Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Die psychischen Gebilde.
diesen Versuchen stets ausgeführt. Aber die nächste Bedeu-
tung derselben besteht doch darin, dass jeder Versuch einen
Willensvorgang einschließt, und dass es daher möglich wird,
auf diesem Wege genau die Succession der psychischen Pro-
cesse in einem solchen mittelst der subjectiven Beobachtung
zu verfolgen und dabei zugleich durch willkürliche Verän-
derung der Bedingungen in planmäßiger Weise zu beeinflussen.

Der einfachste Reactionsversuch, der sich ausführen
lässt, ist hiernach der folgende. Man lässt, nachdem man
in angemessener Zeit (2--3 Sec.) ein die vorbereitende
Spannung der Aufmerksamkeit bewirkendes Signal voraus-
gehen ließ, einen äußeren Reiz auf irgend ein Sinnesorgan
einwirken und im Moment der Auffassung des Reizes eine
vorher genau bestimmte und vorbereitete Bewegung, z. B.
eine Bewegung der Hand, ausführen. Dieser Versuch ent-
spricht in seinen psychologischen Bedingungen im wesent-
lichen einem einfachen Willensvorgang: der Sinneseindruck
wird bei ihm als einfaches Motiv benutzt, dem eine be-
stimmte Handlung eindeutig zugeordnet ist. Trifft man nun
mittelst graphischer oder irgend welcher anderer zeitmessen-
der Hülfsmittel die Einrichtung, dass die Zeit von der Ein-
wirkung des Reizes an bis zum Moment der Ausführung der
Reactionsbewegung objectiv gemessen wird, so ist es da-
durch möglich, in oft wiederholten Versuchen gleicher Art
sich die subjectiven Vorgänge, die den ganzen Reactions-
process zusammensetzen, genau zu vergegenwärtigen, wäh-
rend zugleich in den objectiven Ergebnissen der Zeitmessung
ein Controlmittel für die Constanz wie für die etwaigen Ab-
weichungen jener subjectiven Vorgänge zur Verfügung steht.
Von diesem Controlmittel macht man namentlich auch in
den Fällen Gebrauch, wo absichtlich irgend eine Bedingung
des Versuchs und dadurch der subjective Verlauf des Willens-
vorgangs selbst verändert wird.

II. Die psychischen Gebilde.
diesen Versuchen stets ausgeführt. Aber die nächste Bedeu-
tung derselben besteht doch darin, dass jeder Versuch einen
Willensvorgang einschließt, und dass es daher möglich wird,
auf diesem Wege genau die Succession der psychischen Pro-
cesse in einem solchen mittelst der subjectiven Beobachtung
zu verfolgen und dabei zugleich durch willkürliche Verän-
derung der Bedingungen in planmäßiger Weise zu beeinflussen.

