behalten wird, das künftige kömmt, und das Uebel abgewendet, oder, wenn dieses nicht ge- schieht, wie wir schon vorher gesagt, dennoch zum Guten gewandt wird (§. 170. 173.). Da wir nun schuldig sind, dieses zu erkennen (§. 163.), und durch daher genommene Bewe- gungsgründe unsere Handlungen zu bestimmen (§. 160.); so sollen wir auch von Gott bitten, daß er das Gute, was er uns gegeben hat, erhalte, und uns in Zu- kunft auch Gutes zuwende; das Uebel aber abwende, oder, wenn es kömmt, zu unserm Besten wende. Weil nun diese Erklärung unsers Willens die Anru- fung Gottes(invocatio numinis) heisset, und zwar, wie einige dazu setzen, in dem inne- ren Grunde unsers Hertzens(mentalis); so sind wir Gott anzurufen schuldig. Und da die äussern Handlungen mit den innern übereinstimmen müssen, und jene nicht ohne diesen seyn (§. 52.); man aber das Gebet (orationem) nennt, die Rede, durch welche wir mit dem Munde aussprechen, was wir gedencken, indem wir Gott anruffen und ihm dancksagen; so ist das Gebet in dem na- türlichen Gesetze geboten. Es ist aber klar, daß es vier Arten des Gebets giebt, da die erste, die Erhaltung und Zuwendung des Guten; die andere, die Abwendung des Bösen, oder die Wendung desselben zum Guten; die dritte die Dancksagung; die vierte die Vorbitte für andere begreift. Der Apo-
stel
gegen Gott.
behalten wird, das kuͤnftige koͤmmt, und das Uebel abgewendet, oder, wenn dieſes nicht ge- ſchieht, wie wir ſchon vorher geſagt, dennoch zum Guten gewandt wird (§. 170. 173.). Da wir nun ſchuldig ſind, dieſes zu erkennen (§. 163.), und durch daher genommene Bewe- gungsgruͤnde unſere Handlungen zu beſtimmen (§. 160.); ſo ſollen wir auch von Gott bitten, daß er das Gute, was er uns gegeben hat, erhalte, und uns in Zu- kunft auch Gutes zuwende; das Uebel aber abwende, oder, wenn es koͤmmt, zu unſerm Beſten wende. Weil nun dieſe Erklaͤrung unſers Willens die Anru- fung Gottes(invocatio numinis) heiſſet, und zwar, wie einige dazu ſetzen, in dem inne- ren Grunde unſers Hertzens(mentalis); ſo ſind wir Gott anzurufen ſchuldig. Und da die aͤuſſern Handlungen mit den innern uͤbereinſtimmen muͤſſen, und jene nicht ohne dieſen ſeyn (§. 52.); man aber das Gebet (orationem) nennt, die Rede, durch welche wir mit dem Munde ausſprechen, was wir gedencken, indem wir Gott anruffen und ihm danckſagen; ſo iſt das Gebet in dem na- tuͤrlichen Geſetze geboten. Es iſt aber klar, daß es vier Arten des Gebets giebt, da die erſte, die Erhaltung und Zuwendung des Guten; die andere, die Abwendung des Boͤſen, oder die Wendung deſſelben zum Guten; die dritte die Danckſagung; die vierte die Vorbitte fuͤr andere begreift. Der Apo-
ſtel
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gegen Gott.
behalten wird, das kuͤnftige koͤmmt, und das
Uebel abgewendet, oder, wenn dieſes nicht ge-
ſchieht, wie wir ſchon vorher geſagt, dennoch
zum Guten gewandt wird (§. 170. 173.). Da
wir nun ſchuldig ſind, dieſes zu erkennen (§.
163.), und durch daher genommene Bewe-
gungsgruͤnde unſere Handlungen zu beſtimmen
(§. 160.); ſo ſollen wir auch von Gott
bitten, daß er das Gute, was er uns
gegeben hat, erhalte, und uns in Zu-
kunft auch Gutes zuwende; das Uebel
aber abwende, oder, wenn es koͤmmt,
zu unſerm Beſten wende. Weil nun
dieſe Erklaͤrung unſers Willens die Anru-
fung Gottes (invocatio numinis) heiſſet,
und zwar, wie einige dazu ſetzen, in dem inne-
ren Grunde unſers Hertzens (mentalis);
ſo ſind wir Gott anzurufen ſchuldig.
Und da die aͤuſſern Handlungen mit den innern
uͤbereinſtimmen muͤſſen, und jene nicht ohne
dieſen ſeyn (§. 52.); man aber das Gebet
(orationem) nennt, die Rede, durch welche
wir mit dem Munde ausſprechen, was wir
gedencken, indem wir Gott anruffen und ihm
danckſagen; ſo iſt das Gebet in dem na-
tuͤrlichen Geſetze geboten. Es iſt aber
klar, daß es vier Arten des Gebets giebt, da
die erſte, die Erhaltung und Zuwendung
des Guten; die andere, die Abwendung des
Boͤſen, oder die Wendung deſſelben zum
Guten; die dritte die Danckſagung; die vierte
die Vorbitte fuͤr andere begreift. Der Apo-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/147>, abgerufen am 29.01.2025.
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