Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Absorption des Lichtes.
einem dünneren und dichteren Medium gemischte Substanzen liefern,
wie der durch innige Mischung von Luft und Eis entstehende Schnee
oder der aus Luft und Wassertheilchen gemischte Schaum. In jeder
Schneeflocke finden zahlreiche totale Reflexionen statt, und dies be-
dingt die blendende Weisse des vom Schnee reflectirten Lichtes. Aber
auch bei diesen totalen Reflexionen geht während des Hindurchtritts
des Lichtes durch die dichtere Substanz eine kleine Menge des ur-
sprünglichen Lichtes verloren. Man kann dies nachweisen, indem
man die Intensität solchen Lichtes bestimmt, welches durch sehr tiefe
Schichten eines vollkommen durchsichtigen Mediums, wie z. B. von
Wasser oder Glas, hindurchgetreten ist. Man findet hierbei, dass diese
Intensität abnimmt mit der Tiefe der Schichten, welche das Licht
durchwandert. Auch von der durchsichtigsten Substanz wird also
Licht absorbirt.

In der Regel wird das Licht von verschiedener Brechbarkeit
nicht gleichmässig von einem durchsichtigen Medium absorbirt, son-
dern gewisse Stufen der Brechbarkeit mehr, andere weniger. Das
Wasser erscheint in dicken Schichten von blauer Farbe, das gewöhn-
liche Glas erscheint theils grün theils gelblich gefärbt. Die Luft er-
scheint, wie wir bei der Betrachtung des Himmels sehen, tief blau.
So giebt es überhaupt keinen durchsichtigen Körper, der nicht, wenn
man ihn nur in hinreichend tiefen Schichten betrachtet, irgend eine
Färbung zeigte. Offenbar aber müssen diese Färbungen darauf be-
ruhen, dass die Körper von dem weissen Licht, das sie durchsetzt,
die Strahlen verschiedener Brechbarkeit in verschiedenem Maasse ab-
sorbiren. Da also z. B. die Luft blau erscheint, so wird sie die blauen
Strahlen weniger absorbiren als die rothen und gelben. Durchsichtige
Körper, die überhaupt nur wenig Licht absorbiren, lassen in dünneren
Schichten das Licht vollkommen ungefärbt hindurch. Denn je gerin-
ger die absolute Quantität des verschwundenen Lichtes ist, um so ge-
ringer müssen auch dis Unterschiede in dem Ausfall der einzelnen
Lichtarten sein. Man kann letzteres augenfälliger noch an solchen
durchsichtigen Substanzen nachweisen, die eine entschiedenere Fär-
bung besitzen. Ein mit Kobalt gefärbtes Glas z. B. erscheint, wenn
es dicker ist, tief blau, in dünneren Schichten aber wird es weisslich
blau. Aehnlich zeigen Blutkörperchen, wenn wir sie einzeln unter dem
Mikroskop betrachten, ein sehr mit Weiss vermischtes Roth, wenn
aber mehrere Blutkörperchen sich über einander lagern, erscheint als-
bald das gesättigte Blutroth.

Nimmt man zu diesen Thatsachen die früher (§. 131) angeführte
Erfahrung hinzu, dass auch für gewöhnlich undurchsichtige Körper,
sobald man sie in sehr dünnen Schichten herstellt, durchsichtig sind,
so werden wir die Absorption beim Durchtritt des Lichtes durch die
Körper als ein ganz allgemeines Phänomen aufzufassen haben, und

Absorption des Lichtes.
einem dünneren und dichteren Medium gemischte Substanzen liefern,
wie der durch innige Mischung von Luft und Eis entstehende Schnee
oder der aus Luft und Wassertheilchen gemischte Schaum. In jeder
Schneeflocke finden zahlreiche totale Reflexionen statt, und dies be-
dingt die blendende Weisse des vom Schnee reflectirten Lichtes. Aber
auch bei diesen totalen Reflexionen geht während des Hindurchtritts
des Lichtes durch die dichtere Substanz eine kleine Menge des ur-
sprünglichen Lichtes verloren. Man kann dies nachweisen, indem
man die Intensität solchen Lichtes bestimmt, welches durch sehr tiefe
Schichten eines vollkommen durchsichtigen Mediums, wie z. B. von
Wasser oder Glas, hindurchgetreten ist. Man findet hierbei, dass diese
Intensität abnimmt mit der Tiefe der Schichten, welche das Licht
durchwandert. Auch von der durchsichtigsten Substanz wird also
Licht absorbirt.

