Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



ger, meine Untergebnen, meine Obere, meinen
Ehegatten, meine Kinder oder Freunde, gegen
irgend einen meiner Nebenmenschen, mit dem
ich in Verbindung stand, verführt! bin ich in
der Tugend weiter fortgerückt, oder zurückege-
gangen? hab ich böse Gewohnheiten und Lieblings-
sünden abgelegt, oder neue angenommen? bin
ich an guten Thaten reicher oder ärmer gewor-
den? -- Heuchle dir nicht selbst, mein Herz!
du stehst hier schon vor dem Angesichte des un-
sichtbaren und allwißenden Gottes: antworte dir
so aufrichtig und unparteiisch, wie du an jenem
Tage die Rechnung vor deinem Richter ablegen
must; so aufrichtig und unparteiisch, als stün-
dest du izt schon dort oben vor seinem Throne
und sähest ihn von Angesichte zu Angesichte, be-
reit, deine Rechnung aufzunehmen.

Ja, du siehest mich, mein Gott, und
kennest mein Herz! lehre du selbst es in seine Tie-
sen schaun, die es sich nur gar zu gern verbirgt.
Nur reine Herzen, werden nach der lezten To-
desdunkelheit, dich Gott, von Angesicht zu An-
gesicht mit Freuden schaun. Schaffe selbst in
mir ein reines Herz, und einen gewißen,
an
dir hangenden, nie von deinen Geboten wanken-

den



ger, meine Untergebnen, meine Obere, meinen
Ehegatten, meine Kinder oder Freunde, gegen
irgend einen meiner Nebenmenſchen, mit dem
ich in Verbindung ſtand, verführt! bin ich in
der Tugend weiter fortgerückt, oder zurückege-
gangen? hab ich böſe Gewohnheiten und Lieblings-
ſünden abgelegt, oder neue angenommen? bin
ich an guten Thaten reicher oder ärmer gewor-
den? — Heuchle dir nicht ſelbſt, mein Herz!
du ſtehſt hier ſchon vor dem Angeſichte des un-
ſichtbaren und allwißenden Gottes: antworte dir
ſo aufrichtig und unparteiiſch, wie du an jenem
Tage die Rechnung vor deinem Richter ablegen
muſt; ſo aufrichtig und unparteiiſch, als ſtün-
deſt du izt ſchon dort oben vor ſeinem Throne
und ſäheſt ihn von Angeſichte zu Angeſichte, be-
reit, deine Rechnung aufzunehmen.

Ja, du ſieheſt mich, mein Gott, und
kenneſt mein Herz! lehre du ſelbſt es in ſeine Tie-
ſen ſchaun, die es ſich nur gar zu gern verbirgt.
Nur reine Herzen, werden nach der lezten To-
desdunkelheit, dich Gott, von Angeſicht zu An-
geſicht mit Freuden ſchaun. Schaffe ſelbſt in
mir ein reines Herz, und einen gewißen,
an
dir hangenden, nie von deinen Geboten wanken-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0394" n="342"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ger, meine Untergebnen, meine Obere, meinen<lb/>
Ehegatten, meine Kinder oder Freunde, gegen<lb/>
irgend einen meiner Nebenmen&#x017F;chen, mit dem<lb/>
ich in Verbindung &#x017F;tand, verführt! bin ich in<lb/>
der Tugend weiter fortgerückt, oder zurückege-<lb/>
gangen? hab ich bö&#x017F;e Gewohnheiten und Lieblings-<lb/>
&#x017F;ünden abgelegt, oder neue angenommen? bin<lb/>
ich an guten Thaten reicher oder ärmer gewor-<lb/>
den? &#x2014; Heuchle dir nicht &#x017F;elb&#x017F;t, mein Herz!<lb/>
du &#x017F;teh&#x017F;t hier &#x017F;chon vor dem Ange&#x017F;ichte des un-<lb/>
&#x017F;ichtbaren und allwißenden Gottes: antworte dir<lb/>
&#x017F;o aufrichtig und unparteii&#x017F;ch, wie du an jenem<lb/>
Tage die Rechnung vor deinem Richter ablegen<lb/>
mu&#x017F;t; &#x017F;o aufrichtig und unparteii&#x017F;ch, als &#x017F;tün-<lb/>
de&#x017F;t du izt &#x017F;chon dort oben vor &#x017F;einem Throne<lb/>
und &#x017F;ähe&#x017F;t ihn von Ange&#x017F;ichte zu Ange&#x017F;ichte, be-<lb/>
reit, deine Rechnung aufzunehmen.</p><lb/>
        <p>Ja, du &#x017F;iehe&#x017F;t mich, mein Gott, und<lb/>
kenne&#x017F;t mein Herz! lehre du &#x017F;elb&#x017F;t es in &#x017F;eine Tie-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;chaun, die es &#x017F;ich nur gar zu gern verbirgt.<lb/>
Nur reine Herzen, werden nach der lezten To-<lb/>
desdunkelheit, dich Gott, von Ange&#x017F;icht zu An-<lb/>
ge&#x017F;icht mit Freuden &#x017F;chaun. <hi rendition="#fr">Schaffe &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
mir ein reines Herz, und einen gewißen,</hi> an<lb/>
dir hangenden, nie von deinen Geboten wanken-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0394] ger, meine Untergebnen, meine Obere, meinen Ehegatten, meine Kinder oder Freunde, gegen irgend einen meiner Nebenmenſchen, mit dem ich in Verbindung ſtand, verführt! bin ich in der Tugend weiter fortgerückt, oder zurückege- gangen? hab ich böſe Gewohnheiten und Lieblings- ſünden abgelegt, oder neue angenommen? bin ich an guten Thaten reicher oder ärmer gewor- den? — Heuchle dir nicht ſelbſt, mein Herz! du ſtehſt hier ſchon vor dem Angeſichte des un- ſichtbaren und allwißenden Gottes: antworte dir ſo aufrichtig und unparteiiſch, wie du an jenem Tage die Rechnung vor deinem Richter ablegen muſt; ſo aufrichtig und unparteiiſch, als ſtün- deſt du izt ſchon dort oben vor ſeinem Throne und ſäheſt ihn von Angeſichte zu Angeſichte, be- reit, deine Rechnung aufzunehmen. Ja, du ſieheſt mich, mein Gott, und kenneſt mein Herz! lehre du ſelbſt es in ſeine Tie- ſen ſchaun, die es ſich nur gar zu gern verbirgt. Nur reine Herzen, werden nach der lezten To- desdunkelheit, dich Gott, von Angeſicht zu An- geſicht mit Freuden ſchaun. Schaffe ſelbſt in mir ein reines Herz, und einen gewißen, an dir hangenden, nie von deinen Geboten wanken- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/394
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/394>, abgerufen am 28.06.2024.