Der einfachste Reactionsversuch, der sich ausführen
lässt, ist hiernach der folgende. Man lässt, nachdem man
in angemessener Zeit (2—3 Sec.) ein die vorbereitende
Spannung der Aufmerksamkeit bewirkendes Signal voraus-
gehen ließ, einen äußeren Reiz auf irgend ein Sinnesorgan
einwirken und im Moment der Auffassung des Reizes eine
vorher genau bestimmte und vorbereitete Bewegung, z. B.
eine Bewegung der Hand, ausführen. Dieser Versuch ent-
spricht in seinen psychologischen Bedingungen im wesent-
lichen einem einfachen Willensvorgang: der Sinneseindruck
wird bei ihm als einfaches Motiv benutzt, dem eine be-
stimmte Handlung eindeutig zugeordnet ist. Trifft man nun
mittelst graphischer oder irgend welcher anderer zeitmessen-
der Hülfsmittel die Einrichtung, dass die Zeit von der Ein-
wirkung des Reizes an bis zum Moment der Ausführung der
Reactionsbewegung objectiv gemessen wird, so ist es da-
durch möglich, in oft wiederholten Versuchen gleicher Art
sich die subjectiven Vorgänge, die den ganzen Reactions-
process zusammensetzen, genau zu vergegenwärtigen, wäh-
rend zugleich in den objectiven Ergebnissen der Zeitmessung
ein Controlmittel für die Constanz wie für die etwaigen Ab-
weichungen jener subjectiven Vorgänge zur Verfügung steht.
Von diesem Controlmittel macht man namentlich auch in
den Fällen Gebrauch, wo absichtlich irgend eine Bedingung
des Versuchs und dadurch der subjective Verlauf des Willens-
vorgangs selbst verändert wird.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0248" n="232"/><fw place="top" type="header">II. Die psychischen Gebilde.</fw><lb/>
diesen Versuchen stets ausgeführt. Aber die nächste Bedeu-<lb/>
tung derselben besteht doch darin, dass jeder Versuch einen<lb/>
Willensvorgang einschließt, und dass es daher möglich wird,<lb/>
auf diesem Wege genau die Succession der psychischen Pro-<lb/>
cesse in einem solchen mittelst der subjectiven Beobachtung<lb/>
zu verfolgen und dabei zugleich durch willkürliche Verän-<lb/>
derung der Bedingungen in planmäßiger Weise zu beeinflussen.</p><lb/>
          <p>Der einfachste Reactionsversuch, der sich ausführen<lb/>
lässt, ist hiernach der folgende. Man lässt, nachdem man<lb/>
in angemessener Zeit (2&#x2014;3 Sec.) ein die vorbereitende<lb/>
Spannung der Aufmerksamkeit bewirkendes Signal voraus-<lb/>
gehen ließ, einen äußeren Reiz auf irgend ein Sinnesorgan<lb/>
einwirken und im Moment der Auffassung des Reizes eine<lb/>
vorher genau bestimmte und vorbereitete Bewegung, z. B.<lb/>
eine Bewegung der Hand, ausführen. Dieser Versuch ent-<lb/>
spricht in seinen psychologischen Bedingungen im wesent-<lb/>
lichen einem <hi rendition="#g">einfachen</hi> Willensvorgang: der Sinneseindruck<lb/>
wird bei ihm als einfaches Motiv benutzt, dem eine be-<lb/>
stimmte Handlung eindeutig zugeordnet ist. Trifft man nun<lb/>
mittelst graphischer oder irgend welcher anderer zeitmessen-<lb/>
der Hülfsmittel die Einrichtung, dass die Zeit von der Ein-<lb/>
wirkung des Reizes an bis zum Moment der Ausführung der<lb/>
Reactionsbewegung objectiv gemessen wird, so ist es da-<lb/>
durch möglich, in oft wiederholten Versuchen gleicher Art<lb/>
sich die subjectiven Vorgänge, die den ganzen Reactions-<lb/>
process zusammensetzen, genau zu vergegenwärtigen, wäh-<lb/>
rend zugleich in den objectiven Ergebnissen der Zeitmessung<lb/>
ein Controlmittel für die Constanz wie für die etwaigen Ab-<lb/>
weichungen jener subjectiven Vorgänge zur Verfügung steht.<lb/>
Von diesem Controlmittel macht man namentlich auch in<lb/>
den Fällen Gebrauch, wo absichtlich irgend eine Bedingung<lb/>
des Versuchs und dadurch der subjective Verlauf des Willens-<lb/>
vorgangs selbst verändert wird.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0248] II. Die psychischen Gebilde. diesen Versuchen stets ausgeführt. Aber die nächste Bedeu- tung derselben besteht doch darin, dass jeder Versuch einen Willensvorgang einschließt, und dass es daher möglich wird, auf diesem Wege genau die Succession der psychischen Pro- cesse in einem solchen mittelst der subjectiven Beobachtung zu verfolgen und dabei zugleich durch willkürliche Verän- derung der Bedingungen in planmäßiger Weise zu beeinflussen. Der einfachste Reactionsversuch, der sich ausführen lässt, ist hiernach der folgende. Man lässt, nachdem man in angemessener Zeit (2—3 Sec.) ein die vorbereitende Spannung der Aufmerksamkeit bewirkendes Signal voraus- gehen ließ, einen äußeren Reiz auf irgend ein Sinnesorgan einwirken und im Moment der Auffassung des Reizes eine vorher genau bestimmte und vorbereitete Bewegung, z. B. eine Bewegung der Hand, ausführen. Dieser Versuch ent- spricht in seinen psychologischen Bedingungen im wesent- lichen einem einfachen Willensvorgang: der Sinneseindruck wird bei ihm als einfaches Motiv benutzt, dem eine be- stimmte Handlung eindeutig zugeordnet ist. Trifft man nun mittelst graphischer oder irgend welcher anderer zeitmessen- der Hülfsmittel die Einrichtung, dass die Zeit von der Ein- wirkung des Reizes an bis zum Moment der Ausführung der Reactionsbewegung objectiv gemessen wird, so ist es da- durch möglich, in oft wiederholten Versuchen gleicher Art sich die subjectiven Vorgänge, die den ganzen Reactions- process zusammensetzen, genau zu vergegenwärtigen, wäh- rend zugleich in den objectiven Ergebnissen der Zeitmessung ein Controlmittel für die Constanz wie für die etwaigen Ab- weichungen jener subjectiven Vorgänge zur Verfügung steht. Von diesem Controlmittel macht man namentlich auch in den Fällen Gebrauch, wo absichtlich irgend eine Bedingung des Versuchs und dadurch der subjective Verlauf des Willens- vorgangs selbst verändert wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/248
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/248>, abgerufen am 06.05.2024.