gemachten Harzstange aber viel stärker angezogen, als wenn es sich im unelektrischen Zustand befände.
Die dem Kügelchen durch eine geriebene Glasstange mitgetheilte Elektricität kann ferner bis zu einer gewissen Grenze verstärkt wer- den, wenn man die Glasstange von neuem reibt und mit ihr das Kügelchen berührt; setzt man dagegen letzteres in Contact mit einer geriebenen Harzstange, so verschwindet seine Elektricität augenblick- lich; umgekehrt wird die durch geriebenes Harz mitgetheilte Elektri- cität durch die Elektricität des Glases vernichtet.
Diese Beobachtungen waren es zuerst, die zu der Vorstellung führten, dass es zwei Elektricitäten gebe. Diejenige Elektricität, die durch Reiben des Glases zu entstehen pflegt, nennt man die positive und die ihr engegengesetzte die negative. Diese Bezeichnung soll lediglich andeuten, dass beide Elektricitäten wie + und -- in der Algebra einander aufheben. Dass man aber gerade die Glaselektri- cität positiv genannt hat, beruht auf willkürlicher Wahl. Denn beide Elektricitäten unterscheiden sich nur in ihrem gegenseitigen Verhalten, jede für sich betrachtet folgt denselben Gesetzen wie die andere.
Man glaubte anfänglich, jede Elektricität sei bestimmten Körpern eigenthümlich und nannte daher die positive Elektricität Glaselektri- tät, die negative dagegen Harzelektricität. Genauere Beobachtungen haben jedoch gezeigt, dass die Art der Elektricität nicht bloss von demjenigen Körper abhängig ist, welcher gerieben wird, sondern auch von demjenigen, mit welchem man reibt. Ein und derselbe Körper kann daher verschiedene Elektricitäten annehmen. Zur Prüfung der Körper auf ihren elektrischen Zustand bedient man sich desshalb in der Regel derjenigen Elektricität, welche das Glas annimmt, wenn es mit Leder gerieben wird, das zuvor mit einem Zink-Zinn-Amalgam, dem s. g. Kienmaier'schen Amalgam, bestrichen wurde. Die so er- zeugte Elektricität nennt man positiv, jede ihr entgegengesetzte negativ.
Wenn nun ein Körper durch Reiben elektrisch gemacht ist, so zeigt regelmässig auch der zum Reiben dienende Körper Elektricität, und zwar stets eine Elektricität, die derjenigen entgegengesetzt ist, welche der geriebene Körper annahm. So wird das Leder, mit wel- chem man eine Glasstange positiv elektrisch gemacht hat, selber ne- gativ elektrisch; ein wollenes Tuch, mit welchem man in einer Harz- platte negative Elektricität erzeugt hat, wird selber positiv. Alle Kör- per, die an einander gerieben entgegengesetzte Elektricitäten anneh- men, heissen idioelektrisch, solche dagegen, die auch durch das stärkste Reiben nicht elektrisch werden, anelektrisch. Zu den idio- elektrischen Körpern gehören Glas, Harz, Wachs, Schwefel, Gutta- percha, Leder u. s. w., zu den anelektrischen sämmtliche Metalle, die Kohle, das Wasser und die von Wasser durchtränkten Körper.
28 *
Erregung der Elektricität.
gemachten Harzstange aber viel stärker angezogen, als wenn es sich im unelektrischen Zustand befände.
Die dem Kügelchen durch eine geriebene Glasstange mitgetheilte Elektricität kann ferner bis zu einer gewissen Grenze verstärkt wer- den, wenn man die Glasstange von neuem reibt und mit ihr das Kügelchen berührt; setzt man dagegen letzteres in Contact mit einer geriebenen Harzstange, so verschwindet seine Elektricität augenblick- lich; umgekehrt wird die durch geriebenes Harz mitgetheilte Elektri- cität durch die Elektricität des Glases vernichtet.
Diese Beobachtungen waren es zuerst, die zu der Vorstellung führten, dass es zwei Elektricitäten gebe. Diejenige Elektricität, die durch Reiben des Glases zu entstehen pflegt, nennt man die positive und die ihr engegengesetzte die negative. Diese Bezeichnung soll lediglich andeuten, dass beide Elektricitäten wie + und — in der Algebra einander aufheben. Dass man aber gerade die Glaselektri- cität positiv genannt hat, beruht auf willkürlicher Wahl. Denn beide Elektricitäten unterscheiden sich nur in ihrem gegenseitigen Verhalten, jede für sich betrachtet folgt denselben Gesetzen wie die andere.
