Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. mit dem durchsichtigen Papier bedeckt ist und daher genauin dem nämlichen Grau wie die beiden Quadrate erscheint, so an die letzteren, dass es die unteren Enden derselben verbindet, so wird der Contrastunterschied der beiden Qua- drate entweder ganz aufgehoben oder doch stark vermindert. Wählt man in diesem Versuch statt des farblosen einen farbigen Hintergrund, so erscheint das graue Quadrat sehr auffallend in der zugehörigen Complementärfarbe; aber auch dieser Contrast kann durch die Vergleichung mit einem unab- hängigen grauen Object zum Verschwinden gebracht werden. 12. Der psychologische Contrast findet sich nun nicht III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. mit dem durchsichtigen Papier bedeckt ist und daher genauin dem nämlichen Grau wie die beiden Quadrate erscheint, so an die letzteren, dass es die unteren Enden derselben verbindet, so wird der Contrastunterschied der beiden Qua- drate entweder ganz aufgehoben oder doch stark vermindert. Wählt man in diesem Versuch statt des farblosen einen farbigen Hintergrund, so erscheint das graue Quadrat sehr auffallend in der zugehörigen Complementärfarbe; aber auch dieser Contrast kann durch die Vergleichung mit einem unab- hängigen grauen Object zum Verschwinden gebracht werden. 12. Der psychologische Contrast findet sich nun nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0320" n="304"/><fw place="top" type="header">III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.</fw><lb/> mit dem durchsichtigen Papier bedeckt ist und daher genau<lb/> in dem nämlichen Grau wie die beiden Quadrate erscheint,<lb/> so an die letzteren, dass es die unteren Enden derselben<lb/> verbindet, so wird der Contrastunterschied der beiden Qua-<lb/> drate entweder ganz aufgehoben oder doch stark vermindert.<lb/> Wählt man in diesem Versuch statt des farblosen einen<lb/> farbigen Hintergrund, so erscheint das graue Quadrat sehr<lb/> auffallend in der zugehörigen Complementärfarbe; aber auch<lb/> dieser Contrast kann durch die Vergleichung mit einem unab-<lb/> hängigen grauen Object zum Verschwinden gebracht werden.</p><lb/> <p>12. Der psychologische Contrast findet sich nun nicht<lb/> bloß bei den Empfindungen aller andern Sinnesgebiete,<lb/> sofern die Bedingungen zu seiner Nachweisung günstig<lb/> sind, sondern besonders stark ausgeprägt bei den Gefühlen,<lb/> und endlich unter geeigneten Bedingungen bei den exten-<lb/> siven räumlichen und zeitlichen Vorstellungen. Verhältniss-<lb/> mäßig am freiesten von ihm sind die Empfindungen der<lb/> Tonhöhen, wo ihm die bei den meisten Menschen ziem-<lb/> lich gut ausgebildete Fähigkeit absolute Tonhöhen wieder-<lb/> zuerkennen entgegenwirkt. Bei den <hi rendition="#g">Gefühlen</hi> hängt die<lb/> Wirkung des Contrastes mit der Eigenschaft aller Ge-<lb/> fühle, sich nach bestimmten Gegensätzen zu entwickeln,<lb/> eng zusammen. Namentlich werden Lustgefühle durch un-<lb/> mittelbar vorangegangene Unlustgefühle und manche Ent-<lb/> spannungsgefühle durch die vorangegangenen Spannungs-<lb/> gefühle, so z. B. das Gefühl der Erfüllung durch das der<lb/> vorangegangenen Erwartung, gehoben. Bei den räumlichen<lb/> und zeitlichen Vorstellungen zeigt sich die Wirkung des<lb/> Contrastes am deutlichsten, wenn eine und dieselbe Raum-<lb/> oder Zeitstrecke das eine Mal mit einer kleineren, das<lb/> andere Mal mit einer größeren Strecke verglichen wird.<lb/> Die nämliche Strecke erscheint dann beidemal verschieden:<lb/> dort im Verhältniss zur kleinen vergrößert, hier im Ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [304/0320]
III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.
mit dem durchsichtigen Papier bedeckt ist und daher genau
in dem nämlichen Grau wie die beiden Quadrate erscheint,
so an die letzteren, dass es die unteren Enden derselben
verbindet, so wird der Contrastunterschied der beiden Qua-
drate entweder ganz aufgehoben oder doch stark vermindert.
Wählt man in diesem Versuch statt des farblosen einen
farbigen Hintergrund, so erscheint das graue Quadrat sehr
auffallend in der zugehörigen Complementärfarbe; aber auch
dieser Contrast kann durch die Vergleichung mit einem unab-
hängigen grauen Object zum Verschwinden gebracht werden.
12. Der psychologische Contrast findet sich nun nicht
bloß bei den Empfindungen aller andern Sinnesgebiete,
sofern die Bedingungen zu seiner Nachweisung günstig
sind, sondern besonders stark ausgeprägt bei den Gefühlen,
und endlich unter geeigneten Bedingungen bei den exten-
siven räumlichen und zeitlichen Vorstellungen. Verhältniss-
mäßig am freiesten von ihm sind die Empfindungen der
Tonhöhen, wo ihm die bei den meisten Menschen ziem-
lich gut ausgebildete Fähigkeit absolute Tonhöhen wieder-
zuerkennen entgegenwirkt. Bei den Gefühlen hängt die
Wirkung des Contrastes mit der Eigenschaft aller Ge-
fühle, sich nach bestimmten Gegensätzen zu entwickeln,
eng zusammen. Namentlich werden Lustgefühle durch un-
mittelbar vorangegangene Unlustgefühle und manche Ent-
spannungsgefühle durch die vorangegangenen Spannungs-
gefühle, so z. B. das Gefühl der Erfüllung durch das der
vorangegangenen Erwartung, gehoben. Bei den räumlichen
und zeitlichen Vorstellungen zeigt sich die Wirkung des
Contrastes am deutlichsten, wenn eine und dieselbe Raum-
oder Zeitstrecke das eine Mal mit einer kleineren, das
andere Mal mit einer größeren Strecke verglichen wird.
Die nämliche Strecke erscheint dann beidemal verschieden:
dort im Verhältniss zur kleinen vergrößert, hier im Ver-
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