In der Regel wird das Licht von verschiedener Brechbarkeit
nicht gleichmässig von einem durchsichtigen Medium absorbirt, son-
dern gewisse Stufen der Brechbarkeit mehr, andere weniger. Das
Wasser erscheint in dicken Schichten von blauer Farbe, das gewöhn-
liche Glas erscheint theils grün theils gelblich gefärbt. Die Luft er-
scheint, wie wir bei der Betrachtung des Himmels sehen, tief blau.
So giebt es überhaupt keinen durchsichtigen Körper, der nicht, wenn
man ihn nur in hinreichend tiefen Schichten betrachtet, irgend eine
Färbung zeigte. Offenbar aber müssen diese Färbungen darauf be-
ruhen, dass die Körper von dem weissen Licht, das sie durchsetzt,
die Strahlen verschiedener Brechbarkeit in verschiedenem Maasse ab-
sorbiren. Da also z. B. die Luft blau erscheint, so wird sie die blauen
Strahlen weniger absorbiren als die rothen und gelben. Durchsichtige
Körper, die überhaupt nur wenig Licht absorbiren, lassen in dünneren
Schichten das Licht vollkommen ungefärbt hindurch. Denn je gerin-
ger die absolute Quantität des verschwundenen Lichtes ist, um so ge-
ringer müssen auch dis Unterschiede in dem Ausfall der einzelnen
Lichtarten sein. Man kann letzteres augenfälliger noch an solchen
durchsichtigen Substanzen nachweisen, die eine entschiedenere Fär-
bung besitzen. Ein mit Kobalt gefärbtes Glas z. B. erscheint, wenn
es dicker ist, tief blau, in dünneren Schichten aber wird es weisslich
blau. Aehnlich zeigen Blutkörperchen, wenn wir sie einzeln unter dem
Mikroskop betrachten, ein sehr mit Weiss vermischtes Roth, wenn
aber mehrere Blutkörperchen sich über einander lagern, erscheint als-
bald das gesättigte Blutroth.

