Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Tempel des Friedens.
Er führt Schaaren verruchter Verbrecher zum heiligen
Grabe,

Welches sonst Pilger allein voll frommer Demuth be-
suchten.

Grössere Menschlichkeit, grössere Tugenden machten
den Sultan

Würdger der heiligen Gruft, als irrende Ritter und
Fromme,

Welche sich Laster erlaubt, die kein Beschnittner verübet.
Was für Verbrechen mußte da nicht der Orient dulden,
Als das befleckte Panier des Kreutzes die Länder durch-
strömte!

Aber der Occident auch sah sich zerrüttet. Die Heere
Lehrender Ritter durchirrten das Land, und tauften mit
Blute!

So die Göttin. Mich dünkte, das Weinen der
Völker stieg äugstlich

Zu dem Himmel hinauf. Man wollte durch Schwerd-
ter bekehren,

Und ich sah den Priester, ergrimmt, mit Dolchen
bewafnet,

Flie-

Der Tempel des Friedens.
Er fuͤhrt Schaaren verruchter Verbrecher zum heiligen
Grabe,

Welches ſonſt Pilger allein voll frommer Demuth be-
ſuchten.

Groͤſſere Menſchlichkeit, groͤſſere Tugenden machten
den Sultan

Wuͤrdger der heiligen Gruft, als irrende Ritter und
Fromme,

Welche ſich Laſter erlaubt, die kein Beſchnittner veruͤbet.
Was fuͤr Verbrechen mußte da nicht der Orient dulden,
Als das befleckte Panier des Kreutzes die Laͤnder durch-
ſtroͤmte!

Aber der Occident auch ſah ſich zerruͤttet. Die Heere
Lehrender Ritter durchirrten das Land, und tauften mit
Blute!

So die Goͤttin. Mich duͤnkte, das Weinen der
Voͤlker ſtieg aͤugſtlich

Zu dem Himmel hinauf. Man wollte durch Schwerd-
ter bekehren,

Und ich ſah den Prieſter, ergrimmt, mit Dolchen
bewafnet,

Flie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0214" n="206"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Tempel des Friedens.</hi> </fw><lb/>
          <l>Er fu&#x0364;hrt Schaaren verruchter Verbrecher zum heiligen<lb/><hi rendition="#et">Grabe,</hi></l><lb/>
          <l>Welches &#x017F;on&#x017F;t Pilger allein voll frommer Demuth be-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;uchten.</hi></l><lb/>
          <l>Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Men&#x017F;chlichkeit, gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Tugenden machten<lb/><hi rendition="#et">den Sultan</hi></l><lb/>
          <l>Wu&#x0364;rdger der heiligen Gruft, als irrende Ritter und<lb/><hi rendition="#et">Fromme,</hi></l><lb/>
          <l>Welche &#x017F;ich La&#x017F;ter erlaubt, die kein Be&#x017F;chnittner veru&#x0364;bet.</l><lb/>
          <l>Was fu&#x0364;r Verbrechen mußte da nicht der Orient dulden,</l><lb/>
          <l>Als das befleckte Panier des Kreutzes die La&#x0364;nder durch-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tro&#x0364;mte!</hi></l><lb/>
          <l>Aber der Occident auch &#x017F;ah &#x017F;ich zerru&#x0364;ttet. Die Heere</l><lb/>
          <l>Lehrender Ritter durchirrten das Land, und tauften mit<lb/><hi rendition="#et">Blute!</hi></l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>So die Go&#x0364;ttin. Mich du&#x0364;nkte, das Weinen der<lb/><hi rendition="#et">Vo&#x0364;lker &#x017F;tieg a&#x0364;ug&#x017F;tlich</hi></l><lb/>
          <l>Zu dem Himmel hinauf. Man wollte durch Schwerd-<lb/><hi rendition="#et">ter bekehren,</hi></l><lb/>
          <l>Und ich &#x017F;ah den Prie&#x017F;ter, ergrimmt, mit Dolchen<lb/><hi rendition="#et">bewafnet,</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Flie-</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0214] Der Tempel des Friedens. Er fuͤhrt Schaaren verruchter Verbrecher zum heiligen Grabe, Welches ſonſt Pilger allein voll frommer Demuth be- ſuchten. Groͤſſere Menſchlichkeit, groͤſſere Tugenden machten den Sultan Wuͤrdger der heiligen Gruft, als irrende Ritter und Fromme, Welche ſich Laſter erlaubt, die kein Beſchnittner veruͤbet. Was fuͤr Verbrechen mußte da nicht der Orient dulden, Als das befleckte Panier des Kreutzes die Laͤnder durch- ſtroͤmte! Aber der Occident auch ſah ſich zerruͤttet. Die Heere Lehrender Ritter durchirrten das Land, und tauften mit Blute! So die Goͤttin. Mich duͤnkte, das Weinen der Voͤlker ſtieg aͤugſtlich Zu dem Himmel hinauf. Man wollte durch Schwerd- ter bekehren, Und ich ſah den Prieſter, ergrimmt, mit Dolchen bewafnet, Flie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/214
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/214>, abgerufen am 18.05.2024.