darein gewilliget (§. 27.). Und daher ist klar, daß, wenn aus einem Still- schweigen eine Einwilligung vermu- thet werden soll, einer mit Wissen und Willen stillschweigen muß.
§. 460.
Von der aus ei- nem Still- schweigen vermu- theten Verlas- sung.
Da nun derjenige nicht schweigen soll, wel- cher weiß, daß eine ihm zugehörige Sache ein anderer im Besitz, er aber nicht die Absicht hat sie zu verlassen (§. 457.); so vermuthet man es habe einer die Sache, so ihm zugehöret, verlassen, wenn er weiß, daß sie ein anderer im Besitz hat, und er in langer Zeit nicht widerspricht, woferne kein offenbahrer Grund vor- handen, warum er schweigen sollte (§. 459.).
§. 461.
Eben die- ses wird weiter erwogen.
Weil ein jeder in der Untersuchung der ihm zugehörigen Sachen, welche vielleicht in eines andern Gewalt möchten kommen seyn, fleißig seyn soll (§. 457.), und es gewiß ist, daß die Menschen das Jhrige lieben; so ver- muthet man, daß es der Eigenthums- herr wisse, es habe ein anderer eine ihm zugehörige Sache im Besitze, wo- ferne er dieselbe eine lange Zeit beses- sen hat; es sey denn daß offenbahre Ur- sachen dargegen vorhanden, oder daß er, wenn die Sache beweglich ist, vor unmöglich ansiehet, es zu erfahren, wer sie besitzet; folglich vermuthet man
aus
II.Th. 8. H. Von der Erſitzung
darein gewilliget (§. 27.). Und daher iſt klar, daß, wenn aus einem Still- ſchweigen eine Einwilligung vermu- thet werden ſoll, einer mit Wiſſen und Willen ſtillſchweigen muß.
§. 460.
Von der aus ei- nem Still- ſchweigen vermu- theten Verlaſ- ſung.
Da nun derjenige nicht ſchweigen ſoll, wel- cher weiß, daß eine ihm zugehoͤrige Sache ein anderer im Beſitz, er aber nicht die Abſicht hat ſie zu verlaſſen (§. 457.); ſo vermuthet man es habe einer die Sache, ſo ihm zugehoͤret, verlaſſen, wenn er weiß, daß ſie ein anderer im Beſitz hat, und er in langer Zeit nicht widerſpricht, woferne kein offenbahrer Grund vor- handen, warum er ſchweigen ſollte (§. 459.).
§. 461.
Eben die- ſes wird weiter erwogen.
Weil ein jeder in der Unterſuchung der ihm zugehoͤrigen Sachen, welche vielleicht in eines andern Gewalt moͤchten kommen ſeyn, fleißig ſeyn ſoll (§. 457.), und es gewiß iſt, daß die Menſchen das Jhrige lieben; ſo ver- muthet man, daß es der Eigenthums- herr wiſſe, es habe ein anderer eine ihm zugehoͤrige Sache im Beſitze, wo- ferne er dieſelbe eine lange Zeit beſeſ- ſen hat; es ſey denn daß offenbahre Ur- ſachen dargegen vorhanden, oder daß er, wenn die Sache beweglich iſt, vor unmoͤglich anſiehet, es zu erfahren, wer ſie beſitzet; folglich vermuthet man
aus
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II. Th. 8. H. Von der Erſitzung
darein gewilliget (§. 27.). Und daher
iſt klar, daß, wenn aus einem Still-
ſchweigen eine Einwilligung vermu-
thet werden ſoll, einer mit Wiſſen
und Willen ſtillſchweigen muß.
§. 460.
Da nun derjenige nicht ſchweigen ſoll, wel-
cher weiß, daß eine ihm zugehoͤrige Sache ein
anderer im Beſitz, er aber nicht die Abſicht
hat ſie zu verlaſſen (§. 457.); ſo vermuthet
man es habe einer die Sache, ſo ihm
zugehoͤret, verlaſſen, wenn er weiß,
daß ſie ein anderer im Beſitz hat, und
er in langer Zeit nicht widerſpricht,
woferne kein offenbahrer Grund vor-
handen, warum er ſchweigen ſollte
(§. 459.).
§. 461.
Weil ein jeder in der Unterſuchung der
ihm zugehoͤrigen Sachen, welche vielleicht in
eines andern Gewalt moͤchten kommen ſeyn,
fleißig ſeyn ſoll (§. 457.), und es gewiß iſt,
daß die Menſchen das Jhrige lieben; ſo ver-
muthet man, daß es der Eigenthums-
herr wiſſe, es habe ein anderer eine
ihm zugehoͤrige Sache im Beſitze, wo-
ferne er dieſelbe eine lange Zeit beſeſ-
ſen hat; es ſey denn daß offenbahre Ur-
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er, wenn die Sache beweglich iſt, vor
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/324>, abgerufen am 21.11.2024.
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