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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 6. Die reinen Empfindungen.
die als Licht empfunden werden, zwischen den Wellenlängen
von 688 und 393 Milliontheilen eines Millimeter und zwischen
den Geschwindigkeiten von 450 und 790 Billionen Schwin-
gungen in der Secunde liegen. Nun entsprechen allerdings
auch hier einfachen Schwingungen, d. h. solchen von gleicher
Wellenlänge, einfache Empfindungen, und mit der Wellen-
länge und Geschwindigkeit ändert sich stetig die Qualität
der Empfindung: den längsten und langsamsten Wellen ent-
spricht das Roth, den kürzesten und schnellsten das Violett,
zwischen denen die übrigen Farbentöne stetig mit der Wellen-
länge sich abstufen. Aber schon hier tritt ein wesentlicher
Unterschied darin hervor, dass die an Wellenlänge verschie-
densten Farben Roth und Violett in der Empfindung ver-
wandter sind als die zwischenliegenden.1) Dazu kommt dann
noch außerdem, dass 1) jede bloße Intensitäts- (Amplituden-)
Aenderung der physikalischen Lichtschwingungen subjectiv
gleichzeitig als Intensitäts- und als Qualitätsänderung em-
pfunden wird, wie das oben geschilderte Verhalten der Hellig-
keitsempfindungen lehrt, und dass 2) jedes aus beliebig ver-
schiedenen Schwingungen zusammengesetzte Licht einfach
empfunden wird, gleich dem objectiv einfachen, aus nur
einer Schwingungsstufe bestehenden Licht, wie die subjective
Vergleichung der farblosen mit den farbigen Empfindungen
unmittelbar zeigt. Aus der ersten dieser Thatsachen geht
zugleich hervor, dass das physikalisch einfache Licht nicht

1) Allerdings glaubten manche Physiker in dieser Beziehung
ein analoges Verhalten der Tonhöhen darin zu finden, dass zu jedem
Ton in seiner Octave ein ihm verwandter Ton wiederkehre. Aber
diese Verwandtschaft der Octave besteht, wie wir unten (§ 9) sehen
werden, nicht für die einfachen Tonempfindungen, sondern sie beruht
auf dem wirklichen Mittönen des Octaventones bei allen zusammen-
gesetzten Klängen. Auch sind die Versuche, dieser vermeintlichen
Analogie zu Liebe in der Farbenlinie Intervalle aufzufinden, die
dem Verhältniss der Terz, Quarte. Quinte u. s. w. bei den Tönen ent-
sprächen, völlig vergeblich gewesen.

§ 6. Die reinen Empfindungen.
die als Licht empfunden werden, zwischen den Wellenlängen
von 688 und 393 Milliontheilen eines Millimeter und zwischen
den Geschwindigkeiten von 450 und 790 Billionen Schwin-
gungen in der Secunde liegen. Nun entsprechen allerdings
auch hier einfachen Schwingungen, d. h. solchen von gleicher
Wellenlänge, einfache Empfindungen, und mit der Wellen-
länge und Geschwindigkeit ändert sich stetig die Qualität
der Empfindung: den längsten und langsamsten Wellen ent-
spricht das Roth, den kürzesten und schnellsten das Violett,
zwischen denen die übrigen Farbentöne stetig mit der Wellen-
länge sich abstufen. Aber schon hier tritt ein wesentlicher
Unterschied darin hervor, dass die an Wellenlänge verschie-
densten Farben Roth und Violett in der Empfindung ver-
wandter sind als die zwischenliegenden.1) Dazu kommt dann
noch außerdem, dass 1) jede bloße Intensitäts- (Amplituden-)
Aenderung der physikalischen Lichtschwingungen subjectiv
gleichzeitig als Intensitäts- und als Qualitätsänderung em-
pfunden wird, wie das oben geschilderte Verhalten der Hellig-
keitsempfindungen lehrt, und dass 2) jedes aus beliebig ver-
schiedenen Schwingungen zusammengesetzte Licht einfach
empfunden wird, gleich dem objectiv einfachen, aus nur
einer Schwingungsstufe bestehenden Licht, wie die subjective
Vergleichung der farblosen mit den farbigen Empfindungen
unmittelbar zeigt. Aus der ersten dieser Thatsachen geht
zugleich hervor, dass das physikalisch einfache Licht nicht

1) Allerdings glaubten manche Physiker in dieser Beziehung
ein analoges Verhalten der Tonhöhen darin zu finden, dass zu jedem
Ton in seiner Octave ein ihm verwandter Ton wiederkehre. Aber
diese Verwandtschaft der Octave besteht, wie wir unten (§ 9) sehen
werden, nicht für die einfachen Tonempfindungen, sondern sie beruht
auf dem wirklichen Mittönen des Octaventones bei allen zusammen-
gesetzten Klängen. Auch sind die Versuche, dieser vermeintlichen
Analogie zu Liebe in der Farbenlinie Intervalle aufzufinden, die
dem Verhältniss der Terz, Quarte. Quinte u. s. w. bei den Tönen ent-
sprächen, völlig vergeblich gewesen.
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[77/0093] § 6. Die reinen Empfindungen. die als Licht empfunden werden, zwischen den Wellenlängen von 688 und 393 Milliontheilen eines Millimeter und zwischen den Geschwindigkeiten von 450 und 790 Billionen Schwin- gungen in der Secunde liegen. Nun entsprechen allerdings auch hier einfachen Schwingungen, d. h. solchen von gleicher Wellenlänge, einfache Empfindungen, und mit der Wellen- länge und Geschwindigkeit ändert sich stetig die Qualität der Empfindung: den längsten und langsamsten Wellen ent- spricht das Roth, den kürzesten und schnellsten das Violett, zwischen denen die übrigen Farbentöne stetig mit der Wellen- länge sich abstufen. Aber schon hier tritt ein wesentlicher Unterschied darin hervor, dass die an Wellenlänge verschie- densten Farben Roth und Violett in der Empfindung ver- wandter sind als die zwischenliegenden. 1) Dazu kommt dann noch außerdem, dass 1) jede bloße Intensitäts- (Amplituden-) Aenderung der physikalischen Lichtschwingungen subjectiv gleichzeitig als Intensitäts- und als Qualitätsänderung em- pfunden wird, wie das oben geschilderte Verhalten der Hellig- keitsempfindungen lehrt, und dass 2) jedes aus beliebig ver- schiedenen Schwingungen zusammengesetzte Licht einfach empfunden wird, gleich dem objectiv einfachen, aus nur einer Schwingungsstufe bestehenden Licht, wie die subjective Vergleichung der farblosen mit den farbigen Empfindungen unmittelbar zeigt. Aus der ersten dieser Thatsachen geht zugleich hervor, dass das physikalisch einfache Licht nicht 1) Allerdings glaubten manche Physiker in dieser Beziehung ein analoges Verhalten der Tonhöhen darin zu finden, dass zu jedem Ton in seiner Octave ein ihm verwandter Ton wiederkehre. Aber diese Verwandtschaft der Octave besteht, wie wir unten (§ 9) sehen werden, nicht für die einfachen Tonempfindungen, sondern sie beruht auf dem wirklichen Mittönen des Octaventones bei allen zusammen- gesetzten Klängen. Auch sind die Versuche, dieser vermeintlichen Analogie zu Liebe in der Farbenlinie Intervalle aufzufinden, die dem Verhältniss der Terz, Quarte. Quinte u. s. w. bei den Tönen ent- sprächen, völlig vergeblich gewesen.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/93>, abgerufen am 24.11.2024.