Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 16. Die Associationen.
b. Die Complicationen.

12. Die Complicationen oder die Verbindungen
zwischen ungleichartigen psychischen Gebilden sind nicht
minder regelmäßige Bestandtheile des Bewusstseins wie die
Assimilationen. Gibt es kaum eine intensive oder räumliche
Vorstellung oder ein zusammengesetztes Gefühl, das nicht
irgendwie durch den Process wechselseitiger Assimilation
mit reproductiven Elementen modificirt wäre, so ist nicht
minder wohl fast jedes dieser Gebilde zugleich mit andern,
ungleichartigen, zu denen es irgend welche constante Be-
ziehungen hat, verbunden. In allen Fällen unterscheidet
sich aber die Complication von der Assimilation dadurch,
dass die Ungleichartigkeit der Gebilde die Verbindung, auch
wenn sie noch so regelmäßig ist, doch zu einer loseren
macht, so dass, wenn etwa der eine Bestandtheil ein directer,
der andere ein reproducirter ist, dieser leicht unmittelbar
unterschieden werden kann. Dagegen gibt es hier eine
andere Ursache, welche trotz dieser leicht erkennbaren
Verschiedenartigkeit der Bestandtheile das Product einer
Complication immer wieder als ein einheitliches Gebilde er-
scheinen lässt. Diese Ursache besteht darin, dass unter den
verbundenen Gebilden eines das herrschende ist, gegen-
über dem die andern in das dunklere Blickfeld des Bewusst-
seins zurücktreten.

Verbindet die Complication einen directen Eindruck mit
reproducirten Elementen von disparater Beschaffenheit, so
ist der directe Eindruck mit den ihm anhaftenden Assimila-
tionen regelmäßig der herrschende Bestandtheil, während die
reproductiven manchmal nur durch ihren Gefühlston einen
merklichen Einfluss ausüben. So sind, wenn wir sprechen,
die akustischen Wortvorstellungen die dominirenden Be-
standtheile, neben denen die ebenfalls direct gegebenen

18*
§ 16. Die Associationen.
b. Die Complicationen.

12. Die Complicationen oder die Verbindungen
zwischen ungleichartigen psychischen Gebilden sind nicht
minder regelmäßige Bestandtheile des Bewusstseins wie die
Assimilationen. Gibt es kaum eine intensive oder räumliche
Vorstellung oder ein zusammengesetztes Gefühl, das nicht
irgendwie durch den Process wechselseitiger Assimilation
mit reproductiven Elementen modificirt wäre, so ist nicht
minder wohl fast jedes dieser Gebilde zugleich mit andern,
ungleichartigen, zu denen es irgend welche constante Be-
ziehungen hat, verbunden. In allen Fällen unterscheidet
sich aber die Complication von der Assimilation dadurch,
dass die Ungleichartigkeit der Gebilde die Verbindung, auch
wenn sie noch so regelmäßig ist, doch zu einer loseren
macht, so dass, wenn etwa der eine Bestandtheil ein directer,
der andere ein reproducirter ist, dieser leicht unmittelbar
unterschieden werden kann. Dagegen gibt es hier eine
andere Ursache, welche trotz dieser leicht erkennbaren
Verschiedenartigkeit der Bestandtheile das Product einer
Complication immer wieder als ein einheitliches Gebilde er-
scheinen lässt. Diese Ursache besteht darin, dass unter den
verbundenen Gebilden eines das herrschende ist, gegen-
über dem die andern in das dunklere Blickfeld des Bewusst-
seins zurücktreten.

Verbindet die Complication einen directen Eindruck mit
reproducirten Elementen von disparater Beschaffenheit, so
ist der directe Eindruck mit den ihm anhaftenden Assimila-
tionen regelmäßig der herrschende Bestandtheil, während die
reproductiven manchmal nur durch ihren Gefühlston einen
merklichen Einfluss ausüben. So sind, wenn wir sprechen,
die akustischen Wortvorstellungen die dominirenden Be-
standtheile, neben denen die ebenfalls direct gegebenen

