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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Zerlegung des zusammengesetzten Lichtes u. der Mischung der Farben.
Weiss geben, bezeichnet man als Ergänzungsfarben oder Com-
plementärfarben
. So findet man folgende einfache Farben einan-
der complementär:

Roth und Grünlichblau,
Orange und Cyanblau,
Gelb und Indigblau,
Grünlichgelb und Violett.

Mischt man diese Complementärfarben in andern Mengenverhält-
nissen, als zur Erzeugung von Weiss erforderlich ist, so werden solche
Zwischenfarben erhalten, die im Allgemeinen auch im Spektrum zwi-
schen den Farbentönen der Complementärfarben in der Mitte liegen.
So also erhält man aus Roth und Grünlichblau beim Ueberwiegen des
Roth einen Farbenton, der dem Orange entspricht, während er, wenn
das Roth zurücktritt, mehr dem Gelb und endlich dem Grün sich
nähert. Doch sind diese Zwischenfarben immer weniger gesättigt als
die entsprechenden Farben des Spektrums; sie verhalten sich wie
Spektralfarben, die mit etwas Weiss untermengt sind.

In der obigen Reihe befinden sich zwei Spektralfarben, welche,160
Die drei
Grundfarben.

an den entgegengesetzten Enden des Spektrums liegend, nahehin
übereinstimmende Complementärfarben besitzen. Diese zwei Farben
sind Roth und Violett, von denen jenem Grünlichblau, diesem Grün-
lichgelb als Complementärfarbe entspricht. Nun ist klar, dass, wenn
man zwei Complementärfarbenpaare, also Roth-Grünlichblau und Vio-
lett-Grünlichgelb, mit einander mischt, hieraus ebenso gut Weiss ent-
stehen muss, als wenn man nur zwei Complementärfarben mit einan-
der gemischt hätte. Grünlichblau und Grünlichgelb geben aber zu-
sammen einen grünen Farbenton. Hieraus folgt, dass aus der Mi-
schung der drei einfachen Farben Roth, Grün und Violett Weiss ent-
stehen muss. Diese Voraussage wird in der That durch den Versuch
bestätigt. Wählt man die drei genannten Farben als Sectoren des
Farbenkreisels, so lässt sich leicht diesen Sectoren ein solches Ver-
hältniss geben, dass die Scheibe bei rascher Umdrehung weiss er-
scheint.

Nimmt man zu der Thatsache, dass Roth, Grün und Violett zu-
sammen Weiss geben, die andere hinzu, dass durch Mischung je
zweier Complementärfarben in verschiedenen Mengenverhältnissen alle
zwischen ihnen liegenden Farbentöne ersetzt werden können, so ist
klar, dass aus der Mischung von Roth, Grün und Violett überhaupt
alle möglichen Farben, die in der Natur vorkommen, zu erzeugen sind,
wobei übrigens zu bemerken ist, dass die Farbentöne, welche durch
Mischung dieser drei entstehen, aus den angegebenen Gründen nie-
mals die Sättigung besitzen, welche den Spektralfarben zukommt. Man

Wundt, medicinische Physik. 16

Von der Zerlegung des zusammengesetzten Lichtes u. der Mischung der Farben.
Weiss geben, bezeichnet man als Ergänzungsfarben oder Com-
plementärfarben
. So findet man folgende einfache Farben einan-
der complementär:

Roth und Grünlichblau,
Orange und Cyanblau,
Gelb und Indigblau,
Grünlichgelb und Violett.

Mischt man diese Complementärfarben in andern Mengenverhält-
nissen, als zur Erzeugung von Weiss erforderlich ist, so werden solche
Zwischenfarben erhalten, die im Allgemeinen auch im Spektrum zwi-
schen den Farbentönen der Complementärfarben in der Mitte liegen.
So also erhält man aus Roth und Grünlichblau beim Ueberwiegen des
Roth einen Farbenton, der dem Orange entspricht, während er, wenn
das Roth zurücktritt, mehr dem Gelb und endlich dem Grün sich
nähert. Doch sind diese Zwischenfarben immer weniger gesättigt als
die entsprechenden Farben des Spektrums; sie verhalten sich wie
Spektralfarben, die mit etwas Weiss untermengt sind.

