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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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Schmeichelnd ladet es uns ein.
Doch es führt zur dürren Wüste,
Wo der Freudenquell versiegt,
Der so reizend uns betrügt.

Sammle dich, zerstreuter Geist;
Gott allein sey dein Verlangen!
Fliehe, was dich ihm eutreißt,
Ungetheilt ihm anzuhangen!
Seine Liebe täuscht dich nicht;
Sie giebt Seligkeit und Licht.
Gott, ich beuge mich vor dir:
Ach! wie viele meiner Stunden
Sind, im Traum des Eiteln, mir
Unersetzlich schon verschwunden! --
Jahre sind entflohn! -- wie viel
Bin ich näher meinem Ziel?
Sollt ich denn nicht eifriger
Nach dem Ziel der Tugend ringen?
Durch Beschwerden muthiger
Täglich fort zum Kleinod dringen,
Das am Ziel, für jene Welt,
Gott den Treuen aufbehält?
Warum hält, vom Ziel so fern,
Erdenlust mich denn gefangen?
Warum säumt mein Herz so gern
Nach dem Himmel zu verlangen?
Näher



Schmeichelnd ladet es uns ein.
Doch es führt zur dürren Wüſte,
Wo der Freudenquell verſiegt,
Der ſo reizend uns betrügt.

Sammle dich, zerſtreuter Geiſt;
Gott allein ſey dein Verlangen!
Fliehe, was dich ihm eutreißt,
Ungetheilt ihm anzuhangen!
Seine Liebe täuſcht dich nicht;
Sie giebt Seligkeit und Licht.
Gott, ich beuge mich vor dir:
Ach! wie viele meiner Stunden
Sind, im Traum des Eiteln, mir
Unerſetzlich ſchon verſchwunden! —
Jahre ſind entflohn! — wie viel
Bin ich näher meinem Ziel?
Sollt ich denn nicht eifriger
Nach dem Ziel der Tugend ringen?
Durch Beſchwerden muthiger
Täglich fort zum Kleinod dringen,
Das am Ziel, für jene Welt,
Gott den Treuen aufbehält?
Warum hält, vom Ziel ſo fern,
Erdenluſt mich denn gefangen?
Warum ſäumt mein Herz ſo gern
Nach dem Himmel zu verlangen?
Näher
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[142/0194] Schmeichelnd ladet es uns ein. Doch es führt zur dürren Wüſte, Wo der Freudenquell verſiegt, Der ſo reizend uns betrügt. Sammle dich, zerſtreuter Geiſt; Gott allein ſey dein Verlangen! Fliehe, was dich ihm eutreißt, Ungetheilt ihm anzuhangen! Seine Liebe täuſcht dich nicht; Sie giebt Seligkeit und Licht. Gott, ich beuge mich vor dir: Ach! wie viele meiner Stunden Sind, im Traum des Eiteln, mir Unerſetzlich ſchon verſchwunden! — Jahre ſind entflohn! — wie viel Bin ich näher meinem Ziel? Sollt ich denn nicht eifriger Nach dem Ziel der Tugend ringen? Durch Beſchwerden muthiger Täglich fort zum Kleinod dringen, Das am Ziel, für jene Welt, Gott den Treuen aufbehält? Warum hält, vom Ziel ſo fern, Erdenluſt mich denn gefangen? Warum ſäumt mein Herz ſo gern Nach dem Himmel zu verlangen? Näher

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/194>, abgerufen am 25.07.2024.