18*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0291" n="275"/>
            <fw place="top" type="header">§ 16. Die Associationen.</fw><lb/>
            <div n="4">
              <head>b. <hi rendition="#g">Die Complicationen</hi>.</head><lb/>
              <p>12. Die <hi rendition="#g">Complicationen</hi> oder die Verbindungen<lb/>
zwischen ungleichartigen psychischen Gebilden sind nicht<lb/>
minder regelmäßige Bestandtheile des Bewusstseins wie die<lb/>
Assimilationen. Gibt es kaum eine intensive oder räumliche<lb/>
Vorstellung oder ein zusammengesetztes Gefühl, das nicht<lb/>
irgendwie durch den Process wechselseitiger Assimilation<lb/>
mit reproductiven Elementen modificirt wäre, so ist nicht<lb/>
minder wohl fast jedes dieser Gebilde zugleich mit andern,<lb/>
ungleichartigen, zu denen es irgend welche constante Be-<lb/>
ziehungen hat, verbunden. In allen Fällen unterscheidet<lb/>
sich aber die Complication von der Assimilation dadurch,<lb/>
dass die Ungleichartigkeit der Gebilde die Verbindung, auch<lb/>
wenn sie noch so regelmäßig ist, doch zu einer loseren<lb/>
macht, so dass, wenn etwa der eine Bestandtheil ein directer,<lb/>
der andere ein reproducirter ist, dieser leicht unmittelbar<lb/>
unterschieden werden kann. Dagegen gibt es hier eine<lb/>
andere Ursache, welche trotz dieser leicht erkennbaren<lb/>
Verschiedenartigkeit der Bestandtheile das Product einer<lb/>
Complication immer wieder als ein einheitliches Gebilde er-<lb/>
scheinen lässt. Diese Ursache besteht darin, dass unter den<lb/>
verbundenen Gebilden <hi rendition="#g">eines</hi> das <hi rendition="#g">herrschende</hi> ist, gegen-<lb/>
über dem die andern in das dunklere Blickfeld des Bewusst-<lb/>
seins zurücktreten.</p><lb/>
              <p>Verbindet die Complication einen directen Eindruck mit<lb/>
reproducirten Elementen von disparater Beschaffenheit, so<lb/>
ist der directe Eindruck mit den ihm anhaftenden Assimila-<lb/>
tionen regelmäßig der herrschende Bestandtheil, während die<lb/>
reproductiven manchmal nur durch ihren Gefühlston einen<lb/>
merklichen Einfluss ausüben. So sind, wenn wir sprechen,<lb/>
die akustischen Wortvorstellungen die dominirenden Be-<lb/>
standtheile, neben denen die ebenfalls direct gegebenen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18*</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0291] § 16. Die Associationen. b. Die Complicationen. 12. Die Complicationen oder die Verbindungen zwischen ungleichartigen psychischen Gebilden sind nicht minder regelmäßige Bestandtheile des Bewusstseins wie die Assimilationen. Gibt es kaum eine intensive oder räumliche Vorstellung oder ein zusammengesetztes Gefühl, das nicht irgendwie durch den Process wechselseitiger Assimilation mit reproductiven Elementen modificirt wäre, so ist nicht minder wohl fast jedes dieser Gebilde zugleich mit andern, ungleichartigen, zu denen es irgend welche constante Be- ziehungen hat, verbunden. In allen Fällen unterscheidet sich aber die Complication von der Assimilation dadurch, dass die Ungleichartigkeit der Gebilde die Verbindung, auch wenn sie noch so regelmäßig ist, doch zu einer loseren macht, so dass, wenn etwa der eine Bestandtheil ein directer, der andere ein reproducirter ist, dieser leicht unmittelbar unterschieden werden kann. Dagegen gibt es hier eine andere Ursache, welche trotz dieser leicht erkennbaren Verschiedenartigkeit der Bestandtheile das Product einer Complication immer wieder als ein einheitliches Gebilde er- scheinen lässt. Diese Ursache besteht darin, dass unter den verbundenen Gebilden eines das herrschende ist, gegen- über dem die andern in das dunklere Blickfeld des Bewusst- seins zurücktreten. Verbindet die Complication einen directen Eindruck mit reproducirten Elementen von disparater Beschaffenheit, so ist der directe Eindruck mit den ihm anhaftenden Assimila- tionen regelmäßig der herrschende Bestandtheil, während die reproductiven manchmal nur durch ihren Gefühlston einen merklichen Einfluss ausüben. So sind, wenn wir sprechen, die akustischen Wortvorstellungen die dominirenden Be- standtheile, neben denen die ebenfalls direct gegebenen 18*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/291
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/291>, abgerufen am 11.05.2024.