durch offenbare Gewalt zu erhalten erlaubt ist, daß er nicht sollte im Krie- ge erlaubet seyn, indem er wenigern Scha- den als die offenbare Gewalt bringet. Un- terdessen weil das Versprechen gehalten wer- den muß (§. 388.), und wider den Verspre- cher für wahr zu halten ist, was er verspricht (§. 318.); so gilt er nicht anders als ausser einer Rede, darinn etwas zuge- saget wird. Weil Kriegeslisten(stra- tagemata) unvermuthete kriegerische Hand- lungen sind, welche so wohl in der Gewalt, als auch im Betruge bestehen; so sind auch diese erlaubt.
§. 1204.
Von der kriegeri- schen Er- oberung.
Eine kriegerische Eroberung(occu- patio bellica) ist die Handlung, da man feind- liche Sachen, sonderlich unbewegliche, als Städte und Länder, durch Gewalt der Waf- fen in seine Bothmäßigkeit bringet. Da in einem rechtmäßigen Kriege rechtmäßiger Ur- sachen wegen erlaubet ist dem Feinde alles zu entreissen (§. 1190. 1193.); so erhält man durch eine kriegerische Eroberung ein Eigenthum über die dem Feinde ent- rissenen Sachen: was aber die beweg- lichen Sachen anlanget, so hält man sie nicht eher für eingenommen, als man über dieselbe nach Gefallen Ver- fügung machen kann (§. 200.). Und weil die bürgerliche Herrschaft gleichsam an dem Lande hanget (§. 1125.), und als eine
uncör-
IV. Theil 8. Hauptſtuͤck.
durch offenbare Gewalt zu erhalten erlaubt iſt, daß er nicht ſollte im Krie- ge erlaubet ſeyn, indem er wenigern Scha- den als die offenbare Gewalt bringet. Un- terdeſſen weil das Verſprechen gehalten wer- den muß (§. 388.), und wider den Verſpre- cher fuͤr wahr zu halten iſt, was er verſpricht (§. 318.); ſo gilt er nicht anders als auſſer einer Rede, darinn etwas zuge- ſaget wird. Weil Kriegesliſten(ſtra- tagemata) unvermuthete kriegeriſche Hand- lungen ſind, welche ſo wohl in der Gewalt, als auch im Betruge beſtehen; ſo ſind auch dieſe erlaubt.
§. 1204.
Von der kriegeri- ſchen Er- oberung.
Eine kriegeriſche Eroberung(occu- patio bellica) iſt die Handlung, da man feind- liche Sachen, ſonderlich unbewegliche, als Staͤdte und Laͤnder, durch Gewalt der Waf- fen in ſeine Bothmaͤßigkeit bringet. Da in einem rechtmaͤßigen Kriege rechtmaͤßiger Ur- ſachen wegen erlaubet iſt dem Feinde alles zu entreiſſen (§. 1190. 1193.); ſo erhaͤlt man durch eine kriegeriſche Eroberung ein Eigenthum uͤber die dem Feinde ent- riſſenen Sachen: was aber die beweg- lichen Sachen anlanget, ſo haͤlt man ſie nicht eher fuͤr eingenommen, als man uͤber dieſelbe nach Gefallen Ver- fuͤgung machen kann (§. 200.). Und weil die buͤrgerliche Herrſchaft gleichſam an dem Lande hanget (§. 1125.), und als eine
uncoͤr-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0920"n="884"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Theil 8. Hauptſtuͤck.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">durch offenbare Gewalt zu erhalten<lb/>
erlaubt iſt, daß er nicht ſollte im Krie-<lb/>
ge erlaubet ſeyn,</hi> indem er wenigern Scha-<lb/>
den als die offenbare Gewalt bringet. <hirendition="#fr">Un-<lb/>
terdeſſen</hi> weil das Verſprechen gehalten wer-<lb/>
