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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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Tod ein Bote des Friedens, das Grab ein
Hafen der Ruhe, die Ewigkeit ein Gefilde der
unaussprechlichsten Wonne Der Sünder zit-
tert vor dem lezten Abend seines Lebens, wie
ein schüchternes Kind vor der dicken Finsterniß:
der Fromme, fühlt sich wohl, wenu die Nacht
hereinbricht, in der er nicht mehr, unter Ar-
beit und Beschwerde, für die Ewigkeit würken
darf; gleich dem Müden, der von seiner Arbeit
ruht.

Frage dich, mein Herz, an diesein lezten
Abend des verlaufnen Jahres: mit welchen Em-
pfindungen, Wünschen, Erwartungen, siehst
du dem lezten Abend deines Lebens entgegen?
Wie? wenn sie beide diesmal nur eins wären?
wenn, dir unbewust, schon ein tödtliches Gift
in deinen Adern schliche, das dich noch in der
lezten Minute dieser Nacht in jene ewige Nacht
versenkte? Aber, noch lebst du doch; noch fühlst
du Kräfte nachzudenken, Begierden zu wün-
schen. Jn welchem Gesichtspuncte würdest du
dein irdisches Leben ansehn, wenn du es izt be-
schließen solltest? Welche Begebenheiten, Ver-
änderungen, Geschäfte, würden dir alsdenn am
meisten am Herzen liegen? Denke dir: -- du

stün-



Tod ein Bote des Friedens, das Grab ein
Hafen der Ruhe, die Ewigkeit ein Gefilde der
unausſprechlichſten Wonne Der Sünder zit-
tert vor dem lezten Abend ſeines Lebens, wie
ein ſchüchternes Kind vor der dicken Finſterniß:
der Fromme, fühlt ſich wohl, wenu die Nacht
hereinbricht, in der er nicht mehr, unter Ar-
beit und Beſchwerde, für die Ewigkeit würken
darf; gleich dem Müden, der von ſeiner Arbeit
ruht.

Frage dich, mein Herz, an dieſein lezten
Abend des verlaufnen Jahres: mit welchen Em-
pfindungen, Wünſchen, Erwartungen, ſiehſt
du dem lezten Abend deines Lebens entgegen?
Wie? wenn ſie beide diesmal nur eins wären?
wenn, dir unbewuſt, ſchon ein tödtliches Gift
in deinen Adern ſchliche, das dich noch in der
lezten Minute dieſer Nacht in jene ewige Nacht
verſenkte? Aber, noch lebſt du doch; noch fühlſt
du Kräfte nachzudenken, Begierden zu wün-
ſchen. Jn welchem Geſichtspuncte würdeſt du
dein irdiſches Leben anſehn, wenn du es izt be-
ſchließen ſollteſt? Welche Begebenheiten, Ver-
änderungen, Geſchäfte, würden dir alsdenn am
meiſten am Herzen liegen? Denke dir: — du

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[340/0392] Tod ein Bote des Friedens, das Grab ein Hafen der Ruhe, die Ewigkeit ein Gefilde der unausſprechlichſten Wonne Der Sünder zit- tert vor dem lezten Abend ſeines Lebens, wie ein ſchüchternes Kind vor der dicken Finſterniß: der Fromme, fühlt ſich wohl, wenu die Nacht hereinbricht, in der er nicht mehr, unter Ar- beit und Beſchwerde, für die Ewigkeit würken darf; gleich dem Müden, der von ſeiner Arbeit ruht. Frage dich, mein Herz, an dieſein lezten Abend des verlaufnen Jahres: mit welchen Em- pfindungen, Wünſchen, Erwartungen, ſiehſt du dem lezten Abend deines Lebens entgegen? Wie? wenn ſie beide diesmal nur eins wären? wenn, dir unbewuſt, ſchon ein tödtliches Gift in deinen Adern ſchliche, das dich noch in der lezten Minute dieſer Nacht in jene ewige Nacht verſenkte? Aber, noch lebſt du doch; noch fühlſt du Kräfte nachzudenken, Begierden zu wün- ſchen. Jn welchem Geſichtspuncte würdeſt du dein irdiſches Leben anſehn, wenn du es izt be- ſchließen ſollteſt? Welche Begebenheiten, Ver- änderungen, Geſchäfte, würden dir alsdenn am meiſten am Herzen liegen? Denke dir: — du ſtün-

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/392>, abgerufen am 28.09.2024.