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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Lichtbrechung durch Linsen.

Es ergiebt sich dies aus folgender Betrachtung. In derselben Weise, wie wir
schon bei einer Linse das durch die erste Fläche erzeugte Bild als Object für die
zweite Fläche betrachteten (Fig. 108), können wir jetzt auch das durch die erste Linse
erzeugte Bild als Object für die zweite Linse ansehen, u. s. f. Nun steht die Ent-
fernung f2 des von einer Linse entworfenen Bildes zum Brennpunkt F0 derselben und
zur Entfernung f1 des Objectes nach Gleichung 3, §. 151 in dem Verhältniss [Formel 1] =
[Formel 2] -- [Formel 3] . Haben wir nun die Brennweite eines Systems aus zwei Linsen zu
suchen, so ist demnach in dieser Gleichung statt der Distanz f1 die Brennweite der
ersten Linse zu setzen, diese ist aber = -- F1 zu nehmen, weil sie hinter der Linse
liegt. Ferner bedeutet dann F0 die Brennweite F2 der zweiten Linse, und aus f2
wird die Brennweite F des Systems gefunden. So erhält man also für ein System aus
zwei Linsen [Formel 4] , und diese Betrachtung kann in ähnlicher Weise
über beliebig viele Linsen ausgedehnt werden. Dabei ist jedoch angenommen, dass
die Linsen, die zu einem System combinirt sind, sich dicht berühren. Wäre dies nicht
der Fall, so müsste man die Entfernung der Hauptpunkte der einzelnen Linsen von
einander in Rücksicht ziehen. Wir gehen hierauf nicht näher ein, weil im Allgemei-
nen, wo es sich um die practische Anwendung von Linsensystemen handelt, die obige
Betrachtung genügt.

Aus dieser einfachen Beziehung der Brennweite eines Systems
zu den Brennweiten seiner einzelnen Linsen erkennt man, dass z. B.,
wenn man zwei Linsen zusammenfügt, deren jede eine Brennweite
= 1 hat, die ganze Brennweite = 1/2 ist; hat man drei Linsen von
der gleichen Brennweite, so ist die ganze Brennweite = 1/3 u. s. f.
Man kann desshalb statt einer starken Linse immer auch ein System
mehrerer schwächerer Linsen anwenden, und man hat dabei den Vor-
theil, dass die sphärische Aberration wegen der schwächeren Krüm-
mung der einzelnen brechenden Flächen viel kleiner ist.

Man benützt die reciproken Werthe der Brennweiten, da sie in
der angegebenen Weise leicht die Berechnung der Brennweite irgend
eines Systems aus den Brennweiten seiner Bestandtheile gestatten,
als Maass für die Stärke sowohl von Einzellinsen als von Linsen-
systemen. Dies hat ausserdem auch darin seine Berechtigung, dass
die brechende Kraft einer Linse in dem Maass zunimmt, als ihre
Brennweite sich verkleinert. Will man also die Stärke zweier Linsen
oder Linsensysteme numerisch mit einander vergleichen, so vergleicht
man die Werthe des für beide bestimmten Quotienten [Formel 5] . Hat man
z. B. die Brennweite einer Linse A = 2, die einer Linse B = 4 ge-
funden, so verhält sich die Stärke von A zu derjenigen von B wie
1/2 : 1/4. Wir werden später sehen, dass man dieses Maassprincip
für dioptrische Vorrichtungen jeder Art, insbesondere aber für das
menschliche Auge, welches nichts anderes als eine zusammengesetzte
dioptrische Vorrichtung ist, mit Nutzen verwendet. (S. §. 181.)


Lichtbrechung durch Linsen.

Es ergiebt sich dies aus folgender Betrachtung. In derselben Weise, wie wir
schon bei einer Linse das durch die erste Fläche erzeugte Bild als Object für die
zweite Fläche betrachteten (Fig. 108), können wir jetzt auch das durch die erste Linse
erzeugte Bild als Object für die zweite Linse ansehen, u. s. f. Nun steht die Ent-
fernung f2 des von einer Linse entworfenen Bildes zum Brennpunkt F0 derselben und
zur Entfernung f1 des Objectes nach Gleichung 3, §. 151 in dem Verhältniss [Formel 1] =
[Formel 2] [Formel 3] . Haben wir nun die Brennweite eines Systems aus zwei Linsen zu
suchen, so ist demnach in dieser Gleichung statt der Distanz f1 die Brennweite der
ersten Linse zu setzen, diese ist aber = — F1 zu nehmen, weil sie hinter der Linse
liegt. Ferner bedeutet dann F0 die Brennweite F2 der zweiten Linse, und aus f2
wird die Brennweite F des Systems gefunden. So erhält man also für ein System aus
zwei Linsen [Formel 4] , und diese Betrachtung kann in ähnlicher Weise
über beliebig viele Linsen ausgedehnt werden. Dabei ist jedoch angenommen, dass
die Linsen, die zu einem System combinirt sind, sich dicht berühren. Wäre dies nicht
der Fall, so müsste man die Entfernung der Hauptpunkte der einzelnen Linsen von
einander in Rücksicht ziehen. Wir gehen hierauf nicht näher ein, weil im Allgemei-
nen, wo es sich um die practische Anwendung von Linsensystemen handelt, die obige
Betrachtung genügt.

