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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.
in meinem Bewusstsein als bei seinem directen Anblick, son-
dern die meisten dieser Züge existiren überhaupt gar nicht.
An die spärlichen Vorstellungselemente, die vorhanden sind,
und die höchstens bei absichtlicher Richtung der Aufmerk-
samkeit etwas vervollständigt werden können, knüpft sich
dann aber eine Reihe von Berührungsverbindungen und
Complicationen, wie die Umgebung, in der ich den Be-
kannten gesehen habe, sein Name, endlich besonders gewisse
bei der Begegnung vorhanden gewesene Gefühlselemente;
und diese begleitenden Bestandtheile sind es erst, die das
Bild zu einem Erinnerungsbild machen.

23. Uebrigens bestehen sowohl in der Wirksamkeit
dieser begleitenden Elemente wie in der Deutlichkeit der
Empfindungsbestandtheile der Erinnerungsbilder selbst große
individuelle Unterschiede. So sind bei manchen Menschen
die Erinnerungsbilder präciser zeitlich oder räumlich orien-
tirt als bei andern; die Fähigkeit sich an Farben oder Töne
zu erinnern ist eine außerordentlich verschiedene. Deut-
licher Geruchs- und Geschmackserinnerungen scheinen nur
sehr wenige Menschen fähig zu sein; statt ihrer treten dann
begleitende Bewegungsempfindungen der Nase und der Ge-
schmacksorgane als stellvertretende Complicationen ein.

Die Sprache fasst diese mannigfach verschiedenen Ei-
genschaften, die mit den Wiedererkennungs- und Erinner-
ungsvorgängen zusammenhängen, unter dem Namen des
"Gedächtnisses" zusammen. Natürlich hat dieser Begriff
nicht, wie die Vermögenspsychologie (S. 13) annahm, die
Bedeutung einer einheitlichen psychischen Kraft; immerhin
bleibt er gerade für die Hervorhebung der individuellen
Unterschiede der Erinnerungsvorgänge ein nützlicher Hülfs-
begriff. In diesem Sinne reden wir von einem treuen,
umfassenden, leichten Gedächtnisse oder von einem guten
Raum-, Zeit-, Wortgedächtniss u. dgl., Ausdrücke die auf

III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.
in meinem Bewusstsein als bei seinem directen Anblick, son-
dern die meisten dieser Züge existiren überhaupt gar nicht.
An die spärlichen Vorstellungselemente, die vorhanden sind,
und die höchstens bei absichtlicher Richtung der Aufmerk-
samkeit etwas vervollständigt werden können, knüpft sich
dann aber eine Reihe von Berührungsverbindungen und
Complicationen, wie die Umgebung, in der ich den Be-
kannten gesehen habe, sein Name, endlich besonders gewisse
bei der Begegnung vorhanden gewesene Gefühlselemente;
und diese begleitenden Bestandtheile sind es erst, die das
Bild zu einem Erinnerungsbild machen.

23. Uebrigens bestehen sowohl in der Wirksamkeit
dieser begleitenden Elemente wie in der Deutlichkeit der
Empfindungsbestandtheile der Erinnerungsbilder selbst große
individuelle Unterschiede. So sind bei manchen Menschen
die Erinnerungsbilder präciser zeitlich oder räumlich orien-
tirt als bei andern; die Fähigkeit sich an Farben oder Töne
zu erinnern ist eine außerordentlich verschiedene. Deut-
licher Geruchs- und Geschmackserinnerungen scheinen nur
sehr wenige Menschen fähig zu sein; statt ihrer treten dann
begleitende Bewegungsempfindungen der Nase und der Ge-
schmacksorgane als stellvertretende Complicationen ein.

Die Sprache fasst diese mannigfach verschiedenen Ei-
genschaften, die mit den Wiedererkennungs- und Erinner-
ungsvorgängen zusammenhängen, unter dem Namen des
»Gedächtnisses« zusammen. Natürlich hat dieser Begriff
nicht, wie die Vermögenspsychologie (S. 13) annahm, die
Bedeutung einer einheitlichen psychischen Kraft; immerhin
bleibt er gerade für die Hervorhebung der individuellen
Unterschiede der Erinnerungsvorgänge ein nützlicher Hülfs-
begriff. In diesem Sinne reden wir von einem treuen,
umfassenden, leichten Gedächtnisse oder von einem guten
Raum-, Zeit-, Wortgedächtniss u. dgl., Ausdrücke die auf

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[290/0306] III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. in meinem Bewusstsein als bei seinem directen Anblick, son- dern die meisten dieser Züge existiren überhaupt gar nicht. An die spärlichen Vorstellungselemente, die vorhanden sind, und die höchstens bei absichtlicher Richtung der Aufmerk- samkeit etwas vervollständigt werden können, knüpft sich dann aber eine Reihe von Berührungsverbindungen und Complicationen, wie die Umgebung, in der ich den Be- kannten gesehen habe, sein Name, endlich besonders gewisse bei der Begegnung vorhanden gewesene Gefühlselemente; und diese begleitenden Bestandtheile sind es erst, die das Bild zu einem Erinnerungsbild machen. 23. Uebrigens bestehen sowohl in der Wirksamkeit dieser begleitenden Elemente wie in der Deutlichkeit der Empfindungsbestandtheile der Erinnerungsbilder selbst große individuelle Unterschiede. So sind bei manchen Menschen die Erinnerungsbilder präciser zeitlich oder räumlich orien- tirt als bei andern; die Fähigkeit sich an Farben oder Töne zu erinnern ist eine außerordentlich verschiedene. Deut- licher Geruchs- und Geschmackserinnerungen scheinen nur sehr wenige Menschen fähig zu sein; statt ihrer treten dann begleitende Bewegungsempfindungen der Nase und der Ge- schmacksorgane als stellvertretende Complicationen ein. Die Sprache fasst diese mannigfach verschiedenen Ei- genschaften, die mit den Wiedererkennungs- und Erinner- ungsvorgängen zusammenhängen, unter dem Namen des »Gedächtnisses« zusammen. Natürlich hat dieser Begriff nicht, wie die Vermögenspsychologie (S. 13) annahm, die Bedeutung einer einheitlichen psychischen Kraft; immerhin bleibt er gerade für die Hervorhebung der individuellen Unterschiede der Erinnerungsvorgänge ein nützlicher Hülfs- begriff. In diesem Sinne reden wir von einem treuen, umfassenden, leichten Gedächtnisse oder von einem guten Raum-, Zeit-, Wortgedächtniss u. dgl., Ausdrücke die auf

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/306>, abgerufen am 23.11.2024.