so viel bange nagende Vorwürfe des spät in Sünden e[r]wachenden Gewißens; so viel vergeb- liche Thränen und Seufzer verarmter Ver- schwender, siechhafter Wollüstlinge und Trunk- ner, gefangner leidender Uebelthäter, in finstern Gefängnißen: -- lauter unselige Früchte der Sünde! Auf der andern Seite: so manche stil- le verborgne Trübsal der Frommen; so mancher innre heiße Kampf der Seele, dessen, der die auf- steigende böse Lust gern dämpfen, in reizenden Versuchungen gern obsiegen mögte; so manche warnende Bestrafung eines zärtlichen Gewißens; so viel Verleugnung der glänzendsten Freuden des Lebens, zur Ehre der Tugend und des Gewißens; so manche unverschuldete Noth der Armuth und der Unterdrückung, in welcher die besten Men- schen, oft einsam, von der Welt verkannt, und von Freunden verlaßen, weinen; so viele Seuf- zer, welche uns Boshafte abdringen; so viel thränenvolle Wünsche, mit denen wir unsern sterbenden Freunden nachsehn; so viel Gefahren und Leiden mannigfaltiger Art, unter welchen wir hienieden noch wie auf einem ungestümen Meere umhergetrieben werden, bis wir zu je- nem Hafen der verheißenen Ruhe gelangen. -- Was sind sie alle? Zeugen unsrer Hülfsbedürf- tigkeit, die zu Gott um Barmherzigkeit rufen.
Doch
ſo viel bange nagende Vorwürfe des ſpät in Sünden e[r]wachenden Gewißens; ſo viel vergeb- liche Thränen und Seufzer verarmter Ver- ſchwender, ſiechhafter Wollüſtlinge und Trunk- ner, gefangner leidender Uebelthäter, in finſtern Gefängnißen: — lauter unſelige Früchte der Sünde! Auf der andern Seite: ſo manche ſtil- le verborgne Trübſal der Frommen; ſo mancher innre heiße Kampf der Seele, deſſen, der die auf- ſteigende böſe Luſt gern dämpfen, in reizenden Verſuchungen gern obſiegen mögte; ſo manche warnende Beſtrafung eines zärtlichen Gewißens; ſo viel Verleugnung der glänzendſten Freuden des Lebens, zur Ehre der Tugend und des Gewißens; ſo manche unverſchuldete Noth der Armuth und der Unterdrückung, in welcher die beſten Men- ſchen, oft einſam, von der Welt verkannt, und von Freunden verlaßen, weinen; ſo viele Seuf- zer, welche uns Boshafte abdringen; ſo viel thränenvolle Wünſche, mit denen wir unſern ſterbenden Freunden nachſehn; ſo viel Gefahren und Leiden mannigfaltiger Art, unter welchen wir hienieden noch wie auf einem ungeſtümen Meere umhergetrieben werden, bis wir zu je- nem Hafen der verheißenen Ruhe gelangen. — Was ſind ſie alle? Zeugen unſrer Hülfsbedürf- tigkeit, die zu Gott um Barmherzigkeit rufen.
Doch
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ſo viel bange nagende Vorwürfe des ſpät in
Sünden erwachenden Gewißens; ſo viel vergeb-
liche Thränen und Seufzer verarmter Ver-
ſchwender, ſiechhafter Wollüſtlinge und Trunk-
ner, gefangner leidender Uebelthäter, in finſtern
Gefängnißen: — lauter unſelige Früchte der
Sünde! Auf der andern Seite: ſo manche ſtil-
le verborgne Trübſal der Frommen; ſo mancher
innre heiße Kampf der Seele, deſſen, der die auf-
ſteigende böſe Luſt gern dämpfen, in reizenden
Verſuchungen gern obſiegen mögte; ſo manche
warnende Beſtrafung eines zärtlichen Gewißens;
ſo viel Verleugnung der glänzendſten Freuden des
Lebens, zur Ehre der Tugend und des Gewißens;
ſo manche unverſchuldete Noth der Armuth und
der Unterdrückung, in welcher die beſten Men-
ſchen, oft einſam, von der Welt verkannt, und
von Freunden verlaßen, weinen; ſo viele Seuf-
zer, welche uns Boshafte abdringen; ſo viel
thränenvolle Wünſche, mit denen wir unſern
ſterbenden Freunden nachſehn; ſo viel Gefahren
und Leiden mannigfaltiger Art, unter welchen
wir hienieden noch wie auf einem ungeſtümen
Meere umhergetrieben werden, bis wir zu je-
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Was ſind ſie alle? Zeugen unſrer Hülfsbedürf-
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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/179>, abgerufen am 21.11.2024.
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