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Woyt, Johann Jacob: Gazophylacium Medico-Physicum, Oder Schatz-Kammer Medicinisch- und Natürlicher Dinge. 9. Aufl. Leipzig, 1737.

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bald eine Inflammation und Geschwulst etc. dabey. Alle diese Umstände
muß ein Chirurgus wohl erwegen, denn sie ihren sonderlichen Nutzen in
Praxi haben. Die wahren und vollkommenen Fracturae werden erkannt,
wenn das Theil ungleich ist, oder Hölen oder Vorragungen hat, item wenn
man das Bein mit der Haut tractiret, und solches ein Geräusch giebet,
wenn es von der natürlichen Figur abweichet, und man sich nicht drauf
lehnen kan, wegen Schmertz und an dem Ort bald folgender Geschwulst.
Wenn aber die Fractura, sonderlich ein Qver-Bruch mit einer Wunde ist,
kan man es alsofort mit den Fingern oder Sucher erforschen; allein eine
Fissur kan nicht anders, als aus einer Ungleichheit des Beins, in der Länge,
Schmertz und darzu kommenden Geschwulst gemuthmasset werden. Die
Alten glaubten, daß nur allein von einer äusserlichen Gewaltthätigkeit
Bein-Brüche geschähen, als vom Schlagen, Stossen, Fallen etc. allein die
Miscell. Nat. Curios. Dec. V. Ann. II. Observ. 225. und Muralt. Chirurg.
Observ. 158. p. 461. sq.
zeugen, daß auch Hände und Füsse von einer star-
cken Convulsion dieser Glieder, gebrochen. Die Cur gehet bey jungen
Leuten, und wo der Bruch die Länge ist, oder nur eine Fissur, item wenn
kleine Knochen gebrochen, gut von statten. Eine grössere Schwierigkeit aber
findet man (1) an grossen Beinen, (2) nah am Gelencke mit einer Laesion der
andern empfindlichen Theile, (3) wenn zugleich eine Luxation ist, (4) bey
Schwangern oder Krancken, (5) bey Alten, und wenn sie im Winter ge-
schehen, und (6) wenn der Chirurgus etwas langsam zur Cur geruffen wor-
den. Nichts desto weniger muß man auch in diesen Fällen nichts unter-
lassen, sondern, so geschwind es geschehen kan, die Theile des zerbrochenen
Beins in den eigenen und natürlichen Sitz bringen und configuriren, da-
mit nicht die aus Verzögerung zuschlagende Geschwulst und Inflamma-
tion
nach diesem hinderlich fallen. Solches wird man nach Wunsch mit
einer künstlichen Application der Hände, Betasten, gelinde zusammen
drücken, oder mit dem Chirurgischen Instrument, Glossocomium genannt,
verrichten. Anders aber gehet es zu, wo bey dem Bein-Bruch auch
eine Luxation ist, und eines unten, das andere oben stehet; wo in
solchem Fall nicht eine gebührende Extension des afficirten Theils ge-
schiehet, so ist niemalen eine vollkommene Vereinigung des Beins zu
hoffen. Wenn aber auch einige Stücke gar abgeschiefert sind, und sich
nicht wollen vereinigen lassen, so müssen sie alsofort, auch bey der ersten
Verbindung weggenommen, ja wenn auch keine Wunde dabey, oder die
Labia derselben nicht weit gnung von einander sind, durch eine Incision ge-

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FR
bald eine Inflammation und Geſchwulſt ꝛc. dabey. Alle dieſe Umſtaͤnde
muß ein Chirurgus wohl erwegen, denn ſie ihren ſonderlichen Nutzen in
Praxi haben. Die wahren und vollkommenen Fracturæ werden erkannt,
wenn das Theil ungleich iſt, oder Hoͤlen oder Vorragungen hat, item wenn
man das Bein mit der Haut tractiret, und ſolches ein Geraͤuſch giebet,
wenn es von der natuͤrlichen Figur abweichet, und man ſich nicht drauf
lehnen kan, wegen Schmertz und an dem Ort bald folgender Geſchwulſt.
Wenn aber die Fractura, ſonderlich ein Qver-Bruch mit einer Wunde iſt,
kan man es alſofort mit den Fingern oder Sucher erforſchen; allein eine
Fiſſur kan nicht anders, als aus einer Ungleichheit des Beins, in der Laͤnge,
Schmertz und darzu kommenden Geſchwulſt gemuthmaſſet werden. Die
Alten glaubten, daß nur allein von einer aͤuſſerlichen Gewaltthaͤtigkeit
Bein-Bruͤche geſchaͤhen, als vom Schlagen, Stoſſen, Fallen ꝛc. allein die
Miſcell. Nat. Curioſ. Dec. V. Ann. II. Obſerv. 225. und Muralt. Chirurg.
Obſerv. 158. p. 461. ſq.
zeugen, daß auch Haͤnde und Fuͤſſe von einer ſtar-
cken Convulſion dieſer Glieder, gebrochen. Die Cur gehet bey jungen
Leuten, und wo der Bruch die Laͤnge iſt, oder nur eine Fiſſur, item wenn
kleine Knochen gebrochen, gut von ſtatten. Eine groͤſſere Schwierigkeit aber
findet man (1) an groſſen Beinen, (2) nah am Gelencke mit einer Læſion der
andern empfindlichen Theile, (3) wenn zugleich eine Luxation iſt, (4) bey
Schwangern oder Krancken, (5) bey Alten, und wenn ſie im Winter ge-
ſchehen, und (6) wenn der Chirurgus etwas langſam zur Cur geruffen wor-
den. Nichts deſto weniger muß man auch in dieſen Faͤllen nichts unter-
laſſen, ſondern, ſo geſchwind es geſchehen kan, die Theile des zerbrochenen
Beins in den eigenen und natuͤrlichen Sitz bringen und configuriren, da-
mit nicht die aus Verzoͤgerung zuſchlagende Geſchwulſt und Inflamma-
tion
nach dieſem hinderlich fallen. Solches wird man nach Wunſch mit
einer kuͤnſtlichen Application der Haͤnde, Betaſten, gelinde zuſammen
druͤcken, oder mit dem Chirurgiſchen Inſtrument, Gloſſocomium genannt,
verrichten. Anders aber gehet es zu, wo bey dem Bein-Bruch auch
eine Luxation iſt, und eines unten, das andere oben ſtehet; wo in
ſolchem Fall nicht eine gebuͤhrende Extenſion des afficirten Theils ge-
ſchiehet, ſo iſt niemalen eine vollkommene Vereinigung des Beins zu
hoffen. Wenn aber auch einige Stuͤcke gar abgeſchiefert ſind, und ſich
nicht wollen vereinigen laſſen, ſo muͤſſen ſie alſofort, auch bey der erſten
Verbindung weggenommen, ja wenn auch keine Wunde dabey, oder die
Labia derſelben nicht weit gnung von einander ſind, durch eine Inciſion ge-

