Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Die Nacht. Schreckendes Grab! Du letzte Behausung für Götterim Leben, O wie beugst du den träumenden Stolz! Hier, sterbli- cher Stolzer, Hier am Rande der Gruft, betrachte die morschen Ge- beine, Welche vielleicht mit eben der Jugend, mit eben der Schönheit, Und dem Anfehn, trotzten, wie du. Wo sind die Ent- schlüsse, Die wir im Leben gemacht? Wo sind die Hofnungen alle, Bunte flatternde Schaaren, die uns betrügrisch umtan- zen? Jst noch Eine zurück, der zeitlichen Hofnungen Eine, Welche nicht treulos von dir am Rande des Grabes davon flieht? Rufe sie alle; sie hören dich nicht; mit rauschenden Flügeln Fahren sie auf in die Lüfte, zerflattern, und lassen dich sterben. Eine nur nahet sich noch, den Tugendhaften zu stärken, Wenn L 4
Die Nacht. Schreckendes Grab! Du letzte Behauſung fuͤr Goͤtterim Leben, O wie beugſt du den traͤumenden Stolz! Hier, ſterbli- cher Stolzer, Hier am Rande der Gruft, betrachte die morſchen Ge- beine, Welche vielleicht mit eben der Jugend, mit eben der Schoͤnheit, Und dem Anfehn, trotzten, wie du. Wo ſind die Ent- ſchluͤſſe, Die wir im Leben gemacht? Wo ſind die Hofnungen alle, Bunte flatternde Schaaren, die uns betruͤgriſch umtan- zen? Jſt noch Eine zuruͤck, der zeitlichen Hofnungen Eine, Welche nicht treulos von dir am Rande des Grabes davon flieht? Rufe ſie alle; ſie hoͤren dich nicht; mit rauſchenden Fluͤgeln Fahren ſie auf in die Luͤfte, zerflattern, und laſſen dich ſterben. Eine nur nahet ſich noch, den Tugendhaften zu ſtaͤrken, Wenn L 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg> <pb facs="#f0175" n="167"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Nacht.</hi> </fw><lb/> <l>Schreckendes Grab! Du letzte Behauſung fuͤr Goͤtter<lb/><hi rendition="#et">im Leben,</hi></l><lb/> <l>O wie beugſt du den traͤumenden Stolz! Hier, ſterbli-<lb/><hi rendition="#et">cher Stolzer,</hi></l><lb/> <l>Hier am Rande der Gruft, betrachte die morſchen Ge-<lb/><hi rendition="#et">beine,</hi></l><lb/> <l>Welche vielleicht mit eben der Jugend, mit eben der<lb/><hi rendition="#et">Schoͤnheit,</hi></l><lb/> <l>Und dem Anfehn, trotzten, wie du. Wo ſind die Ent-<lb/><hi rendition="#et">ſchluͤſſe,</hi></l><lb/> <l>Die wir im Leben gemacht? Wo ſind die Hofnungen alle,</l><lb/> <l>Bunte flatternde Schaaren, die uns betruͤgriſch umtan-<lb/><hi rendition="#et">zen?</hi></l><lb/> <l>Jſt noch Eine zuruͤck, der zeitlichen Hofnungen Eine,</l><lb/> <l>Welche nicht treulos von dir am Rande des Grabes<lb/><hi rendition="#et">davon flieht?</hi></l><lb/> <l>Rufe ſie alle; ſie hoͤren dich nicht; mit rauſchenden<lb/><hi rendition="#et">Fluͤgeln</hi></l><lb/> <l>Fahren ſie auf in die Luͤfte, zerflattern, und laſſen dich<lb/><hi rendition="#et">ſterben.</hi></l><lb/> <l>Eine nur nahet ſich noch, den Tugendhaften zu ſtaͤrken,</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">L 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [167/0175]
Die Nacht.
Schreckendes Grab! Du letzte Behauſung fuͤr Goͤtter
im Leben,
O wie beugſt du den traͤumenden Stolz! Hier, ſterbli-
cher Stolzer,
Hier am Rande der Gruft, betrachte die morſchen Ge-
beine,
Welche vielleicht mit eben der Jugend, mit eben der
Schoͤnheit,
Und dem Anfehn, trotzten, wie du. Wo ſind die Ent-
ſchluͤſſe,
Die wir im Leben gemacht? Wo ſind die Hofnungen alle,
Bunte flatternde Schaaren, die uns betruͤgriſch umtan-
zen?
Jſt noch Eine zuruͤck, der zeitlichen Hofnungen Eine,
Welche nicht treulos von dir am Rande des Grabes
davon flieht?
Rufe ſie alle; ſie hoͤren dich nicht; mit rauſchenden
Fluͤgeln
Fahren ſie auf in die Luͤfte, zerflattern, und laſſen dich
ſterben.
Eine nur nahet ſich noch, den Tugendhaften zu ſtaͤrken,
Wenn
L 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/175 |
Zitationshilfe: | Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/175>, abgerufen am 16.02.2025. |