oder ein Harpax, der ſich nur freut im duͤſtern Ge- woͤlbe Finſter zu lauſchen, und Schaͤtze zu haͤufen, die herr- lichſten Gaͤrten, Und Pallaͤſte beſitzt, um welche die gluͤcklichſten Fluren Sich erſtrecken, und nicht ſie genießt! Wie wuͤrde der Dichter Sie genieſſen! O gluͤckliches Land, in welchem ein Pope Mit der goͤttlichen Kunſt die dichtriſche Leyer zu ruͤhren, Sich
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Der Morgen.
Jch fuͤr ſie nur gemacht, ſie ganz fuͤr mich nur geſchaf-
fen,
Welche die paradieſiſchen Freuden des guͤldenen Lebens
Mit mir genoͤſſe — was haͤtt ich da noch von Gluͤck:
zu wuͤnſchen?
Aber mir ſchien bey meiner Geburt kein ſolches Geſtirne!
Nicht ein einziger Fleck der weiten Erde gehoͤret
Meinen Wuͤnſchen! Oft muß ich den Thor, den Witz-
ling, ertragen,
Um nur Baͤume zu ſehn, und Bluͤthen zu riechen. Oft
muß ich
Stundenlang gehn, vor Hitze verſchmachten, bevor mich
der Schatten
Eines Waldes erfriſcht; indes der eckele Hofmann,
Oder ein Harpax, der ſich nur freut im duͤſtern Ge-
woͤlbe
Finſter zu lauſchen, und Schaͤtze zu haͤufen, die herr-
lichſten Gaͤrten,
Und Pallaͤſte beſitzt, um welche die gluͤcklichſten Fluren
Sich erſtrecken, und nicht ſie genießt! Wie wuͤrde der
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Zitationshilfe: | Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/53>, abgerufen am 16.07.2024. |