Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.§ 16. Die Associationen. Eindrücke erinnern. Hierbei pflegt die Association zunächstnur in der Form einer Gefühlsassociation vor sich zu gehen, und nur insoweit sie dies thut, ist sie eine simultane Assi- milation. Die die Wirkung erklärende Vorstellungsassociation dagegen ist ein erst nachträglich hinzutretender Process: sie gehört zu den Formen der successiven Association. Aus diesem Grunde ist es auch kaum möglich, bei den von be- stimmten Gefühlen begleiteten Klang- und Farbeneindrücken oder bei einfachen räumlichen Vorstellungen zu entscheiden, was der unmittelbaren Gefühlswirkung des Eindrucks, und was der Association angehört. In der Regel wird aber in diesen Fällen der Gefühlsvorgang als eine Resultante aus einem unmittelbaren und einem associativen Factor anzu- sehen sein, wobei sich dann beide, gemäß den allgemeinen Gesetzen der Gefühlsverschmelzung (S. 187 f.), zu einem ein- heitlichen Totalgefühl verbinden. 8. Von der umfassendsten Bedeutung ist die Association § 16. Die Associationen. Eindrücke erinnern. Hierbei pflegt die Association zunächstnur in der Form einer Gefühlsassociation vor sich zu gehen, und nur insoweit sie dies thut, ist sie eine simultane Assi- milation. Die die Wirkung erklärende Vorstellungsassociation dagegen ist ein erst nachträglich hinzutretender Process: sie gehört zu den Formen der successiven Association. Aus diesem Grunde ist es auch kaum möglich, bei den von be- stimmten Gefühlen begleiteten Klang- und Farbeneindrücken oder bei einfachen räumlichen Vorstellungen zu entscheiden, was der unmittelbaren Gefühlswirkung des Eindrucks, und was der Association angehört. In der Regel wird aber in diesen Fällen der Gefühlsvorgang als eine Resultante aus einem unmittelbaren und einem associativen Factor anzu- sehen sein, wobei sich dann beide, gemäß den allgemeinen Gesetzen der Gefühlsverschmelzung (S. 187 f.), zu einem ein- heitlichen Totalgefühl verbinden. 8. Von der umfassendsten Bedeutung ist die Association <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0285" n="269"/><fw place="top" type="header">§ 16. Die Associationen.</fw><lb/> Eindrücke erinnern. Hierbei pflegt die Association zunächst<lb/> nur in der Form einer Gefühlsassociation vor sich zu gehen,<lb/> und nur insoweit sie dies thut, ist sie eine simultane Assi-<lb/> milation. Die die Wirkung erklärende Vorstellungsassociation<lb/> dagegen ist ein erst nachträglich hinzutretender Process: sie<lb/> gehört zu den Formen der successiven Association. Aus<lb/> diesem Grunde ist es auch kaum möglich, bei den von be-<lb/> stimmten Gefühlen begleiteten Klang- und Farbeneindrücken<lb/> oder bei einfachen räumlichen Vorstellungen zu entscheiden,<lb/> was der unmittelbaren Gefühlswirkung des Eindrucks, und<lb/> was der Association angehört. In der Regel wird aber in<lb/> diesen Fällen der Gefühlsvorgang als eine Resultante aus<lb/> einem unmittelbaren und einem associativen Factor anzu-<lb/> sehen sein, wobei sich dann beide, gemäß den allgemeinen<lb/> Gesetzen der Gefühlsverschmelzung (S. 187 f.), zu einem ein-<lb/> heitlichen Totalgefühl verbinden.</p><lb/> <p>8. Von der umfassendsten Bedeutung ist die Association<lb/> bei den <hi rendition="#g">räumlichen</hi> Vorstellungen. Im Gebiet des <hi rendition="#g">Tast-<lb/> sinns</hi> ist sie natürlich beim Sehenden wegen der geringen<lb/> Bedeutung, die hier den Tastvorstellungen im allgemeinen<lb/> und namentlich für die Erinnerungsvorgänge zukommt, wenig<lb/> bemerkbar. Beim Blinden dagegen ist sie es, die wesent-<lb/> lich die Fähigkeit der raschen räumlichen Orientirung ver-<lb/> mittelt, wie sie z. B. zum geläufigen Lesen der Blinden-<lb/> schrift erforderlich ist. Am auffallendsten sind diejenigen<lb/> Assimilationswirkungen, an deren Bildung mehrere Tast-<lb/> flächen betheiligt sind, weil sie sich in diesem Fall leicht<lb/> durch die Illusionen verrathen, die in Folge irgend welcher<lb/> Störungen in dem gewohnheitsmäßigen Zusammenwirken der<lb/> Empfindungen entstehen können. So hat man z. B., wenn<lb/> man mit gekreuztem Zeige- und Mittelfinger eine kleine<lb/> Kugel betastet, die Vorstellung von <hi rendition="#g">zwei</hi> Kugeln, offenbar<lb/> weil in der gewöhnlichen Lage der Tastorgane der äußere<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0285]
§ 16. Die Associationen.
Eindrücke erinnern. Hierbei pflegt die Association zunächst
nur in der Form einer Gefühlsassociation vor sich zu gehen,
und nur insoweit sie dies thut, ist sie eine simultane Assi-
milation. Die die Wirkung erklärende Vorstellungsassociation
dagegen ist ein erst nachträglich hinzutretender Process: sie
gehört zu den Formen der successiven Association. Aus
diesem Grunde ist es auch kaum möglich, bei den von be-
stimmten Gefühlen begleiteten Klang- und Farbeneindrücken
oder bei einfachen räumlichen Vorstellungen zu entscheiden,
was der unmittelbaren Gefühlswirkung des Eindrucks, und
was der Association angehört. In der Regel wird aber in
diesen Fällen der Gefühlsvorgang als eine Resultante aus
einem unmittelbaren und einem associativen Factor anzu-
sehen sein, wobei sich dann beide, gemäß den allgemeinen
Gesetzen der Gefühlsverschmelzung (S. 187 f.), zu einem ein-
heitlichen Totalgefühl verbinden.
8. Von der umfassendsten Bedeutung ist die Association
bei den räumlichen Vorstellungen. Im Gebiet des Tast-
sinns ist sie natürlich beim Sehenden wegen der geringen
Bedeutung, die hier den Tastvorstellungen im allgemeinen
und namentlich für die Erinnerungsvorgänge zukommt, wenig
bemerkbar. Beim Blinden dagegen ist sie es, die wesent-
lich die Fähigkeit der raschen räumlichen Orientirung ver-
mittelt, wie sie z. B. zum geläufigen Lesen der Blinden-
schrift erforderlich ist. Am auffallendsten sind diejenigen
Assimilationswirkungen, an deren Bildung mehrere Tast-
flächen betheiligt sind, weil sie sich in diesem Fall leicht
durch die Illusionen verrathen, die in Folge irgend welcher
Störungen in dem gewohnheitsmäßigen Zusammenwirken der
Empfindungen entstehen können. So hat man z. B., wenn
man mit gekreuztem Zeige- und Mittelfinger eine kleine
Kugel betastet, die Vorstellung von zwei Kugeln, offenbar
weil in der gewöhnlichen Lage der Tastorgane der äußere
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