Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Auge.
[Abbildung] Fig. 127.
c und d. Ein Strahl der in der Richtung b c auf die Linse trifft, verlässt sie wie-
der in der dazu parallelen Richtung d e. Aber der Strahl b c hat in der Luft eine
von d e verschiedene Richtung a b. d und e können also nicht die Knotenpunkte
für das ganze System sein. Einem von dem Punkte a ausgehenden homocentrischen
Strahlenbüschel a b f entspricht nach geschehener Brechung ein im Punkte e sich
sammelndes homocentrisches Strahlenbüschel d e g. Wäre nun bloss die brechende
Hornhautoberfläche vorhanden, so würde ein Strahl a x, der in seiner Verlängerung
den Krümmungsmittelpunkt r derselben durchschneidet, völlig ungebrochen hindurch-
gehen; wäre bloss die Linse vorhanden, so würde der nach dem ersten Knotenpunkte
c derselben gerichtete Strahl a y der Richtungsstrahl sein. Im ersten Fall müsste
auf der Linie r x', im zweiten auf der Linie d y' der Vereinigungspunkt liegen, da
r x' die Fortsetzung des Strahls a x und d y' die Fortsetzung des Strahls a y ist.
In der That befindet sich aber der Vereinigungspunkt e zwischen den Linien r x' und
d y', und es giebt einen mittleren Strahl k" e des Strahlenbüschels d e g, dem ein
paralleler Strahl a k' in dem Strahlenbüschel a b f vor der Brechung correspondirt.
Dieser Strahl a k' k" e ist somit der Richtungsstrahl, und die Punkte k', k", die
hinter den Knotenpunkten c, d der Linse und vor dem Mittelpunkt oder einfachen
Knotenpunkt r der Hornhautfläche liegen, sind die Knotenpunkte für das brechende
System des Auges. Ebenso wird es für ein solches zusammengesetztes System zwei
Ebenen geben, welche die Eigenschaft von Hauptebenen besitzen, d. h. jeder von
einem leuchtenden Punkte a ausgehende Strahl a b, der vor der Brechung nach einem
Punkt l der ersten Hauptebene gerichtet ist, wird nach der letzten Brechung eine Richtung
d e annehmen, welche einen dem vorigen gerade gegenüberliegenden Punkt m der
zweiten Hauptebene schneidet. Diese Hauptebenen, welche in Systemen, deren erstes
und letztes Medium übereinstimmt, mit den Knotenebenen zusammenfallen, müssen,
während sich die letzteren nach rückwärts bewegen, umgekehrt nach vorn rücken, so-
bald das letzte Medium dichter ist als das erste. Denn denkt man sich in c und d
senkrechte Ebenen errichtet, so sind diese die Hauptebenen für die Linse L' L" allein,
und c und d sind die einander gegenüberliegenden Punkte dieser Ebenen, nach wel-
chen der Strahl b c vor und nach der Brechung gerichtet ist. Nun hat aber b c vor
der Brechung an der Hornhautfläche die Richtung a b. Verlängern wir a b und d e
so findet sich, dass die Endpunkte dieser Richtungen einander gerade gegenüber lie-
gen, wenn man a b bis nach l und d e bis nach m verlängert hat. Verfolgt man in
ähnlicher Weise die Richtungen anderer Strahlen, z. B. a f, vor und nach der Bre-
chung, so fallen die einander gegenüberliegenden Punkte stets in die gleichen Ebenen

Das Auge.
[Abbildung] Fig. 127.
c und d. Ein Strahl der in der Richtung b c auf die Linse trifft, verlässt sie wie-
der in der dazu parallelen Richtung d e. Aber der Strahl b c hat in der Luft eine
von d e verschiedene Richtung a b. d und e können also nicht die Knotenpunkte
für das ganze System sein. Einem von dem Punkte a ausgehenden homocentrischen
Strahlenbüschel a b f entspricht nach geschehener Brechung ein im Punkte e sich
sammelndes homocentrisches Strahlenbüschel d e g. Wäre nun bloss die brechende
Hornhautoberfläche vorhanden, so würde ein Strahl a x, der in seiner Verlängerung
den Krümmungsmittelpunkt r derselben durchschneidet, völlig ungebrochen hindurch-
gehen; wäre bloss die Linse vorhanden, so würde der nach dem ersten Knotenpunkte
c derselben gerichtete Strahl a y der Richtungsstrahl sein. Im ersten Fall müsste
auf der Linie r x', im zweiten auf der Linie d y' der Vereinigungspunkt liegen, da
r x' die Fortsetzung des Strahls a x und d y' die Fortsetzung des Strahls a y ist.
