Gefühlswirkungen der noch nicht appercipirten Inhalte zu- sammenhängen.
Erstens: Der neue Inhalt drängt sich plötzlich und ohne vorbereitende Gefühlswirkung der Aufmerksamkeit auf; wir bezeichnen diesen Verlaufstypus als den der passiven Apperception. Während sich der Inhalt nach seinen Vor- stellungs- wie Gefühlselementen zu größerer Klarheit er- hebt, verbindet sich hier zunächst mit ihm ein Gefühl des Erleidens, das, der Richtung der deprimirenden Gefühle angehörend, im allgemeinen um so stärker ist, je intensiver der psychische Vorgang, und je größer die Geschwindigkeit seines Eintritts ist; dieses Gefühl sinkt dann aber rasch wieder, um in das entgegengesetzte, excitirende Gefühl der Thätigkeit überzugehen. Mit beiden Gefühlen sind zugleich charakteristische Empfindungen in den Muskel- apparaten des Sinnesgebietes verbunden, dem die Vorstel- lungsbestandtheile des Vorganges angehören: das Gefühl des Erleidens pflegt nämlich von einer meist rasch vorüber- gehenden Erschlaffungs-, das der Thätigkeit von einer da- rauf folgenden Spannungsempfindung begleitet zu sein.
Zweitens: Der neue Inhalt wird durch die oben (7) er- wähnten Gefühlswirkungen vorbereitet, und es ist in Folge dessen schon vor dem Eintritt desselben die Aufmerksam- keit auf ihn gespannt; wir bezeichnen diesen Verlaufstypus als den der activen Apperception. Hier geht der Auf- fassung des Inhalts bald nur während sehr kurzer, bald aber auch während längerer Zeit ein Gefühl der Erwar- tung voran, das im allgemeinen der Richtung der spannen- den und zuweilen zugleich derjenigen der erregenden Ge- fühle angehört, während außerdem von den Vorstellungs- elementen her Lust- oder Unlustgefühle hinzutreten können. Dieses Gefühl der Erwartung pflegt ferner mit ziemlich intensiven Spannungsempfindungen in den zugehörigen
§ 15. Bewusstsein und Aufmerksamkeit.
Gefühlswirkungen der noch nicht appercipirten Inhalte zu- sammenhängen.
Erstens: Der neue Inhalt drängt sich plötzlich und ohne vorbereitende Gefühlswirkung der Aufmerksamkeit auf; wir bezeichnen diesen Verlaufstypus als den der passiven Apperception. Während sich der Inhalt nach seinen Vor- stellungs- wie Gefühlselementen zu größerer Klarheit er- hebt, verbindet sich hier zunächst mit ihm ein Gefühl des Erleidens, das, der Richtung der deprimirenden Gefühle angehörend, im allgemeinen um so stärker ist, je intensiver der psychische Vorgang, und je größer die Geschwindigkeit seines Eintritts ist; dieses Gefühl sinkt dann aber rasch wieder, um in das entgegengesetzte, excitirende Gefühl der Thätigkeit überzugehen. Mit beiden Gefühlen sind zugleich charakteristische Empfindungen in den Muskel- apparaten des Sinnesgebietes verbunden, dem die Vorstel- lungsbestandtheile des Vorganges angehören: das Gefühl des Erleidens pflegt nämlich von einer meist rasch vorüber- gehenden Erschlaffungs-, das der Thätigkeit von einer da- rauf folgenden Spannungsempfindung begleitet zu sein.
Zweitens: Der neue Inhalt wird durch die oben (7) er- wähnten Gefühlswirkungen vorbereitet, und es ist in Folge dessen schon vor dem Eintritt desselben die Aufmerksam- keit auf ihn gespannt; wir bezeichnen diesen Verlaufstypus als den der activen Apperception. Hier geht der Auf- fassung des Inhalts bald nur während sehr kurzer, bald aber auch während längerer Zeit ein Gefühl der Erwar- tung voran, das im allgemeinen der Richtung der spannen- den und zuweilen zugleich derjenigen der erregenden Ge- fühle angehört, während außerdem von den Vorstellungs- elementen her Lust- oder Unlustgefühle hinzutreten können. Dieses Gefühl der Erwartung pflegt ferner mit ziemlich intensiven Spannungsempfindungen in den zugehörigen
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§ 15. Bewusstsein und Aufmerksamkeit.
Gefühlswirkungen der noch nicht appercipirten Inhalte zu-
sammenhängen.
Erstens: Der neue Inhalt drängt sich plötzlich und ohne
vorbereitende Gefühlswirkung der Aufmerksamkeit auf; wir
bezeichnen diesen Verlaufstypus als den der passiven
Apperception. Während sich der Inhalt nach seinen Vor-
stellungs- wie Gefühlselementen zu größerer Klarheit er-
hebt, verbindet sich hier zunächst mit ihm ein Gefühl des
Erleidens, das, der Richtung der deprimirenden Gefühle
angehörend, im allgemeinen um so stärker ist, je intensiver
der psychische Vorgang, und je größer die Geschwindigkeit
seines Eintritts ist; dieses Gefühl sinkt dann aber rasch
wieder, um in das entgegengesetzte, excitirende Gefühl der
Thätigkeit überzugehen. Mit beiden Gefühlen sind
zugleich charakteristische Empfindungen in den Muskel-
apparaten des Sinnesgebietes verbunden, dem die Vorstel-
lungsbestandtheile des Vorganges angehören: das Gefühl
des Erleidens pflegt nämlich von einer meist rasch vorüber-
gehenden Erschlaffungs-, das der Thätigkeit von einer da-
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Zweitens: Der neue Inhalt wird durch die oben (7) er-
wähnten Gefühlswirkungen vorbereitet, und es ist in Folge
dessen schon vor dem Eintritt desselben die Aufmerksam-
keit auf ihn gespannt; wir bezeichnen diesen Verlaufstypus
als den der activen Apperception. Hier geht der Auf-
fassung des Inhalts bald nur während sehr kurzer, bald
aber auch während längerer Zeit ein Gefühl der Erwar-
tung voran, das im allgemeinen der Richtung der spannen-
den und zuweilen zugleich derjenigen der erregenden Ge-
fühle angehört, während außerdem von den Vorstellungs-
elementen her Lust- oder Unlustgefühle hinzutreten können.
Dieses Gefühl der Erwartung pflegt ferner mit ziemlich
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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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