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[371/0383] FR bald eine Inflammation und Geſchwulſt ꝛc. dabey. Alle dieſe Umſtaͤnde muß ein Chirurgus wohl erwegen, denn ſie ihren ſonderlichen Nutzen in Praxi haben. Die wahren und vollkommenen Fracturæ werden erkannt, wenn das Theil ungleich iſt, oder Hoͤlen oder Vorragungen hat, item wenn man das Bein mit der Haut tractiret, und ſolches ein Geraͤuſch giebet, wenn es von der natuͤrlichen Figur abweichet, und man ſich nicht drauf lehnen kan, wegen Schmertz und an dem Ort bald folgender Geſchwulſt. Wenn aber die Fractura, ſonderlich ein Qver-Bruch mit einer Wunde iſt, kan man es alſofort mit den Fingern oder Sucher erforſchen; allein eine Fiſſur kan nicht anders, als aus einer Ungleichheit des Beins, in der Laͤnge, Schmertz und darzu kommenden Geſchwulſt gemuthmaſſet werden. Die Alten glaubten, daß nur allein von einer aͤuſſerlichen Gewaltthaͤtigkeit Bein-Bruͤche geſchaͤhen, als vom Schlagen, Stoſſen, Fallen ꝛc. allein die Miſcell. Nat. Curioſ. Dec. V. Ann. II. Obſerv. 225. und Muralt. Chirurg. Obſerv. 158. p. 461. ſq. zeugen, daß auch Haͤnde und Fuͤſſe von einer ſtar- cken Convulſion dieſer Glieder, gebrochen. Die Cur gehet bey jungen Leuten, und wo der Bruch die Laͤnge iſt, oder nur eine Fiſſur, item wenn kleine Knochen gebrochen, gut von ſtatten. Eine groͤſſere Schwierigkeit aber findet man (1) an groſſen Beinen, (2) nah am Gelencke mit einer Læſion der andern empfindlichen Theile, (3) wenn zugleich eine Luxation iſt, (4) bey Schwangern oder Krancken, (5) bey Alten, und wenn ſie im Winter ge- ſchehen, und (6) wenn der Chirurgus etwas langſam zur Cur geruffen wor- den. Nichts deſto weniger muß man auch in dieſen Faͤllen nichts unter- laſſen, ſondern, ſo geſchwind es geſchehen kan, die Theile des zerbrochenen Beins in den eigenen und natuͤrlichen Sitz bringen und configuriren, da- mit nicht die aus Verzoͤgerung zuſchlagende Geſchwulſt und Inflamma- tion nach dieſem hinderlich fallen. Solches wird man nach Wunſch mit einer kuͤnſtlichen Application der Haͤnde, Betaſten, gelinde zuſammen druͤcken, oder mit dem Chirurgiſchen Inſtrument, Gloſſocomium genannt, verrichten. Anders aber gehet es zu, wo bey dem Bein-Bruch auch eine Luxation iſt, und eines unten, das andere oben ſtehet; wo in ſolchem Fall nicht eine gebuͤhrende Extenſion des afficirten Theils ge- ſchiehet, ſo iſt niemalen eine vollkommene Vereinigung des Beins zu hoffen. Wenn aber auch einige Stuͤcke gar abgeſchiefert ſind, und ſich nicht wollen vereinigen laſſen, ſo muͤſſen ſie alſofort, auch bey der erſten Verbindung weggenommen, ja wenn auch keine Wunde dabey, oder die Labia derſelben nicht weit gnung von einander ſind, durch eine Inciſion ge- oͤffnet A a a 2

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Zitationshilfe: Woyt, Johann Jacob: Gazophylacium Medico-Physicum, Oder Schatz-Kammer Medicinisch- und Natürlicher Dinge. 9. Aufl. Leipzig, 1737, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/woyt_gazophylacium_1737/383>, abgerufen am 19.04.2024.