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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
[Abbildung] Fig. 23.
drängen der Punkte, also eine bedeutendere Verdichtung, stattfinden
als an irgend einer Stelle der voranliegenden Punktreihe, weil der
Punkt f, der schon dem dünneren Medium angehört, den gegen ihn
eindringenden Punkten einen geringen Widerstand entgegensetzt. Es
wird also bei f ein Wellenberg entstehen, der höher ist als die voran-
gegangenen Wellenberge, und in Folge dessen wird sich links von f
an der Grenze des dichteren Mediums ein tieferes Wellenthal bilden,
das denselben Effect hat, als wenn bei f eine Thalwelle erregt wor-
den wäre, die nun von f nach a zurückschreitet. Aehnlich wird es
sich bei einer Transversalwelle verhalten. Da der Punkt f schwä-
chere Anziehungskräfte auf seine benachbarten Punkte ausübt als die
vorangelegenen Punkte des dichteren Mediums auf die ihrigen, so
wird, wenn die transversale Schwingung sich bis f fortgepflanzt hat,
nun f eine Schwingung von beträchtlich grösserer Amplitude ausfüh-
ren: es wird also auch hier wieder an der Grenze ein tieferes Wel-
lenthal entstehen, das eine zurückschreitende Thalwelle veranlasst. Ist
die ankommende Welle eine Thalwelle, so muss eine schwächere Bergwelle
zurücklaufen. In allen Fällen ist also die von dem dünneren Medium
reflectirte Welle von entgegengesetzter Beschaffenheit wie die ankom-
mende. Die Welle trennt sich auch hier an der Grenze f in eine re-
flectirte Welle und in eine fortlaufende, welche zusammen die Höhe
der ursprünglichen Welle besitzen. In Bezug auf die Wellenlänge
oder Schwingungsgeschwindigkeit der einzelnen Punkte beider Medien
muss aber wieder dieselbe Betrachtung Platz greifen, die wir oben bei
der Fortpflanzung und Reflexion durch ein dichteres Medium angestellt
haben: die Wellenlänge in der auf das dünnere Medium fortge-
pflanzten Welle muss jetzt offenbar grösser werden, und dem ent-
sprechend muss, da die Oscillationsdauer dieselbe bleibt, auch die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit zunehmen.

Bisher wurde angenommen, die in ein dichteres oder dünneres43
Brechung der
Wellen.

Medium sich fortpflanzende Welle treffe senkrecht auf die Begrenzungs-
fläche desselben auf: in diesem Fall behält die Welle in dem andern
Medium ihre Richtung bei und verändert nur ihre Geschwindigkeit.
Anders verhält es sich, wenn die Richtung der ankommenden Welle
geneigt zur Begrenzungsfläche ist. Um den in diesem Fall eintre-
tenden Ertolg darzulegen, müssen wir die Fortpflanzung einer Wel-
lenebene
in Betracht ziehen. Gesetzt, eine Wellenebene p p' a b

Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
[Abbildung] Fig. 23.
drängen der Punkte, also eine bedeutendere Verdichtung, stattfinden
als an irgend einer Stelle der voranliegenden Punktreihe, weil der
Punkt f, der schon dem dünneren Medium angehört, den gegen ihn
eindringenden Punkten einen geringen Widerstand entgegensetzt. Es
wird also bei f ein Wellenberg entstehen, der höher ist als die voran-
gegangenen Wellenberge, und in Folge dessen wird sich links von f
an der Grenze des dichteren Mediums ein tieferes Wellenthal bilden,
das denselben Effect hat, als wenn bei f eine Thalwelle erregt wor-
den wäre, die nun von f nach a zurückschreitet. Aehnlich wird es
sich bei einer Transversalwelle verhalten. Da der Punkt f schwä-
chere Anziehungskräfte auf seine benachbarten Punkte ausübt als die
vorangelegenen Punkte des dichteren Mediums auf die ihrigen, so
wird, wenn die transversale Schwingung sich bis f fortgepflanzt hat,
nun f eine Schwingung von beträchtlich grösserer Amplitude ausfüh-
ren: es wird also auch hier wieder an der Grenze ein tieferes Wel-
lenthal entstehen, das eine zurückschreitende Thalwelle veranlasst. Ist
die ankommende Welle eine Thalwelle, so muss eine schwächere Bergwelle
zurücklaufen. In allen Fällen ist also die von dem dünneren Medium
reflectirte Welle von entgegengesetzter Beschaffenheit wie die ankom-
mende. Die Welle trennt sich auch hier an der Grenze f in eine re-
flectirte Welle und in eine fortlaufende, welche zusammen die Höhe
der ursprünglichen Welle besitzen. In Bezug auf die Wellenlänge
oder Schwingungsgeschwindigkeit der einzelnen Punkte beider Medien
muss aber wieder dieselbe Betrachtung Platz greifen, die wir oben bei
der Fortpflanzung und Reflexion durch ein dichteres Medium angestellt
haben: die Wellenlänge in der auf das dünnere Medium fortge-
pflanzten Welle muss jetzt offenbar grösser werden, und dem ent-
sprechend muss, da die Oscillationsdauer dieselbe bleibt, auch die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit zunehmen.

