Als letzte Gefühlscomponenten ergeben sich hierbei stets einfache sinnliche Gefühle; doch können einzelne der letz- teren zunächst eine partielle Resultante bilden, die dann als zusammengesetzte Componente in das ganze Gefühl eingeht.
Jedes zusammengesetzte Gefühl lässt sich somit zer- legen: 1) in ein aus der Verbindung aller seiner Bestand- theile resultirendes Totalgefühl, und 2) in die einzelnen Partialgefühle, welche die Componenten dieses Totalge- fühls bilden, und welche wieder in Partialgefühle verschie- dener Ordnung zerfallen, je nachdem sie aus einfachen sinn- lichen Gefühlen bestehen (Partialgefühle erster Ordnung oder selbst schon Totalgefühle sind Partialgefühle zweiter und höherer Ordnung). Wo Partialgefühle höherer Ordnung vor- kommen, können dann außerdem mehrseitige Verbindungen oder Verwebungen der in sie eingehenden Elemente statt- finden, indem das nämliche Partialgefühl niederer Ordnung gleichzeitig in mehrere Partialgefühle höherer Ordnung ein- geht. Durch solche Verwebungen kann der Aufbau des Totalgefühls ein äußerst verwickelter werden; und zugleich kann dasselbe trotz der unveränderten Beschaffenheit seiner Elemente einen variabeln Charakter annehmen, je nachdem die eine oder andere der möglichen Verwebungen der Par- tialgefühle vorwiegt.
3a. So entspricht z. B. dem musikalischen Dreiklang c e g ein Totalgefühl der Harmonie, dessen letzte Elemente als Partial- gefühle erster Ordnung die den einzelnen Klängen c, e und g entsprechenden Klanggefühle sind. Zwischen ihnen und dem resul- tirenden Totalgefühl stehen aber als Partialgefühle zweiter Ord- nung die drei harmonischen Zweiklanggefühle c e, e g und c g, und je nachdem entweder eines derselben überwiegt oder sämmt- liche in annähernd gleicher Stärke auftreten, hat demnach auch der Charakter des Totalgefühls in diesem Fall eine vierfach ver- schiedene Nuance. Ein Anlass zum Ueberwiegen irgend eines complexen Partialgefühls kann bald in der größeren Intensität
II. Die psychischen Gebilde.
Als letzte Gefühlscomponenten ergeben sich hierbei stets einfache sinnliche Gefühle; doch können einzelne der letz- teren zunächst eine partielle Resultante bilden, die dann als zusammengesetzte Componente in das ganze Gefühl eingeht.
Jedes zusammengesetzte Gefühl lässt sich somit zer- legen: 1) in ein aus der Verbindung aller seiner Bestand- theile resultirendes Totalgefühl, und 2) in die einzelnen Partialgefühle, welche die Componenten dieses Totalge- fühls bilden, und welche wieder in Partialgefühle verschie- dener Ordnung zerfallen, je nachdem sie aus einfachen sinn- lichen Gefühlen bestehen (Partialgefühle erster Ordnung oder selbst schon Totalgefühle sind Partialgefühle zweiter und höherer Ordnung). Wo Partialgefühle höherer Ordnung vor- kommen, können dann außerdem mehrseitige Verbindungen oder Verwebungen der in sie eingehenden Elemente statt- finden, indem das nämliche Partialgefühl niederer Ordnung gleichzeitig in mehrere Partialgefühle höherer Ordnung ein- geht. Durch solche Verwebungen kann der Aufbau des Totalgefühls ein äußerst verwickelter werden; und zugleich kann dasselbe trotz der unveränderten Beschaffenheit seiner Elemente einen variabeln Charakter annehmen, je nachdem die eine oder andere der möglichen Verwebungen der Par- tialgefühle vorwiegt.
3a. So entspricht z. B. dem musikalischen Dreiklang c e g ein Totalgefühl der Harmonie, dessen letzte Elemente als Partial- gefühle erster Ordnung die den einzelnen Klängen c, e und g entsprechenden Klanggefühle sind. Zwischen ihnen und dem resul- tirenden Totalgefühl stehen aber als Partialgefühle zweiter Ord- nung die drei harmonischen Zweiklanggefühle c e, e g und c g, und je nachdem entweder eines derselben überwiegt oder sämmt- liche in annähernd gleicher Stärke auftreten, hat demnach auch der Charakter des Totalgefühls in diesem Fall eine vierfach ver- schiedene Nuance. Ein Anlass zum Ueberwiegen irgend eines complexen Partialgefühls kann bald in der größeren Intensität
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II. Die psychischen Gebilde.
Als letzte Gefühlscomponenten ergeben sich hierbei stets
einfache sinnliche Gefühle; doch können einzelne der letz-
teren zunächst eine partielle Resultante bilden, die dann als
zusammengesetzte Componente in das ganze Gefühl eingeht.
Jedes zusammengesetzte Gefühl lässt sich somit zer-
legen: 1) in ein aus der Verbindung aller seiner Bestand-
theile resultirendes Totalgefühl, und 2) in die einzelnen
Partialgefühle, welche die Componenten dieses Totalge-
fühls bilden, und welche wieder in Partialgefühle verschie-
dener Ordnung zerfallen, je nachdem sie aus einfachen sinn-
lichen Gefühlen bestehen (Partialgefühle erster Ordnung oder
selbst schon Totalgefühle sind Partialgefühle zweiter und
höherer Ordnung). Wo Partialgefühle höherer Ordnung vor-
kommen, können dann außerdem mehrseitige Verbindungen
oder Verwebungen der in sie eingehenden Elemente statt-
finden, indem das nämliche Partialgefühl niederer Ordnung
gleichzeitig in mehrere Partialgefühle höherer Ordnung ein-
geht. Durch solche Verwebungen kann der Aufbau des
Totalgefühls ein äußerst verwickelter werden; und zugleich
kann dasselbe trotz der unveränderten Beschaffenheit seiner
Elemente einen variabeln Charakter annehmen, je nachdem
die eine oder andere der möglichen Verwebungen der Par-
tialgefühle vorwiegt.
3a. So entspricht z. B. dem musikalischen Dreiklang c e g
ein Totalgefühl der Harmonie, dessen letzte Elemente als Partial-
gefühle erster Ordnung die den einzelnen Klängen c, e und g
entsprechenden Klanggefühle sind. Zwischen ihnen und dem resul-
tirenden Totalgefühl stehen aber als Partialgefühle zweiter Ord-
nung die drei harmonischen Zweiklanggefühle c e, e g und c g,
und je nachdem entweder eines derselben überwiegt oder sämmt-
liche in annähernd gleicher Stärke auftreten, hat demnach auch
der Charakter des Totalgefühls in diesem Fall eine vierfach ver-
schiedene Nuance. Ein Anlass zum Ueberwiegen irgend eines
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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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