Nach ihrer Verschiedenheit, giebt es daher auch verschiedene Arten des Versehens. Al- so ist der Mangel der Aufmerksamkeit bey unsern Handlungen die Unachtsamkeit (incogitantia); wenn man unterläßt, das- jenige zu bedencken, wodurch man erkennen könnte, was aus seiner Handlung unter den gegenwärtigen Umständen Gutes oder Böses erfolgen könte, die Unbedachtsam- keit(inconsiderantia); wenn man nicht acht hat auf das Schlimme, was in gegen- wärtigem Falle erfolgen kan, und man hät- te voraussehen können, die Unvorsich- tigkeit(improvidentia); wenn man alle Ueberlegung, die zur Richtigkeit einer Handlung erfordert wird, bey Seite setzet, die Uebereilung(praecipitantia in agendo); der Mangel der Beurtheilung, was zu thun rathsamer sey, nach Beschaffenheit der ge- genwärtigen Umstände, die Unklugheit (imprudentia); die Abwesenheit aller Sorgfalt wegen der Richtigkeit der Hand- lung, die Sorglosigkeit(incuria); die Unterlassung alles dessen, was in gewisser Absicht geschehen sollte, welche von dem Mangel des Gebrauchs der Erkentnißkräf- te herrühret, die Nachläßigkeit(ne- gligentia). Daher ist klar, weswegen man gemeiniglich alle Arten des Versehens un- ter dem Namen der Nachläßigkeit zu be- greifen pflegt; und daß der Fleiß(dili-
gentia),
I. Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl.
Nach ihrer Verſchiedenheit, giebt es daher auch verſchiedene Arten des Verſehens. Al- ſo iſt der Mangel der Aufmerkſamkeit bey unſern Handlungen die Unachtſamkeit (incogitantia); wenn man unterlaͤßt, das- jenige zu bedencken, wodurch man erkennen koͤnnte, was aus ſeiner Handlung unter den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden Gutes oder Boͤſes erfolgen koͤnte, die Unbedachtſam- keit(inconſiderantia); wenn man nicht acht hat auf das Schlimme, was in gegen- waͤrtigem Falle erfolgen kan, und man haͤt- te vorausſehen koͤnnen, die Unvorſich- tigkeit(improvidentia); wenn man alle Ueberlegung, die zur Richtigkeit einer Handlung erfordert wird, bey Seite ſetzet, die Uebereilung(præcipitantia in agendo); der Mangel der Beurtheilung, was zu thun rathſamer ſey, nach Beſchaffenheit der ge- genwaͤrtigen Umſtaͤnde, die Unklugheit (imprudentia); die Abweſenheit aller Sorgfalt wegen der Richtigkeit der Hand- lung, die Sorgloſigkeit(incuria); die Unterlaſſung alles deſſen, was in gewiſſer Abſicht geſchehen ſollte, welche von dem Mangel des Gebrauchs der Erkentnißkraͤf- te herruͤhret, die Nachlaͤßigkeit(ne- gligentia). Daher iſt klar, weswegen man gemeiniglich alle Arten des Verſehens un- ter dem Namen der Nachlaͤßigkeit zu be- greifen pflegt; und daß der Fleiß(dili-
gentia),
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I. Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl.
Nach ihrer Verſchiedenheit, giebt es daher
auch verſchiedene Arten des Verſehens. Al-
ſo iſt der Mangel der Aufmerkſamkeit bey
unſern Handlungen die Unachtſamkeit
(incogitantia); wenn man unterlaͤßt, das-
jenige zu bedencken, wodurch man erkennen
koͤnnte, was aus ſeiner Handlung unter
den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden Gutes oder
Boͤſes erfolgen koͤnte, die Unbedachtſam-
keit (inconſiderantia); wenn man nicht
acht hat auf das Schlimme, was in gegen-
waͤrtigem Falle erfolgen kan, und man haͤt-
te vorausſehen koͤnnen, die Unvorſich-
tigkeit (improvidentia); wenn man
alle Ueberlegung, die zur Richtigkeit einer
Handlung erfordert wird, bey Seite ſetzet,
die Uebereilung (præcipitantia in agendo);
der Mangel der Beurtheilung, was zu thun
rathſamer ſey, nach Beſchaffenheit der ge-
genwaͤrtigen Umſtaͤnde, die Unklugheit
(imprudentia); die Abweſenheit aller
Sorgfalt wegen der Richtigkeit der Hand-
lung, die Sorgloſigkeit (incuria); die
Unterlaſſung alles deſſen, was in gewiſſer
Abſicht geſchehen ſollte, welche von dem
Mangel des Gebrauchs der Erkentnißkraͤf-
te herruͤhret, die Nachlaͤßigkeit (ne-
gligentia). Daher iſt klar, weswegen man
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ter dem Namen der Nachlaͤßigkeit zu be-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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