Bisher wurde angenommen, die in ein dichteres oder dünneres43
Brechung der
Wellen.

Medium sich fortpflanzende Welle treffe senkrecht auf die Begrenzungs-
fläche desselben auf: in diesem Fall behält die Welle in dem andern
Medium ihre Richtung bei und verändert nur ihre Geschwindigkeit.
Anders verhält es sich, wenn die Richtung der ankommenden Welle
geneigt zur Begrenzungsfläche ist. Um den in diesem Fall eintre-
tenden Ertolg darzulegen, müssen wir die Fortpflanzung einer Wel-
lenebene
in Betracht ziehen. Gesetzt, eine Wellenebene p p' a b

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[57/0079] Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen. [Abbildung Fig. 23.] drängen der Punkte, also eine bedeutendere Verdichtung, stattfinden als an irgend einer Stelle der voranliegenden Punktreihe, weil der Punkt f, der schon dem dünneren Medium angehört, den gegen ihn eindringenden Punkten einen geringen Widerstand entgegensetzt. Es wird also bei f ein Wellenberg entstehen, der höher ist als die voran- gegangenen Wellenberge, und in Folge dessen wird sich links von f an der Grenze des dichteren Mediums ein tieferes Wellenthal bilden, das denselben Effect hat, als wenn bei f eine Thalwelle erregt wor- den wäre, die nun von f nach a zurückschreitet. Aehnlich wird es sich bei einer Transversalwelle verhalten. Da der Punkt f schwä- chere Anziehungskräfte auf seine benachbarten Punkte ausübt als die vorangelegenen Punkte des dichteren Mediums auf die ihrigen, so wird, wenn die transversale Schwingung sich bis f fortgepflanzt hat, nun f eine Schwingung von beträchtlich grösserer Amplitude ausfüh- ren: es wird also auch hier wieder an der Grenze ein tieferes Wel- lenthal entstehen, das eine zurückschreitende Thalwelle veranlasst. Ist die ankommende Welle eine Thalwelle, so muss eine schwächere Bergwelle zurücklaufen. In allen Fällen ist also die von dem dünneren Medium reflectirte Welle von entgegengesetzter Beschaffenheit wie die ankom- mende. Die Welle trennt sich auch hier an der Grenze f in eine re- flectirte Welle und in eine fortlaufende, welche zusammen die Höhe der ursprünglichen Welle besitzen. In Bezug auf die Wellenlänge oder Schwingungsgeschwindigkeit der einzelnen Punkte beider Medien muss aber wieder dieselbe Betrachtung Platz greifen, die wir oben bei der Fortpflanzung und Reflexion durch ein dichteres Medium angestellt haben: die Wellenlänge in der auf das dünnere Medium fortge- pflanzten Welle muss jetzt offenbar grösser werden, und dem ent- sprechend muss, da die Oscillationsdauer dieselbe bleibt, auch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit zunehmen. Bisher wurde angenommen, die in ein dichteres oder dünneres Medium sich fortpflanzende Welle treffe senkrecht auf die Begrenzungs- fläche desselben auf: in diesem Fall behält die Welle in dem andern Medium ihre Richtung bei und verändert nur ihre Geschwindigkeit. Anders verhält es sich, wenn die Richtung der ankommenden Welle geneigt zur Begrenzungsfläche ist. Um den in diesem Fall eintre- tenden Ertolg darzulegen, müssen wir die Fortpflanzung einer Wel- lenebene in Betracht ziehen. Gesetzt, eine Wellenebene p p' a b 43 Brechung der Wellen.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/79>, abgerufen am 30.11.2024.