Nimmt man zu diesen Thatsachen die früher (§. 131) angeführte
Erfahrung hinzu, dass auch für gewöhnlich undurchsichtige Körper,
sobald man sie in sehr dünnen Schichten herstellt, durchsichtig sind,
so werden wir die Absorption beim Durchtritt des Lichtes durch die
Körper als ein ganz allgemeines Phänomen aufzufassen haben, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0273" n="251"/><fw place="top" type="header">Absorption des Lichtes.</fw><lb/>
einem dünneren und dichteren Medium gemischte Substanzen liefern,<lb/>
wie der durch innige Mischung von Luft und Eis entstehende Schnee<lb/>
oder der aus Luft und Wassertheilchen gemischte Schaum. In jeder<lb/>
Schneeflocke finden zahlreiche totale Reflexionen statt, und dies be-<lb/>
dingt die blendende Weisse des vom Schnee reflectirten Lichtes. Aber<lb/>
auch bei diesen totalen Reflexionen geht während des Hindurchtritts<lb/>
des Lichtes durch die dichtere Substanz eine kleine Menge des ur-<lb/>
sprünglichen Lichtes verloren. Man kann dies nachweisen, indem<lb/>
man die Intensität solchen Lichtes bestimmt, welches durch sehr tiefe<lb/>
Schichten eines vollkommen durchsichtigen Mediums, wie z. B. von<lb/>
Wasser oder Glas, hindurchgetreten ist. Man findet hierbei, dass diese<lb/>
Intensität abnimmt mit der Tiefe der Schichten, welche das Licht<lb/>
durchwandert. Auch von der durchsichtigsten Substanz wird also<lb/>
Licht absorbirt.</p><lb/>
            <p>In der Regel wird das Licht von verschiedener Brechbarkeit<lb/>
nicht gleichmässig von einem durchsichtigen Medium absorbirt, son-<lb/>
dern gewisse Stufen der Brechbarkeit mehr, andere weniger. Das<lb/>
Wasser erscheint in dicken Schichten von blauer Farbe, das gewöhn-<lb/>
liche Glas erscheint theils grün theils gelblich gefärbt. Die Luft er-<lb/>
scheint, wie wir bei der Betrachtung des Himmels sehen, tief blau.<lb/>
So giebt es überhaupt keinen durchsichtigen Körper, der nicht, wenn<lb/>
man ihn nur in hinreichend tiefen Schichten betrachtet, irgend eine<lb/>
Färbung zeigte. Offenbar aber müssen diese Färbungen darauf be-<lb/>
ruhen, dass die Körper von dem weissen Licht, das sie durchsetzt,<lb/>
die Strahlen verschiedener Brechbarkeit in verschiedenem Maasse ab-<lb/>
sorbiren. Da also z. B. die Luft blau erscheint, so wird sie die blauen<lb/>
Strahlen weniger absorbiren als die rothen und gelben. Durchsichtige<lb/>
Körper, die überhaupt nur wenig Licht absorbiren, lassen in dünneren<lb/>
Schichten das Licht vollkommen ungefärbt hindurch. Denn je gerin-<lb/>
ger die absolute Quantität des verschwundenen Lichtes ist, um so ge-<lb/>
ringer müssen auch dis Unterschiede in dem Ausfall der einzelnen<lb/>
Lichtarten sein. Man kann letzteres augenfälliger noch an solchen<lb/>
durchsichtigen Substanzen nachweisen, die eine entschiedenere Fär-<lb/>
bung besitzen. Ein mit Kobalt gefärbtes Glas z. B. erscheint, wenn<lb/>
es dicker ist, tief blau, in dünneren Schichten aber wird es weisslich<lb/>
blau. Aehnlich zeigen Blutkörperchen, wenn wir sie einzeln unter dem<lb/>
Mikroskop betrachten, ein sehr mit Weiss vermischtes Roth, wenn<lb/>
aber mehrere Blutkörperchen sich über einander lagern, erscheint als-<lb/>
bald das gesättigte Blutroth.</p><lb/>
            <p>Nimmt man zu diesen Thatsachen die früher (§. 131) angeführte<lb/>
Erfahrung hinzu, dass auch für gewöhnlich undurchsichtige Körper,<lb/>
sobald man sie in sehr dünnen Schichten herstellt, durchsichtig sind,<lb/>
so werden wir die Absorption beim Durchtritt des Lichtes durch die<lb/>
Körper als ein ganz allgemeines Phänomen aufzufassen haben, und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0273] Absorption des Lichtes. einem dünneren und dichteren Medium gemischte Substanzen liefern, wie der durch innige Mischung von Luft und Eis entstehende Schnee oder der aus Luft und Wassertheilchen gemischte Schaum. In jeder Schneeflocke finden zahlreiche totale Reflexionen statt, und dies be- dingt die blendende Weisse des vom Schnee reflectirten Lichtes. Aber auch bei diesen totalen Reflexionen geht während des Hindurchtritts des Lichtes durch die dichtere Substanz eine kleine Menge des ur- sprünglichen Lichtes verloren. Man kann dies nachweisen, indem man die Intensität solchen Lichtes bestimmt, welches durch sehr tiefe Schichten eines vollkommen durchsichtigen Mediums, wie z. B. von Wasser oder Glas, hindurchgetreten ist. Man findet hierbei, dass diese Intensität abnimmt mit der Tiefe der Schichten, welche das Licht durchwandert. Auch von der durchsichtigsten Substanz wird also Licht absorbirt. In der Regel wird das Licht von verschiedener Brechbarkeit nicht gleichmässig von einem durchsichtigen Medium absorbirt, son- dern gewisse Stufen der Brechbarkeit mehr, andere weniger. Das Wasser erscheint in dicken Schichten von blauer Farbe, das gewöhn- liche Glas erscheint theils grün theils gelblich gefärbt. Die Luft er- scheint, wie wir bei der Betrachtung des Himmels sehen, tief blau. So giebt es überhaupt keinen durchsichtigen Körper, der nicht, wenn man ihn nur in hinreichend tiefen Schichten betrachtet, irgend eine Färbung zeigte. Offenbar aber müssen diese Färbungen darauf be- ruhen, dass die Körper von dem weissen Licht, das sie durchsetzt, die Strahlen verschiedener Brechbarkeit in verschiedenem Maasse ab- sorbiren. Da also z. B. die Luft blau erscheint, so wird sie die blauen Strahlen weniger absorbiren als die rothen und gelben. Durchsichtige Körper, die überhaupt nur wenig Licht absorbiren, lassen in dünneren Schichten das Licht vollkommen ungefärbt hindurch. Denn je gerin- ger die absolute Quantität des verschwundenen Lichtes ist, um so ge- ringer müssen auch dis Unterschiede in dem Ausfall der einzelnen Lichtarten sein. Man kann letzteres augenfälliger noch an solchen durchsichtigen Substanzen nachweisen, die eine entschiedenere Fär- bung besitzen. Ein mit Kobalt gefärbtes Glas z. B. erscheint, wenn es dicker ist, tief blau, in dünneren Schichten aber wird es weisslich blau. Aehnlich zeigen Blutkörperchen, wenn wir sie einzeln unter dem Mikroskop betrachten, ein sehr mit Weiss vermischtes Roth, wenn aber mehrere Blutkörperchen sich über einander lagern, erscheint als- bald das gesättigte Blutroth. Nimmt man zu diesen Thatsachen die früher (§. 131) angeführte Erfahrung hinzu, dass auch für gewöhnlich undurchsichtige Körper, sobald man sie in sehr dünnen Schichten herstellt, durchsichtig sind, so werden wir die Absorption beim Durchtritt des Lichtes durch die Körper als ein ganz allgemeines Phänomen aufzufassen haben, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/273
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/273>, abgerufen am 22.12.2024.