In der obigen Reihe befinden sich zwei Spektralfarben, welche,160
Die drei
Grundfarben.

an den entgegengesetzten Enden des Spektrums liegend, nahehin
übereinstimmende Complementärfarben besitzen. Diese zwei Farben
sind Roth und Violett, von denen jenem Grünlichblau, diesem Grün-
lichgelb als Complementärfarbe entspricht. Nun ist klar, dass, wenn
man zwei Complementärfarbenpaare, also Roth-Grünlichblau und Vio-
lett-Grünlichgelb, mit einander mischt, hieraus ebenso gut Weiss ent-
stehen muss, als wenn man nur zwei Complementärfarben mit einan-
der gemischt hätte. Grünlichblau und Grünlichgelb geben aber zu-
sammen einen grünen Farbenton. Hieraus folgt, dass aus der Mi-
schung der drei einfachen Farben Roth, Grün und Violett Weiss ent-
stehen muss. Diese Voraussage wird in der That durch den Versuch
bestätigt. Wählt man die drei genannten Farben als Sectoren des
Farbenkreisels, so lässt sich leicht diesen Sectoren ein solches Ver-
hältniss geben, dass die Scheibe bei rascher Umdrehung weiss er-
scheint.

Nimmt man zu der Thatsache, dass Roth, Grün und Violett zu-
sammen Weiss geben, die andere hinzu, dass durch Mischung je
zweier Complementärfarben in verschiedenen Mengenverhältnissen alle
zwischen ihnen liegenden Farbentöne ersetzt werden können, so ist
klar, dass aus der Mischung von Roth, Grün und Violett überhaupt
alle möglichen Farben, die in der Natur vorkommen, zu erzeugen sind,
wobei übrigens zu bemerken ist, dass die Farbentöne, welche durch
Mischung dieser drei entstehen, aus den angegebenen Gründen nie-
mals die Sättigung besitzen, welche den Spektralfarben zukommt. Man

Wundt, medicinische Physik. 16
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[241/0263] Von der Zerlegung des zusammengesetzten Lichtes u. der Mischung der Farben. Weiss geben, bezeichnet man als Ergänzungsfarben oder Com- plementärfarben. So findet man folgende einfache Farben einan- der complementär: Roth und Grünlichblau, Orange und Cyanblau, Gelb und Indigblau, Grünlichgelb und Violett. Mischt man diese Complementärfarben in andern Mengenverhält- nissen, als zur Erzeugung von Weiss erforderlich ist, so werden solche Zwischenfarben erhalten, die im Allgemeinen auch im Spektrum zwi- schen den Farbentönen der Complementärfarben in der Mitte liegen. So also erhält man aus Roth und Grünlichblau beim Ueberwiegen des Roth einen Farbenton, der dem Orange entspricht, während er, wenn das Roth zurücktritt, mehr dem Gelb und endlich dem Grün sich nähert. Doch sind diese Zwischenfarben immer weniger gesättigt als die entsprechenden Farben des Spektrums; sie verhalten sich wie Spektralfarben, die mit etwas Weiss untermengt sind. In der obigen Reihe befinden sich zwei Spektralfarben, welche, an den entgegengesetzten Enden des Spektrums liegend, nahehin übereinstimmende Complementärfarben besitzen. Diese zwei Farben sind Roth und Violett, von denen jenem Grünlichblau, diesem Grün- lichgelb als Complementärfarbe entspricht. Nun ist klar, dass, wenn man zwei Complementärfarbenpaare, also Roth-Grünlichblau und Vio- lett-Grünlichgelb, mit einander mischt, hieraus ebenso gut Weiss ent- stehen muss, als wenn man nur zwei Complementärfarben mit einan- der gemischt hätte. Grünlichblau und Grünlichgelb geben aber zu- sammen einen grünen Farbenton. Hieraus folgt, dass aus der Mi- schung der drei einfachen Farben Roth, Grün und Violett Weiss ent- stehen muss. Diese Voraussage wird in der That durch den Versuch bestätigt. Wählt man die drei genannten Farben als Sectoren des Farbenkreisels, so lässt sich leicht diesen Sectoren ein solches Ver- hältniss geben, dass die Scheibe bei rascher Umdrehung weiss er- scheint. 160 Die drei Grundfarben. Nimmt man zu der Thatsache, dass Roth, Grün und Violett zu- sammen Weiss geben, die andere hinzu, dass durch Mischung je zweier Complementärfarben in verschiedenen Mengenverhältnissen alle zwischen ihnen liegenden Farbentöne ersetzt werden können, so ist klar, dass aus der Mischung von Roth, Grün und Violett überhaupt alle möglichen Farben, die in der Natur vorkommen, zu erzeugen sind, wobei übrigens zu bemerken ist, dass die Farbentöne, welche durch Mischung dieser drei entstehen, aus den angegebenen Gründen nie- mals die Sättigung besitzen, welche den Spektralfarben zukommt. Man Wundt, medicinische Physik. 16

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/263>, abgerufen am 23.12.2024.