Man glaubte anfänglich, jede Elektricität sei bestimmten Körpern eigenthümlich und nannte daher die positive Elektricität Glaselektri- tät, die negative dagegen Harzelektricität. Genauere Beobachtungen haben jedoch gezeigt, dass die Art der Elektricität nicht bloss von demjenigen Körper abhängig ist, welcher gerieben wird, sondern auch von demjenigen, mit welchem man reibt. Ein und derselbe Körper kann daher verschiedene Elektricitäten annehmen. Zur Prüfung der Körper auf ihren elektrischen Zustand bedient man sich desshalb in der Regel derjenigen Elektricität, welche das Glas annimmt, wenn es mit Leder gerieben wird, das zuvor mit einem Zink-Zinn-Amalgam, dem s. g. Kienmaier’schen Amalgam, bestrichen wurde. Die so er- zeugte Elektricität nennt man positiv, jede ihr entgegengesetzte negativ.
Wenn nun ein Körper durch Reiben elektrisch gemacht ist, so zeigt regelmässig auch der zum Reiben dienende Körper Elektricität, und zwar stets eine Elektricität, die derjenigen entgegengesetzt ist, welche der geriebene Körper annahm. So wird das Leder, mit wel- chem man eine Glasstange positiv elektrisch gemacht hat, selber ne- gativ elektrisch; ein wollenes Tuch, mit welchem man in einer Harz- platte negative Elektricität erzeugt hat, wird selber positiv. Alle Kör- per, die an einander gerieben entgegengesetzte Elektricitäten anneh- men, heissen idioelektrisch, solche dagegen, die auch durch das stärkste Reiben nicht elektrisch werden, anelektrisch. Zu den idio- elektrischen Körpern gehören Glas, Harz, Wachs, Schwefel, Gutta- percha, Leder u. s. w., zu den anelektrischen sämmtliche Metalle, die Kohle, das Wasser und die von Wasser durchtränkten Körper.
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Erregung der Elektricität.
gemachten Harzstange aber viel stärker angezogen, als wenn es sich
im unelektrischen Zustand befände.
Die dem Kügelchen durch eine geriebene Glasstange mitgetheilte
Elektricität kann ferner bis zu einer gewissen Grenze verstärkt wer-
den, wenn man die Glasstange von neuem reibt und mit ihr das
Kügelchen berührt; setzt man dagegen letzteres in Contact mit einer
geriebenen Harzstange, so verschwindet seine Elektricität augenblick-
lich; umgekehrt wird die durch geriebenes Harz mitgetheilte Elektri-
cität durch die Elektricität des Glases vernichtet.
Diese Beobachtungen waren es zuerst, die zu der Vorstellung
führten, dass es zwei Elektricitäten gebe. Diejenige Elektricität, die
durch Reiben des Glases zu entstehen pflegt, nennt man die positive
und die ihr engegengesetzte die negative. Diese Bezeichnung soll
lediglich andeuten, dass beide Elektricitäten wie + und — in der
Algebra einander aufheben. Dass man aber gerade die Glaselektri-
cität positiv genannt hat, beruht auf willkürlicher Wahl. Denn beide
Elektricitäten unterscheiden sich nur in ihrem gegenseitigen Verhalten,
jede für sich betrachtet folgt denselben Gesetzen wie die andere.
Man glaubte anfänglich, jede Elektricität sei bestimmten Körpern
eigenthümlich und nannte daher die positive Elektricität Glaselektri-
tät, die negative dagegen Harzelektricität. Genauere Beobachtungen
haben jedoch gezeigt, dass die Art der Elektricität nicht bloss von
demjenigen Körper abhängig ist, welcher gerieben wird, sondern auch
von demjenigen, mit welchem man reibt. Ein und derselbe Körper
kann daher verschiedene Elektricitäten annehmen. Zur Prüfung der
Körper auf ihren elektrischen Zustand bedient man sich desshalb in
der Regel derjenigen Elektricität, welche das Glas annimmt, wenn es
mit Leder gerieben wird, das zuvor mit einem Zink-Zinn-Amalgam,
dem s. g. Kienmaier’schen Amalgam, bestrichen wurde. Die so er-
zeugte Elektricität nennt man positiv, jede ihr entgegengesetzte
negativ.
Wenn nun ein Körper durch Reiben elektrisch gemacht ist, so
zeigt regelmässig auch der zum Reiben dienende Körper Elektricität,
und zwar stets eine Elektricität, die derjenigen entgegengesetzt ist,
welche der geriebene Körper annahm. So wird das Leder, mit wel-
chem man eine Glasstange positiv elektrisch gemacht hat, selber ne-
gativ elektrisch; ein wollenes Tuch, mit welchem man in einer Harz-
platte negative Elektricität erzeugt hat, wird selber positiv. Alle Kör-
per, die an einander gerieben entgegengesetzte Elektricitäten anneh-
men, heissen idioelektrisch, solche dagegen, die auch durch das
stärkste Reiben nicht elektrisch werden, anelektrisch. Zu den idio-
elektrischen Körpern gehören Glas, Harz, Wachs, Schwefel, Gutta-
percha, Leder u. s. w., zu den anelektrischen sämmtliche Metalle, die
Kohle, das Wasser und die von Wasser durchtränkten Körper.
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/457>, abgerufen am 22.12.2024.
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