den muß (§. 388.), und wider den Verſpre-<lb/>
cher fuͤr wahr zu halten iſt, was er verſpricht<lb/>
(§. 318.); <hirendition="#fr">ſo gilt er nicht anders als<lb/>
auſſer einer Rede, darinn etwas zuge-<lb/>ſaget wird.</hi> Weil <hirendition="#fr">Kriegesliſten</hi><hirendition="#aq">(ſtra-<lb/>
tagemata)</hi> unvermuthete kriegeriſche Hand-<lb/>
lungen ſind, welche ſo wohl in der Gewalt,<lb/>
als auch im Betruge beſtehen; ſo <hirendition="#fr">ſind</hi> auch<lb/>
dieſe <hirendition="#fr">erlaubt.</hi></p></div><lb/><divn="4"><head>§. 1204.</head><lb/><noteplace="left">Von der<lb/>
kriegeri-<lb/>ſchen Er-<lb/>
oberung.</note><p><hirendition="#fr">Eine kriegeriſche Eroberung</hi><hirendition="#aq">(occu-<lb/>
patio bellica)</hi> iſt die Handlung, da man feind-<lb/>
liche Sachen, ſonderlich unbewegliche, als<lb/>
Staͤdte und Laͤnder, durch Gewalt der Waf-<lb/>
fen in ſeine Bothmaͤßigkeit bringet. Da in<lb/>
einem rechtmaͤßigen Kriege rechtmaͤßiger Ur-<lb/>ſachen wegen erlaubet iſt dem Feinde alles zu<lb/>
entreiſſen (§. 1190. 1193.); <hirendition="#fr">ſo erhaͤlt man<lb/>
durch eine kriegeriſche Eroberung ein<lb/>
Eigenthum uͤber die dem Feinde ent-<lb/>
riſſenen Sachen: was</hi> aber <hirendition="#fr">die beweg-<lb/>
lichen Sachen anlanget, ſo haͤlt man<lb/>ſie nicht eher fuͤr eingenommen, als<lb/>
man uͤber dieſelbe nach Gefallen Ver-<lb/>
fuͤgung machen kann</hi> (§. 200.). Und<lb/>
weil die buͤrgerliche Herrſchaft gleichſam an<lb/>
dem Lande hanget (§. 1125.), und als eine<lb/><fwplace="bottom"type="catch">uncoͤr-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[884/0920]
IV. Theil 8. Hauptſtuͤck.
durch offenbare Gewalt zu erhalten
erlaubt iſt, daß er nicht ſollte im Krie-
ge erlaubet ſeyn, indem er wenigern Scha-
den als die offenbare Gewalt bringet. Un-
terdeſſen weil das Verſprechen gehalten wer-
den muß (§. 388.), und wider den Verſpre-
cher fuͤr wahr zu halten iſt, was er verſpricht
(§. 318.); ſo gilt er nicht anders als
auſſer einer Rede, darinn etwas zuge-
ſaget wird. Weil Kriegesliſten (ſtra-
tagemata) unvermuthete kriegeriſche Hand-
lungen ſind, welche ſo wohl in der Gewalt,
als auch im Betruge beſtehen; ſo ſind auch
dieſe erlaubt.
§. 1204.
Eine kriegeriſche Eroberung (occu-
patio bellica) iſt die Handlung, da man feind-
liche Sachen, ſonderlich unbewegliche, als
Staͤdte und Laͤnder, durch Gewalt der Waf-
fen in ſeine Bothmaͤßigkeit bringet. Da in
einem rechtmaͤßigen Kriege rechtmaͤßiger Ur-
ſachen wegen erlaubet iſt dem Feinde alles zu
entreiſſen (§. 1190. 1193.); ſo erhaͤlt man
durch eine kriegeriſche Eroberung ein
Eigenthum uͤber die dem Feinde ent-
riſſenen Sachen: was aber die beweg-
lichen Sachen anlanget, ſo haͤlt man
ſie nicht eher fuͤr eingenommen, als
man uͤber dieſelbe nach Gefallen Ver-
fuͤgung machen kann (§. 200.). Und
weil die buͤrgerliche Herrſchaft gleichſam an
dem Lande hanget (§. 1125.), und als eine
uncoͤr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 884. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/920>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.