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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Latente und specifische Wärme.

Die Wärmeveränderungen beim Wechsel des Aggregatzustandes267
Latente Wärme
chemischer Ver-
bindungen. Ca-
lorische Aequi-
valente.

haben uns zu der Vorstellung geführt, dass jedem Körper eine gewisse
Wärmemenge im gebundenen oder latenten Zustand zukommt,
von der ein Theil frei wird, wenn der Körper in einen festeren Aggre-
gatzustand übergeht. Von jedem Körper, den wir in den drei Aggre-
gatzuständen kennen, wissen wir daher, wie viel latente Wärme er
als Gas mehr enthält denn als Flüssigkeit, und wie viel als Flüssig-
keit mehr denn als fester Körper. Wir haben die so ermittelten
Werthe als die latenten Wärmen der Flüssigkeiten und der Gase be-
zeichnet. Dieselben stellen aber wie gesagt nur den Ueberschuss an
latenter Wärme über den vorangegangenen fixeren Aggregatzustand
dar, keineswegs etwa die absolute Quantität von Wärme, welche in
einem Körper latent ist und also möglicher Weise aus ihm frei werden
kann. Denn haben wir einen Körper in den festen Zustand überge-
führt, so wird er in diesem noch eine gewisse Quantität latenter Wärme
enthalten können. Ebenso wird natürlich in Gasen, die bis jetzt noch
nicht verflüssigt werden konnten, eine sehr bedeutende Quantität von
Wärme latent sein.

Von dieser latenten Wärme, welche abgesehen von der beim
Wechsel des Aggregatzustandes gebundenen in den Körpern enthalten
ist, kommt ein Theil zum Vorschein, wenn die Körper chemische Ver-
bindungen eingehen oder aus solchen ausscheiden. Man kann es als
allgemeine Regel aufstellen, dass Wärme frei wird, wenn ent-
weder die einfachen Körper sich verbinden oder losere
Verbindungen sich zu festeren zusammenfügen, und dass
dagegen Wärme latent wird, wenn sich zusammengesetzte
Körper in ihre Elemente oder in losere Verbindungen
trennen
. Die Bildung chemischer Verbindungen wirkt also ähnlich
wie der Uebertritt in einen dichteren Aggregatzustand, und die Auflö-
sung solcher Verbindungen ähnlich dem Uebertritt in einen minder
dichten Aggregatzustand. Man hat hauptsächlich die beim Eingehen
chemischer Verbindungen frei werdende Wärme, welche man als che-
mische Verbindungswärme
bezeichnet, gemessen. Bei der Auf-
lösung der Verbindungen wird aber natürlich genau ebenso viel Wärme
latent, als bei ihrer Entstehung entbunden wurde. Je stabiler die
Verbindungen sind, welche die Körper eingehen, um so grösser ist die
freiwerdende Wärme. Bei der Bildung der einfachen binären Verbin-
dungen, also bei der Bildung der Oxyde, Chlorüre, Jodüre u. s. w.,
ist daher die frei werdende Wärmemenge in der Regel eine sehr be-
trächtliche. Weit geringer ist sie bei der Bildung eines Salzes aus
Oxyd und Säure. Auch kann es bei der Bildung solcher zusammen-
gesetzter Verbindungen, wenn sie gleichzeitig mit Zersetzung verbun-
den ist, vorkommen, dass die bei der Zersetzung gebundene Wärme
über die bei der Verbindung frei werdende überwiegt, dass also im

Wundt, medicin. Physik. 26
Latente und specifische Wärme.

Die Wärmeveränderungen beim Wechsel des Aggregatzustandes267
Latente Wärme
chemischer Ver-
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valente.

haben uns zu der Vorstellung geführt, dass jedem Körper eine gewisse
Wärmemenge im gebundenen oder latenten Zustand zukommt,
von der ein Theil frei wird, wenn der Körper in einen festeren Aggre-
gatzustand übergeht. Von jedem Körper, den wir in den drei Aggre-
gatzuständen kennen, wissen wir daher, wie viel latente Wärme er
als Gas mehr enthält denn als Flüssigkeit, und wie viel als Flüssig-
keit mehr denn als fester Körper. Wir haben die so ermittelten
Werthe als die latenten Wärmen der Flüssigkeiten und der Gase be-
zeichnet. Dieselben stellen aber wie gesagt nur den Ueberschuss an
latenter Wärme über den vorangegangenen fixeren Aggregatzustand
dar, keineswegs etwa die absolute Quantität von Wärme, welche in
einem Körper latent ist und also möglicher Weise aus ihm frei werden
kann. Denn haben wir einen Körper in den festen Zustand überge-
führt, so wird er in diesem noch eine gewisse Quantität latenter Wärme
enthalten können. Ebenso wird natürlich in Gasen, die bis jetzt noch
nicht verflüssigt werden konnten, eine sehr bedeutende Quantität von
Wärme latent sein.

