Dein schönes Haar verbrannt? Jst es nunmehr zu kurz? Wächst dein Toppee nicht mehr? Verschießt dein blauer Schurz?
Er aber bückte sich, und sprach mit ernsten Mie- nen: O Göttin, welcher wir auch an der Pleiße dienen, Seitdem Germanien begierig nachgemacht, Was hier der Schneider träumt, und jeder Narr er- dacht; Du hast es selbst gesehn, wie Raufbold uns erschrecket. Allein ich habe schon sein stolzes Herz entdecket; Er liebt; -- Selinde hat die große That gethan. Doch, Göttin, send ihm noch den mächtgen Gott Ro- man, Damit er sein Gehirn mit süßem Dunst umhülle, Und manches Abentheur die Einbildung erfülle; So wird der Renommist, der uns so lang getrutzt, Ein Stutzer, wie Sylvan, der sich am Nachttisch putzt.
Er schwieg. Es tönt der Saal, die bunten Pfei- ler beben.
Von
Der Renommiſt.
Dein ſchoͤnes Haar verbrannt? Jſt es nunmehr zu kurz? Waͤchſt dein Toppee nicht mehr? Verſchießt dein blauer Schurz?
Er aber buͤckte ſich, und ſprach mit ernſten Mie- nen: O Goͤttin, welcher wir auch an der Pleiße dienen, Seitdem Germanien begierig nachgemacht, Was hier der Schneider traͤumt, und jeder Narr er- dacht; Du haſt es ſelbſt geſehn, wie Raufbold uns erſchrecket. Allein ich habe ſchon ſein ſtolzes Herz entdecket; Er liebt; — Selinde hat die große That gethan. Doch, Goͤttin, ſend ihm noch den maͤchtgen Gott Ro- man, Damit er ſein Gehirn mit ſuͤßem Dunſt umhuͤlle, Und manches Abentheur die Einbildung erfuͤlle; So wird der Renommiſt, der uns ſo lang getrutzt, Ein Stutzer, wie Sylvan, der ſich am Nachttiſch putzt.
Er ſchwieg. Es toͤnt der Saal, die bunten Pfei- ler beben.
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Der Renommiſt.
Dein ſchoͤnes Haar verbrannt? Jſt es nunmehr zu
kurz?
Waͤchſt dein Toppee nicht mehr? Verſchießt dein blauer
Schurz?
Er aber buͤckte ſich, und ſprach mit ernſten Mie-
nen:
O Goͤttin, welcher wir auch an der Pleiße dienen,
Seitdem Germanien begierig nachgemacht,
Was hier der Schneider traͤumt, und jeder Narr er-
dacht;
Du haſt es ſelbſt geſehn, wie Raufbold uns erſchrecket.
Allein ich habe ſchon ſein ſtolzes Herz entdecket;
Er liebt; — Selinde hat die große That gethan.
Doch, Goͤttin, ſend ihm noch den maͤchtgen Gott Ro-
man,
Damit er ſein Gehirn mit ſuͤßem Dunſt umhuͤlle,
Und manches Abentheur die Einbildung erfuͤlle;
So wird der Renommiſt, der uns ſo lang getrutzt,
Ein Stutzer, wie Sylvan, der ſich am Nachttiſch putzt.
Er ſchwieg. Es toͤnt der Saal, die bunten Pfei-
ler beben.
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/158>, abgerufen am 16.02.2025.
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