In der That befindet sich aber der Vereinigungspunkt e zwischen den Linien r x' und
d y', und es giebt einen mittleren Strahl k″ e des Strahlenbüschels d e g, dem ein
paralleler Strahl a k' in dem Strahlenbüschel a b f vor der Brechung correspondirt.
Dieser Strahl a k' k″ e ist somit der Richtungsstrahl, und die Punkte k', k″, die
hinter den Knotenpunkten c, d der Linse und vor dem Mittelpunkt oder einfachen
Knotenpunkt r der Hornhautfläche liegen, sind die Knotenpunkte für das brechende
System des Auges. Ebenso wird es für ein solches zusammengesetztes System zwei
Ebenen geben, welche die Eigenschaft von Hauptebenen besitzen, d. h. jeder von
einem leuchtenden Punkte a ausgehende Strahl a b, der vor der Brechung nach einem
Punkt l der ersten Hauptebene gerichtet ist, wird nach der letzten Brechung eine Richtung
d e annehmen, welche einen dem vorigen gerade gegenüberliegenden Punkt m der
zweiten Hauptebene schneidet. Diese Hauptebenen, welche in Systemen, deren erstes
und letztes Medium übereinstimmt, mit den Knotenebenen zusammenfallen, müssen,
während sich die letzteren nach rückwärts bewegen, umgekehrt nach vorn rücken, so-
bald das letzte Medium dichter ist als das erste. Denn denkt man sich in c und d
senkrechte Ebenen errichtet, so sind diese die Hauptebenen für die Linse L' L″ allein,
und c und d sind die einander gegenüberliegenden Punkte dieser Ebenen, nach wel-
chen der Strahl b c vor und nach der Brechung gerichtet ist. Nun hat aber b c vor
der Brechung an der Hornhautfläche die Richtung a b. Verlängern wir a b und d e
so findet sich, dass die Endpunkte dieser Richtungen einander gerade gegenüber lie-
gen, wenn man a b bis nach l und d e bis nach m verlängert hat. Verfolgt man in
ähnlicher Weise die Richtungen anderer Strahlen, z. B. a f, vor und nach der Bre-
chung, so fallen die einander gegenüberliegenden Punkte stets in die gleichen Ebenen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0293" n="271"/><fw place="top" type="header">Das Auge.</fw><lb/><figure><head>Fig. 127.</head></figure><lb/>
c und d. Ein Strahl der in der Richtung b c auf die Linse trifft, verlässt sie wie-<lb/>
der in der dazu parallelen Richtung d e. Aber der Strahl b c hat in der Luft eine<lb/>
von d e verschiedene Richtung a b. d und e können also nicht die Knotenpunkte<lb/>
für das ganze System sein. Einem von dem Punkte a ausgehenden homocentrischen<lb/>
Strahlenbüschel a b f entspricht nach geschehener Brechung ein im Punkte e sich<lb/>
sammelndes homocentrisches Strahlenbüschel d e g. Wäre nun bloss die brechende<lb/>
Hornhautoberfläche vorhanden, so würde ein Strahl a x, der in seiner Verlängerung<lb/>
den Krümmungsmittelpunkt r derselben durchschneidet, völlig ungebrochen hindurch-<lb/>
gehen; wäre bloss die Linse vorhanden, so würde der nach dem ersten Knotenpunkte<lb/>
c derselben gerichtete Strahl a y der Richtungsstrahl sein. Im ersten Fall müsste<lb/>
auf der Linie r x', im zweiten auf der Linie d y' der Vereinigungspunkt liegen, da<lb/>
r x' die Fortsetzung des Strahls a x und d y' die Fortsetzung des Strahls a y ist.<lb/>
In der That befindet sich aber der Vereinigungspunkt e zwischen den Linien r x' und<lb/>
d y', und es giebt einen mittleren Strahl k&#x2033; e des Strahlenbüschels d e g, dem ein<lb/>
paralleler Strahl a k' in dem Strahlenbüschel a b f vor der Brechung correspondirt.<lb/>
Dieser Strahl a k' k&#x2033; e ist somit der Richtungsstrahl, und die Punkte k', k&#x2033;, die<lb/>
hinter den Knotenpunkten c, d der Linse und vor dem Mittelpunkt oder einfachen<lb/>
Knotenpunkt r der Hornhautfläche liegen, sind die Knotenpunkte für das brechende<lb/>
System des Auges. Ebenso wird es für ein solches zusammengesetztes System zwei<lb/>
Ebenen geben, welche die Eigenschaft von Hauptebenen besitzen, d. h. jeder von<lb/>
einem leuchtenden Punkte a ausgehende Strahl a b, der vor der Brechung nach einem<lb/>
Punkt l der ersten Hauptebene gerichtet ist, wird nach der letzten Brechung eine Richtung<lb/>
d e annehmen, welche einen dem vorigen gerade gegenüberliegenden Punkt m der<lb/>
