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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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II. Die psychischen Gebilde.
zurück gegenüber den von den Gelenken, Sehnen und Mus-
keln ausgehenden inneren Tastempfindungen.

Beim sehenden Menschen kommen diese Lagevorstel-
lungen, wie man leicht beobachten kann, dadurch zu Stande,
dass die durch den Zustand des bewegten Theiles erzeugten
Empfindungen auch bei geschlossenen oder abgekehrten
Augen ein dunkles Gesichtsbild jenes Theiles mit dem ihn
umgebenden Raume erwecken. Diese Verbindung ist eine
so innige, dass sie selbst zwischen den bloßen Erinnerungs-
bildern der inneren Tastempfindungen und der entsprechen-
den Gesichtsvorstellung eintreten kann, wie man bei Ge-
lähmten beobachtet, bei denen zuweilen der bloße Wille, eine
bestimmte Bewegung auszuführen, die Vorstellung der wirk-
lich ausgeführten Bewegung erweckt. Augenscheinlich be-
ruhen daher die Vorstellungen eigener Bewegungen beim
Sehenden auf analogen unvollkommenen Verschmelzungen
wie die äußeren räumlichen Tastvorstellungen: nur spielen
in diesem Fall die inneren Tastempfindungen die nämliche
Rolle wie dort die äußeren. Dies führt zu der Annahme, dass
auch den inneren Tastempfindungen Localzeichen zukommen,
d. h. dass die in den verschiedenen Gelenken, Sehnen, Mus-
keln vorkommenden Empfindungen bestimmte local abgestufte
Unterschiede zeigen. In der That scheint das die Selbst-
beobachtung zu bestätigen. Wenn wir abwechselnd das Knie-,
das Oberschenkel-, das Oberarmgelenk u. s. w. oder auch nur
das gleiche Gelenk der rechten und der linken Körperseite
bewegen, so scheint, abgesehen von der nie ganz zu unter-
drückenden Verbindung mit dem Gesichtsbild des Körpertheils,
jedesmal die Qualität der Empfindung leise zu variiren. Auch
ist nicht einzusehen, wie es ohne solche Unterschiede zur
Entstehung jenes begleitenden Gesichtsbildes kommen sollte.
es sei denn, dass man der Seele nicht nur eine angeborene
Vorstellung des Raumes, sondern auch ein angeborenes

II. Die psychischen Gebilde.
zurück gegenüber den von den Gelenken, Sehnen und Mus-
keln ausgehenden inneren Tastempfindungen.

Beim sehenden Menschen kommen diese Lagevorstel-
lungen, wie man leicht beobachten kann, dadurch zu Stande,
dass die durch den Zustand des bewegten Theiles erzeugten
Empfindungen auch bei geschlossenen oder abgekehrten
Augen ein dunkles Gesichtsbild jenes Theiles mit dem ihn
umgebenden Raume erwecken. Diese Verbindung ist eine
so innige, dass sie selbst zwischen den bloßen Erinnerungs-
bildern der inneren Tastempfindungen und der entsprechen-
den Gesichtsvorstellung eintreten kann, wie man bei Ge-
lähmten beobachtet, bei denen zuweilen der bloße Wille, eine
bestimmte Bewegung auszuführen, die Vorstellung der wirk-
lich ausgeführten Bewegung erweckt. Augenscheinlich be-
ruhen daher die Vorstellungen eigener Bewegungen beim
Sehenden auf analogen unvollkommenen Verschmelzungen
wie die äußeren räumlichen Tastvorstellungen: nur spielen
in diesem Fall die inneren Tastempfindungen die nämliche
Rolle wie dort die äußeren. Dies führt zu der Annahme, dass
auch den inneren Tastempfindungen Localzeichen zukommen,
d. h. dass die in den verschiedenen Gelenken, Sehnen, Mus-
keln vorkommenden Empfindungen bestimmte local abgestufte
Unterschiede zeigen. In der That scheint das die Selbst-
beobachtung zu bestätigen. Wenn wir abwechselnd das Knie-,
das Oberschenkel-, das Oberarmgelenk u. s. w. oder auch nur
das gleiche Gelenk der rechten und der linken Körperseite
bewegen, so scheint, abgesehen von der nie ganz zu unter-
drückenden Verbindung mit dem Gesichtsbild des Körpertheils,
jedesmal die Qualität der Empfindung leise zu variiren. Auch
ist nicht einzusehen, wie es ohne solche Unterschiede zur
Entstehung jenes begleitenden Gesichtsbildes kommen sollte.
es sei denn, dass man der Seele nicht nur eine angeborene
Vorstellung des Raumes, sondern auch ein angeborenes

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[132/0148] II. Die psychischen Gebilde. zurück gegenüber den von den Gelenken, Sehnen und Mus- keln ausgehenden inneren Tastempfindungen. Beim sehenden Menschen kommen diese Lagevorstel- lungen, wie man leicht beobachten kann, dadurch zu Stande, dass die durch den Zustand des bewegten Theiles erzeugten Empfindungen auch bei geschlossenen oder abgekehrten Augen ein dunkles Gesichtsbild jenes Theiles mit dem ihn umgebenden Raume erwecken. Diese Verbindung ist eine so innige, dass sie selbst zwischen den bloßen Erinnerungs- bildern der inneren Tastempfindungen und der entsprechen- den Gesichtsvorstellung eintreten kann, wie man bei Ge- lähmten beobachtet, bei denen zuweilen der bloße Wille, eine bestimmte Bewegung auszuführen, die Vorstellung der wirk- lich ausgeführten Bewegung erweckt. Augenscheinlich be- ruhen daher die Vorstellungen eigener Bewegungen beim Sehenden auf analogen unvollkommenen Verschmelzungen wie die äußeren räumlichen Tastvorstellungen: nur spielen in diesem Fall die inneren Tastempfindungen die nämliche Rolle wie dort die äußeren. Dies führt zu der Annahme, dass auch den inneren Tastempfindungen Localzeichen zukommen, d. h. dass die in den verschiedenen Gelenken, Sehnen, Mus- keln vorkommenden Empfindungen bestimmte local abgestufte Unterschiede zeigen. In der That scheint das die Selbst- beobachtung zu bestätigen. Wenn wir abwechselnd das Knie-, das Oberschenkel-, das Oberarmgelenk u. s. w. oder auch nur das gleiche Gelenk der rechten und der linken Körperseite bewegen, so scheint, abgesehen von der nie ganz zu unter- drückenden Verbindung mit dem Gesichtsbild des Körpertheils, jedesmal die Qualität der Empfindung leise zu variiren. Auch ist nicht einzusehen, wie es ohne solche Unterschiede zur Entstehung jenes begleitenden Gesichtsbildes kommen sollte. es sei denn, dass man der Seele nicht nur eine angeborene Vorstellung des Raumes, sondern auch ein angeborenes

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/148>, abgerufen am 23.11.2024.