Von dieser latenten Wärme, welche abgesehen von der beim
Wechsel des Aggregatzustandes gebundenen in den Körpern enthalten
ist, kommt ein Theil zum Vorschein, wenn die Körper chemische Ver-
bindungen eingehen oder aus solchen ausscheiden. Man kann es als
allgemeine Regel aufstellen, dass Wärme frei wird, wenn ent-
weder die einfachen Körper sich verbinden oder losere
Verbindungen sich zu festeren zusammenfügen, und dass
dagegen Wärme latent wird, wenn sich zusammengesetzte
Körper in ihre Elemente oder in losere Verbindungen
trennen
. Die Bildung chemischer Verbindungen wirkt also ähnlich
wie der Uebertritt in einen dichteren Aggregatzustand, und die Auflö-
sung solcher Verbindungen ähnlich dem Uebertritt in einen minder
dichten Aggregatzustand. Man hat hauptsächlich die beim Eingehen
chemischer Verbindungen frei werdende Wärme, welche man als che-
mische Verbindungswärme
bezeichnet, gemessen. Bei der Auf-
lösung der Verbindungen wird aber natürlich genau ebenso viel Wärme
latent, als bei ihrer Entstehung entbunden wurde. Je stabiler die
Verbindungen sind, welche die Körper eingehen, um so grösser ist die
freiwerdende Wärme. Bei der Bildung der einfachen binären Verbin-
dungen, also bei der Bildung der Oxyde, Chlorüre, Jodüre u. s. w.,
ist daher die frei werdende Wärmemenge in der Regel eine sehr be-
trächtliche. Weit geringer ist sie bei der Bildung eines Salzes aus
Oxyd und Säure. Auch kann es bei der Bildung solcher zusammen-
gesetzter Verbindungen, wenn sie gleichzeitig mit Zersetzung verbun-
den ist, vorkommen, dass die bei der Zersetzung gebundene Wärme
über die bei der Verbindung frei werdende überwiegt, dass also im

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[401/0423] Latente und specifische Wärme. Die Wärmeveränderungen beim Wechsel des Aggregatzustandes haben uns zu der Vorstellung geführt, dass jedem Körper eine gewisse Wärmemenge im gebundenen oder latenten Zustand zukommt, von der ein Theil frei wird, wenn der Körper in einen festeren Aggre- gatzustand übergeht. Von jedem Körper, den wir in den drei Aggre- gatzuständen kennen, wissen wir daher, wie viel latente Wärme er als Gas mehr enthält denn als Flüssigkeit, und wie viel als Flüssig- keit mehr denn als fester Körper. Wir haben die so ermittelten Werthe als die latenten Wärmen der Flüssigkeiten und der Gase be- zeichnet. Dieselben stellen aber wie gesagt nur den Ueberschuss an latenter Wärme über den vorangegangenen fixeren Aggregatzustand dar, keineswegs etwa die absolute Quantität von Wärme, welche in einem Körper latent ist und also möglicher Weise aus ihm frei werden kann. Denn haben wir einen Körper in den festen Zustand überge- führt, so wird er in diesem noch eine gewisse Quantität latenter Wärme enthalten können. Ebenso wird natürlich in Gasen, die bis jetzt noch nicht verflüssigt werden konnten, eine sehr bedeutende Quantität von Wärme latent sein. 267 Latente Wärme chemischer Ver- bindungen. Ca- lorische Aequi- valente. Von dieser latenten Wärme, welche abgesehen von der beim Wechsel des Aggregatzustandes gebundenen in den Körpern enthalten ist, kommt ein Theil zum Vorschein, wenn die Körper chemische Ver- bindungen eingehen oder aus solchen ausscheiden. Man kann es als allgemeine Regel aufstellen, dass Wärme frei wird, wenn ent- weder die einfachen Körper sich verbinden oder losere Verbindungen sich zu festeren zusammenfügen, und dass dagegen Wärme latent wird, wenn sich zusammengesetzte Körper in ihre Elemente oder in losere Verbindungen trennen. Die Bildung chemischer Verbindungen wirkt also ähnlich wie der Uebertritt in einen dichteren Aggregatzustand, und die Auflö- sung solcher Verbindungen ähnlich dem Uebertritt in einen minder dichten Aggregatzustand. Man hat hauptsächlich die beim Eingehen chemischer Verbindungen frei werdende Wärme, welche man als che- mische Verbindungswärme bezeichnet, gemessen. Bei der Auf- lösung der Verbindungen wird aber natürlich genau ebenso viel Wärme latent, als bei ihrer Entstehung entbunden wurde. Je stabiler die Verbindungen sind, welche die Körper eingehen, um so grösser ist die freiwerdende Wärme. Bei der Bildung der einfachen binären Verbin- dungen, also bei der Bildung der Oxyde, Chlorüre, Jodüre u. s. w., ist daher die frei werdende Wärmemenge in der Regel eine sehr be- trächtliche. Weit geringer ist sie bei der Bildung eines Salzes aus Oxyd und Säure. Auch kann es bei der Bildung solcher zusammen- gesetzter Verbindungen, wenn sie gleichzeitig mit Zersetzung verbun- den ist, vorkommen, dass die bei der Zersetzung gebundene Wärme über die bei der Verbindung frei werdende überwiegt, dass also im Wundt, medicin. Physik. 26

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/423>, abgerufen am 23.12.2024.