Da vor sich klar ist, daß niemand vor denOb der Erbe den Gläubi- gern mehr, als die Erb- schaft be- trägt, zu bezahlen schuldig ist. andern zu bezahlen schuldig sey, und der Ver- storbene selbst, wenn er gelebt hätte, nicht mehr hätte bezahlen können, als wie weit sein Ver- mögen zugereicht; so ist der Erbe nach dem Rechte der Natur nicht mehr zu zahlen schuldig, als die Erbschaft be- trägt, wenn die Schuld die Erbschaft übersteigen sollte; und es versteht sich von selbst, daß der Erbe mit keinem andern Vorsatz die Erbschaft überneh- me, als daß er nicht mehr Schulden bezahlen will, als die Erbschaft aus- trägt. Damit man nun aber gewiß sey, wie viel die Erbschaft vermag; so muß man, wenn die Erbschaft mit Schulden be- schweret ist, ein Jnventarium verfer- tigen (§. 902); wovon im natürlichen Zu- stand ein beschwornes Verzeichniß nicht un- terschieden ist; weil dasjenige durch einen Eid bewiesen werden muß, was durch Zeugen nicht kann bewiesen werden (§. 781.).
§. 920.
Man sagt, einer schlage die ErbschaftWenn ei- ne Erb- schaft ausge- schlagen wird. aus(haereditatem repudiare), wenn er das Erbrecht nicht annehmen will. Es be- ruhet also auf eines jeden Willen, ob er eine Erbschaft, die ihm zufällt, an- nehmen, oder ausschlagen will (§. 316.).
§. 921.
Von dem Erbrecht.
§. 919.
Da vor ſich klar iſt, daß niemand vor denOb der Erbe den Glaͤubi- gern mehr, als die Erb- ſchaft be- traͤgt, zu bezahlen ſchuldig iſt. andern zu bezahlen ſchuldig ſey, und der Ver- ſtorbene ſelbſt, wenn er gelebt haͤtte, nicht mehr haͤtte bezahlen koͤnnen, als wie weit ſein Ver- moͤgen zugereicht; ſo iſt der Erbe nach dem Rechte der Natur nicht mehr zu zahlen ſchuldig, als die Erbſchaft be- traͤgt, wenn die Schuld die Erbſchaft uͤberſteigen ſollte; und es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Erbe mit keinem andern Vorſatz die Erbſchaft uͤberneh- me, als daß er nicht mehr Schulden bezahlen will, als die Erbſchaft aus- traͤgt. Damit man nun aber gewiß ſey, wie viel die Erbſchaft vermag; ſo muß man, wenn die Erbſchaft mit Schulden be- ſchweret iſt, ein Jnventarium verfer- tigen (§. 902); wovon im natuͤrlichen Zu- ſtand ein beſchwornes Verzeichniß nicht un- terſchieden iſt; weil dasjenige durch einen Eid bewieſen werden muß, was durch Zeugen nicht kann bewieſen werden (§. 781.).
§. 920.
Man ſagt, einer ſchlage die ErbſchaftWenn ei- ne Erb- ſchaft ausge- ſchlagen wird. aus(hæreditatem repudiare), wenn er das Erbrecht nicht annehmen will. Es be- ruhet alſo auf eines jeden Willen, ob er eine Erbſchaft, die ihm zufaͤllt, an- nehmen, oder ausſchlagen will (§. 316.).
