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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 10. Die räumlichen Vorstellungen.
vorstellungen, in wechselnde Entfernungen vom vorstellen-
den Subjecte verlegt.

14. Hiernach lässt sich jede Gesichtsvorstellung hinsicht-
lich ihrer räumlichen Eigenschaften in zwei Factoren zer-
legen: 1) in die Orientirung der einzelnen Elemente einer
Vorstellung zu einander, und 2) in ihre Orientirung zum
vorstellenden Subjecte. Schon die Vorstellung eines einzigen
Lichtpunktes enthält diese beiden Factoren; denn wir müssen
uns den Punkt stets in irgend einer räumlichen Umgebung
und in irgend einem Richtungs- und Entfernungverhältniss
zu uns selber vorstellen. Auch können diese Factoren nur
durch eine willkürliche Abstraction, nie aber in Wirklichkeit
von einander gesondert werden, da durch das Verhältniss,
in welchem irgend ein räumlicher Punkt zu seiner Umgebung
steht, regelmäßig auch sein Verhältniss zu dem vorstellen-
den Subjecte bestimmt wird. Aus dieser Abhängigkeit ergibt
sich zugleich, dass die Analyse der Gesichtsvorstellungen
zweckmäßig von dem ersten der beiden oben erwähnten
Factoren, nämlich von der wechselseitigen Orientirung der
Elemente eines Vorstellungsgebildes, ausgehen wird, um
dann erst den zweiten Factor, die Orientirung des Gebildes
zum Vorstellenden, in Betracht zu ziehen.

a. Die wechselseitige Orientirung der Elemente
einer Gesichtsvorstellung
.

15. Bei der Auffassung des Verhältnisses der Elemente
einer Gesichtsvorstellung zu einander wiederholen sich durch-
aus, nur in feinerer Ausbildung und mit einigen für die
Gesichtsvorstellungen bedeutsamen Modificationen, die Eigen-
schaften des Tastsinnes. Auch hier verbinden wir mit einem
möglichst einfachen, nahehin punktförmigen Eindruck un-
mittelbar die Vorstellung eines ihm zukommenden Ortes
im Raume, weisen ihm also ein bestimmtes Lageverhältniss

§ 10. Die räumlichen Vorstellungen.
vorstellungen, in wechselnde Entfernungen vom vorstellen-
den Subjecte verlegt.

14. Hiernach lässt sich jede Gesichtsvorstellung hinsicht-
lich ihrer räumlichen Eigenschaften in zwei Factoren zer-
legen: 1) in die Orientirung der einzelnen Elemente einer
Vorstellung zu einander, und 2) in ihre Orientirung zum
vorstellenden Subjecte. Schon die Vorstellung eines einzigen
Lichtpunktes enthält diese beiden Factoren; denn wir müssen
uns den Punkt stets in irgend einer räumlichen Umgebung
und in irgend einem Richtungs- und Entfernungverhältniss
zu uns selber vorstellen. Auch können diese Factoren nur
durch eine willkürliche Abstraction, nie aber in Wirklichkeit
von einander gesondert werden, da durch das Verhältniss,
in welchem irgend ein räumlicher Punkt zu seiner Umgebung
steht, regelmäßig auch sein Verhältniss zu dem vorstellen-
den Subjecte bestimmt wird. Aus dieser Abhängigkeit ergibt
sich zugleich, dass die Analyse der Gesichtsvorstellungen
zweckmäßig von dem ersten der beiden oben erwähnten
Factoren, nämlich von der wechselseitigen Orientirung der
Elemente eines Vorstellungsgebildes, ausgehen wird, um
dann erst den zweiten Factor, die Orientirung des Gebildes
zum Vorstellenden, in Betracht zu ziehen.

a. Die wechselseitige Orientirung der Elemente
einer Gesichtsvorstellung
.

15. Bei der Auffassung des Verhältnisses der Elemente
einer Gesichtsvorstellung zu einander wiederholen sich durch-
aus, nur in feinerer Ausbildung und mit einigen für die
Gesichtsvorstellungen bedeutsamen Modificationen, die Eigen-
schaften des Tastsinnes. Auch hier verbinden wir mit einem
möglichst einfachen, nahehin punktförmigen Eindruck un-
mittelbar die Vorstellung eines ihm zukommenden Ortes
im Raume, weisen ihm also ein bestimmtes Lageverhältniss

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[137/0153] § 10. Die räumlichen Vorstellungen. vorstellungen, in wechselnde Entfernungen vom vorstellen- den Subjecte verlegt. 14. Hiernach lässt sich jede Gesichtsvorstellung hinsicht- lich ihrer räumlichen Eigenschaften in zwei Factoren zer- legen: 1) in die Orientirung der einzelnen Elemente einer Vorstellung zu einander, und 2) in ihre Orientirung zum vorstellenden Subjecte. Schon die Vorstellung eines einzigen Lichtpunktes enthält diese beiden Factoren; denn wir müssen uns den Punkt stets in irgend einer räumlichen Umgebung und in irgend einem Richtungs- und Entfernungverhältniss zu uns selber vorstellen. Auch können diese Factoren nur durch eine willkürliche Abstraction, nie aber in Wirklichkeit von einander gesondert werden, da durch das Verhältniss, in welchem irgend ein räumlicher Punkt zu seiner Umgebung steht, regelmäßig auch sein Verhältniss zu dem vorstellen- den Subjecte bestimmt wird. Aus dieser Abhängigkeit ergibt sich zugleich, dass die Analyse der Gesichtsvorstellungen zweckmäßig von dem ersten der beiden oben erwähnten Factoren, nämlich von der wechselseitigen Orientirung der Elemente eines Vorstellungsgebildes, ausgehen wird, um dann erst den zweiten Factor, die Orientirung des Gebildes zum Vorstellenden, in Betracht zu ziehen. a. Die wechselseitige Orientirung der Elemente einer Gesichtsvorstellung. 15. Bei der Auffassung des Verhältnisses der Elemente einer Gesichtsvorstellung zu einander wiederholen sich durch- aus, nur in feinerer Ausbildung und mit einigen für die Gesichtsvorstellungen bedeutsamen Modificationen, die Eigen- schaften des Tastsinnes. Auch hier verbinden wir mit einem möglichst einfachen, nahehin punktförmigen Eindruck un- mittelbar die Vorstellung eines ihm zukommenden Ortes im Raume, weisen ihm also ein bestimmtes Lageverhältniss

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/153>, abgerufen am 06.05.2024.