zweiten Hauptebene schneidet. Diese Hauptebenen, welche in Systemen, deren erstes<lb/>
und letztes Medium übereinstimmt, mit den Knotenebenen zusammenfallen, müssen,<lb/>
während sich die letzteren nach rückwärts bewegen, umgekehrt nach vorn rücken, so-<lb/>
bald das letzte Medium dichter ist als das erste. Denn denkt man sich in c und d<lb/>
senkrechte Ebenen errichtet, so sind diese die Hauptebenen für die Linse L' L&#x2033; allein,<lb/>
und c und d sind die einander gegenüberliegenden Punkte dieser Ebenen, nach wel-<lb/>
chen der Strahl b c vor und nach der Brechung gerichtet ist. Nun hat aber b c vor<lb/>
der Brechung an der Hornhautfläche die Richtung a b. Verlängern wir a b und d e<lb/>
so findet sich, dass die Endpunkte dieser Richtungen einander gerade gegenüber lie-<lb/>
gen, wenn man a b bis nach l und d e bis nach m verlängert hat. Verfolgt man in<lb/>
ähnlicher Weise die Richtungen anderer Strahlen, z. B. a f, vor und nach der Bre-<lb/>
chung, so fallen die einander gegenüberliegenden Punkte stets in die gleichen Ebenen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0293] Das Auge. [Abbildung Fig. 127.] c und d. Ein Strahl der in der Richtung b c auf die Linse trifft, verlässt sie wie- der in der dazu parallelen Richtung d e. Aber der Strahl b c hat in der Luft eine von d e verschiedene Richtung a b. d und e können also nicht die Knotenpunkte für das ganze System sein. Einem von dem Punkte a ausgehenden homocentrischen Strahlenbüschel a b f entspricht nach geschehener Brechung ein im Punkte e sich sammelndes homocentrisches Strahlenbüschel d e g. Wäre nun bloss die brechende Hornhautoberfläche vorhanden, so würde ein Strahl a x, der in seiner Verlängerung den Krümmungsmittelpunkt r derselben durchschneidet, völlig ungebrochen hindurch- gehen; wäre bloss die Linse vorhanden, so würde der nach dem ersten Knotenpunkte c derselben gerichtete Strahl a y der Richtungsstrahl sein. Im ersten Fall müsste auf der Linie r x', im zweiten auf der Linie d y' der Vereinigungspunkt liegen, da r x' die Fortsetzung des Strahls a x und d y' die Fortsetzung des Strahls a y ist. In der That befindet sich aber der Vereinigungspunkt e zwischen den Linien r x' und d y', und es giebt einen mittleren Strahl k″ e des Strahlenbüschels d e g, dem ein paralleler Strahl a k' in dem Strahlenbüschel a b f vor der Brechung correspondirt. Dieser Strahl a k' k″ e ist somit der Richtungsstrahl, und die Punkte k', k″, die hinter den Knotenpunkten c, d der Linse und vor dem Mittelpunkt oder einfachen Knotenpunkt r der Hornhautfläche liegen, sind die Knotenpunkte für das brechende System des Auges. Ebenso wird es für ein solches zusammengesetztes System zwei Ebenen geben, welche die Eigenschaft von Hauptebenen besitzen, d. h. jeder von einem leuchtenden Punkte a ausgehende Strahl a b, der vor der Brechung nach einem Punkt l der ersten Hauptebene gerichtet ist, wird nach der letzten Brechung eine Richtung d e annehmen, welche einen dem vorigen gerade gegenüberliegenden Punkt m der zweiten Hauptebene schneidet. Diese Hauptebenen, welche in Systemen, deren erstes und letztes Medium übereinstimmt, mit den Knotenebenen zusammenfallen, müssen, während sich die letzteren nach rückwärts bewegen, umgekehrt nach vorn rücken, so- bald das letzte Medium dichter ist als das erste. Denn denkt man sich in c und d senkrechte Ebenen errichtet, so sind diese die Hauptebenen für die Linse L' L″ allein, und c und d sind die einander gegenüberliegenden Punkte dieser Ebenen, nach wel- chen der Strahl b c vor und nach der Brechung gerichtet ist. Nun hat aber b c vor der Brechung an der Hornhautfläche die Richtung a b. Verlängern wir a b und d e so findet sich, dass die Endpunkte dieser Richtungen einander gerade gegenüber lie- gen, wenn man a b bis nach l und d e bis nach m verlängert hat. Verfolgt man in ähnlicher Weise die Richtungen anderer Strahlen, z. B. a f, vor und nach der Bre- chung, so fallen die einander gegenüberliegenden Punkte stets in die gleichen Ebenen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/293
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/293>, abgerufen am 02.05.2024.