§. 921.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0703"n="667"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von dem Erbrecht.</hi></fw><lb/><divn="5"><head>§. 919.</head><lb/><p>Da vor ſich klar iſt, daß niemand vor den<noteplace="right">Ob der<lb/>
Erbe den<lb/>
Glaͤubi-<lb/>
gern<lb/>
mehr, als<lb/>
die Erb-<lb/>ſchaft be-<lb/>
traͤgt, zu<lb/>
bezahlen<lb/>ſchuldig<lb/>
iſt.</note><lb/>
andern zu bezahlen ſchuldig ſey, und der Ver-<lb/>ſtorbene ſelbſt, wenn er gelebt haͤtte, nicht mehr<lb/>
haͤtte bezahlen koͤnnen, als wie weit ſein Ver-<lb/>
moͤgen zugereicht; <hirendition="#fr">ſo iſt der Erbe nach<lb/>
dem Rechte der Natur nicht mehr zu<lb/>
zahlen ſchuldig, als die Erbſchaft be-<lb/>
traͤgt, wenn die Schuld die Erbſchaft<lb/>
uͤberſteigen ſollte; und es verſteht ſich<lb/>
von ſelbſt, daß der Erbe mit keinem<lb/>
andern Vorſatz die Erbſchaft uͤberneh-<lb/>
me, als daß er nicht mehr Schulden<lb/>
bezahlen will, als die Erbſchaft aus-<lb/>
traͤgt.</hi> Damit man nun aber gewiß ſey,<lb/>
wie viel die Erbſchaft vermag; <hirendition="#fr">ſo muß man,<lb/>
wenn die Erbſchaft mit Schulden be-<lb/>ſchweret iſt, ein Jnventarium verfer-<lb/>
tigen</hi> (§. 902); wovon im natuͤrlichen Zu-<lb/>ſtand ein beſchwornes Verzeichniß nicht un-<lb/>
terſchieden iſt; weil dasjenige durch einen Eid<lb/>
bewieſen werden muß, was durch Zeugen<lb/>
nicht kann bewieſen werden (§. 781.).</p></div><lb/><divn="5"><head>§. 920.</head><lb/><p>Man ſagt, <hirendition="#fr">einer ſchlage die Erbſchaft</hi><noteplace="right">Wenn ei-<lb/>
ne Erb-<lb/>ſchaft<lb/>
ausge-<lb/>ſchlagen<lb/>
wird.</note><lb/><hirendition="#fr">aus</hi><hirendition="#aq">(hæreditatem repudiare),</hi> wenn er<lb/>
das Erbrecht nicht annehmen will. <hirendition="#fr">Es be-<lb/>
ruhet</hi> alſo <hirendition="#fr">auf eines jeden Willen, ob<lb/>
er eine Erbſchaft, die ihm zufaͤllt, an-<lb/>
nehmen, oder ausſchlagen will</hi> (§.<lb/>
316.).</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 921.</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[667/0703]
Von dem Erbrecht.
§. 919.
Da vor ſich klar iſt, daß niemand vor den
andern zu bezahlen ſchuldig ſey, und der Ver-
ſtorbene ſelbſt, wenn er gelebt haͤtte, nicht mehr
haͤtte bezahlen koͤnnen, als wie weit ſein Ver-
moͤgen zugereicht; ſo iſt der Erbe nach
dem Rechte der Natur nicht mehr zu
zahlen ſchuldig, als die Erbſchaft be-
traͤgt, wenn die Schuld die Erbſchaft
uͤberſteigen ſollte; und es verſteht ſich
von ſelbſt, daß der Erbe mit keinem
andern Vorſatz die Erbſchaft uͤberneh-
me, als daß er nicht mehr Schulden
bezahlen will, als die Erbſchaft aus-
traͤgt. Damit man nun aber gewiß ſey,
wie viel die Erbſchaft vermag; ſo muß man,
wenn die Erbſchaft mit Schulden be-
ſchweret iſt, ein Jnventarium verfer-
tigen (§. 902); wovon im natuͤrlichen Zu-
ſtand ein beſchwornes Verzeichniß nicht un-
terſchieden iſt; weil dasjenige durch einen Eid
bewieſen werden muß, was durch Zeugen
nicht kann bewieſen werden (§. 781.).
Ob der
Erbe den
Glaͤubi-
gern
mehr, als
die Erb-
ſchaft be-
traͤgt, zu
bezahlen
ſchuldig
iſt.
§. 920.
Man ſagt, einer ſchlage die Erbſchaft
aus (hæreditatem repudiare), wenn er
das Erbrecht nicht annehmen will. Es be-
ruhet alſo auf eines jeden Willen, ob
er eine Erbſchaft, die ihm zufaͤllt, an-
nehmen, oder ausſchlagen will (§.
316.).
Wenn ei-
ne Erb-
ſchaft
ausge-
ſchlagen
wird.
§. 921.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/703>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.