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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

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Murner in der Hölle.
Und gieng bebend für Angst zur schneckenförmigen Trep-
pe,
Aber wie blind macht öfters die Furcht! An statt daß
die Zofe
Zu dem niedern Gemach dicht an dem Dache hinauf-
stieg,
Kam sie in ihrer Bestürzung herab zur Thüre des Kel-
lers.
Dieser war, schrecklich und wüst, schon lange die schwar-
ze Behausung
Aller Gespenster gewesen. Jn bangen Mitternachts-
stunden
Hörte man oft ein Winseln darin; auch hatte der Kut-
scher
Blaue Lichter bey flimmernden Schätzen drin brennen
gesehen.
Wie vom Donner gerührt stand ietzt die furchtsame Zofe
Vor dem Schlunde des Kollers; ein tödtliches panisches
Schrecken
Sträubte der zitternden Nymphe das Haupthaar em-
por; mit Entsetzen
Stieg sie die Stufen von neuem hinauf, und wollte
nun sichrer
Jhre Kammerthür öfnen; da kam ihr der Schatten der
Katze
Wild entgegen gebraußt. Sie sahe die funkelnden Au-
gen
Und den zähnefletschenden Schlund, und stürzte sich
schreyend

Tief

Murner in der Hoͤlle.
Und gieng bebend fuͤr Angſt zur ſchneckenfoͤrmigen Trep-
pe,
Aber wie blind macht oͤfters die Furcht! An ſtatt daß
die Zofe
Zu dem niedern Gemach dicht an dem Dache hinauf-
ſtieg,
Kam ſie in ihrer Beſtuͤrzung herab zur Thuͤre des Kel-
lers.
Dieſer war, ſchrecklich und wuͤſt, ſchon lange die ſchwar-
ze Behauſung
Aller Geſpenſter geweſen. Jn bangen Mitternachts-
ſtunden
Hoͤrte man oft ein Winſeln darin; auch hatte der Kut-
ſcher
Blaue Lichter bey flimmernden Schaͤtzen drin brennen
geſehen.
Wie vom Donner geruͤhrt ſtand ietzt die furchtſame Zofe
Vor dem Schlunde des Kollers; ein toͤdtliches paniſches
Schrecken
Straͤubte der zitternden Nymphe das Haupthaar em-
por; mit Entſetzen
Stieg ſie die Stufen von neuem hinauf, und wollte
nun ſichrer
Jhre Kammerthuͤr oͤfnen; da kam ihr der Schatten der
Katze
Wild entgegen gebraußt. Sie ſahe die funkelnden Au-
gen
Und den zaͤhnefletſchenden Schlund, und ſtuͤrzte ſich
ſchreyend

Tief
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[152/0160] Murner in der Hoͤlle. Und gieng bebend fuͤr Angſt zur ſchneckenfoͤrmigen Trep- pe, Aber wie blind macht oͤfters die Furcht! An ſtatt daß die Zofe Zu dem niedern Gemach dicht an dem Dache hinauf- ſtieg, Kam ſie in ihrer Beſtuͤrzung herab zur Thuͤre des Kel- lers. Dieſer war, ſchrecklich und wuͤſt, ſchon lange die ſchwar- ze Behauſung Aller Geſpenſter geweſen. Jn bangen Mitternachts- ſtunden Hoͤrte man oft ein Winſeln darin; auch hatte der Kut- ſcher Blaue Lichter bey flimmernden Schaͤtzen drin brennen geſehen. Wie vom Donner geruͤhrt ſtand ietzt die furchtſame Zofe Vor dem Schlunde des Kollers; ein toͤdtliches paniſches Schrecken Straͤubte der zitternden Nymphe das Haupthaar em- por; mit Entſetzen Stieg ſie die Stufen von neuem hinauf, und wollte nun ſichrer Jhre Kammerthuͤr oͤfnen; da kam ihr der Schatten der Katze Wild entgegen gebraußt. Sie ſahe die funkelnden Au- gen Und den zaͤhnefletſchenden Schlund, und ſtuͤrzte ſich ſchreyend Tief

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/160>, abgerufen am 22.11.2024.