Aus dieser einfachen Beziehung der Brennweite eines Systems
zu den Brennweiten seiner einzelnen Linsen erkennt man, dass z. B.,
wenn man zwei Linsen zusammenfügt, deren jede eine Brennweite
= 1 hat, die ganze Brennweite = ½ ist; hat man drei Linsen von
der gleichen Brennweite, so ist die ganze Brennweite = ⅓ u. s. f.
Man kann desshalb statt einer starken Linse immer auch ein System
mehrerer schwächerer Linsen anwenden, und man hat dabei den Vor-
theil, dass die sphärische Aberration wegen der schwächeren Krüm-
mung der einzelnen brechenden Flächen viel kleiner ist.

Man benützt die reciproken Werthe der Brennweiten, da sie in
der angegebenen Weise leicht die Berechnung der Brennweite irgend
eines Systems aus den Brennweiten seiner Bestandtheile gestatten,
als Maass für die Stärke sowohl von Einzellinsen als von Linsen-
systemen. Dies hat ausserdem auch darin seine Berechtigung, dass
die brechende Kraft einer Linse in dem Maass zunimmt, als ihre
Brennweite sich verkleinert. Will man also die Stärke zweier Linsen
oder Linsensysteme numerisch mit einander vergleichen, so vergleicht
man die Werthe des für beide bestimmten Quotienten [Formel 5] . Hat man
z. B. die Brennweite einer Linse A = 2, die einer Linse B = 4 ge-
funden, so verhält sich die Stärke von A zu derjenigen von B wie
½ : ¼. Wir werden später sehen, dass man dieses Maassprincip
für dioptrische Vorrichtungen jeder Art, insbesondere aber für das
menschliche Auge, welches nichts anderes als eine zusammengesetzte
dioptrische Vorrichtung ist, mit Nutzen verwendet. (S. §. 181.)


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[233/0255] Lichtbrechung durch Linsen. Es ergiebt sich dies aus folgender Betrachtung. In derselben Weise, wie wir schon bei einer Linse das durch die erste Fläche erzeugte Bild als Object für die zweite Fläche betrachteten (Fig. 108), können wir jetzt auch das durch die erste Linse erzeugte Bild als Object für die zweite Linse ansehen, u. s. f. Nun steht die Ent- fernung f2 des von einer Linse entworfenen Bildes zum Brennpunkt F0 derselben und zur Entfernung f1 des Objectes nach Gleichung 3, §. 151 in dem Verhältniss [FORMEL] = [FORMEL] — [FORMEL]. Haben wir nun die Brennweite eines Systems aus zwei Linsen zu suchen, so ist demnach in dieser Gleichung statt der Distanz f1 die Brennweite der ersten Linse zu setzen, diese ist aber = — F1 zu nehmen, weil sie hinter der Linse liegt. Ferner bedeutet dann F0 die Brennweite F2 der zweiten Linse, und aus f2 wird die Brennweite F des Systems gefunden. So erhält man also für ein System aus zwei Linsen [FORMEL], und diese Betrachtung kann in ähnlicher Weise über beliebig viele Linsen ausgedehnt werden. Dabei ist jedoch angenommen, dass die Linsen, die zu einem System combinirt sind, sich dicht berühren. Wäre dies nicht der Fall, so müsste man die Entfernung der Hauptpunkte der einzelnen Linsen von einander in Rücksicht ziehen. Wir gehen hierauf nicht näher ein, weil im Allgemei- nen, wo es sich um die practische Anwendung von Linsensystemen handelt, die obige Betrachtung genügt. Aus dieser einfachen Beziehung der Brennweite eines Systems zu den Brennweiten seiner einzelnen Linsen erkennt man, dass z. B., wenn man zwei Linsen zusammenfügt, deren jede eine Brennweite = 1 hat, die ganze Brennweite = ½ ist; hat man drei Linsen von der gleichen Brennweite, so ist die ganze Brennweite = ⅓ u. s. f. Man kann desshalb statt einer starken Linse immer auch ein System mehrerer schwächerer Linsen anwenden, und man hat dabei den Vor- theil, dass die sphärische Aberration wegen der schwächeren Krüm- mung der einzelnen brechenden Flächen viel kleiner ist. Man benützt die reciproken Werthe der Brennweiten, da sie in der angegebenen Weise leicht die Berechnung der Brennweite irgend eines Systems aus den Brennweiten seiner Bestandtheile gestatten, als Maass für die Stärke sowohl von Einzellinsen als von Linsen- systemen. Dies hat ausserdem auch darin seine Berechtigung, dass die brechende Kraft einer Linse in dem Maass zunimmt, als ihre Brennweite sich verkleinert. Will man also die Stärke zweier Linsen oder Linsensysteme numerisch mit einander vergleichen, so vergleicht man die Werthe des für beide bestimmten Quotienten [FORMEL]. Hat man z. B. die Brennweite einer Linse A = 2, die einer Linse B = 4 ge- funden, so verhält sich die Stärke von A zu derjenigen von B wie ½ : ¼. Wir werden später sehen, dass man dieses Maassprincip für dioptrische Vorrichtungen jeder Art, insbesondere aber für das menschliche Auge, welches nichts anderes als eine zusammengesetzte dioptrische Vorrichtung ist, mit Nutzen verwendet. (S. §. 181.)

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/255>, abgerufen am 02.05.2024.