Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

des Menschen gegen sich selbst.
der Erklärung der Glückseeligkeit, daß man
die wahre Glückseeligkeit von der fal-
schen,
die nur den Schein derselben hat, un-
terscheiden müße;
damit wir nicht, wenn
wir begehren glückseelig zu seyn, uns selbst
unglückseelig machen. Ferner ist klar, daß
man alles Misvergnügen, ob es gleich
klein ist, verabscheuen müße;
weil dassel-
be der Glückseeligkeit entgegen.

§. 119.

Wir leben bequemlich (vitam commo-Vom be-
quemli-
chen und
vergnüg-
ten Leben.

de transigimus), wenn wir dasjenige, was
wir zu thun haben, ohne alles Mißvergnügen
verrichten können, oder dasselbe alles Miß-
vergnügen von uns entfernt. Wenn wir aber
dasjenige thun, woraus wir ein unschuldiges
Vergnügen empfinden, so leben wir ver-
gnügt
(jucunde vivimus). Der Mensch
muß demnach besorgt seyn, daß er be-
quemlich und vergnügt leben möge
(§.
118.); folglich hat er ein Recht zu allen
denjenigen Dingen, die zur Bequem-
lichkeit und zum Vergnügen des Le-
bens etwas beytragen
(§. 46.).

§. 120.

Das vergängliche Vergnügen (vo-Von der
vergäng-
lichen
Lust.

luptas transitoria) ist dasjenige, welches nur
eine kleine Zeit dauert, und niemahls wieder-
kömmt; dergleichen ist alles, was die Sin-
nen ergötzet. Wenn es unschädlich ist, so
trägt es zur Glückseeligkeit des Menschen et-
was bey; wenn es aber schädlich ist, so be-

fördert

des Menſchen gegen ſich ſelbſt.
der Erklaͤrung der Gluͤckſeeligkeit, daß man
die wahre Gluͤckſeeligkeit von der fal-
ſchen,
die nur den Schein derſelben hat, un-
terſcheiden muͤße;
damit wir nicht, wenn
wir begehren gluͤckſeelig zu ſeyn, uns ſelbſt
ungluͤckſeelig machen. Ferner iſt klar, daß
man alles Misvergnuͤgen, ob es gleich
klein iſt, verabſcheuen muͤße;
weil daſſel-
be der Gluͤckſeeligkeit entgegen.

§. 119.

Wir leben bequemlich (vitam commo-Vom be-
quemli-
chen und
vergnuͤg-
ten Leben.

de tranſigimus), wenn wir dasjenige, was
wir zu thun haben, ohne alles Mißvergnuͤgen
verrichten koͤnnen, oder daſſelbe alles Miß-
vergnuͤgen von uns entfernt. Wenn wir aber
dasjenige thun, woraus wir ein unſchuldiges
Vergnuͤgen empfinden, ſo leben wir ver-
gnuͤgt
(jucunde vivimus). Der Menſch
muß demnach beſorgt ſeyn, daß er be-
quemlich und vergnuͤgt leben moͤge
(§.
118.); folglich hat er ein Recht zu allen
denjenigen Dingen, die zur Bequem-
lichkeit und zum Vergnuͤgen des Le-
bens etwas beytragen
(§. 46.).

§. 120.

Das vergaͤngliche Vergnuͤgen (vo-Von der
vergaͤng-
lichen
Luſt.

luptas tranſitoria) iſt dasjenige, welches nur
eine kleine Zeit dauert, und niemahls wieder-
koͤmmt; dergleichen iſt alles, was die Sin-
nen ergoͤtzet. Wenn es unſchaͤdlich iſt, ſo
traͤgt es zur Gluͤckſeeligkeit des Menſchen et-
was bey; wenn es aber ſchaͤdlich iſt, ſo be-

foͤrdert
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0113" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Men&#x017F;chen gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
der Erkla&#x0364;rung der Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit, <hi rendition="#fr">daß man<lb/>
die wahre Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit von der fal-<lb/>
&#x017F;chen,</hi> die nur den Schein der&#x017F;elben hat, <hi rendition="#fr">un-<lb/>
ter&#x017F;cheiden mu&#x0364;ße;</hi> damit wir nicht, wenn<lb/>
wir begehren glu&#x0364;ck&#x017F;eelig zu &#x017F;eyn, uns &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
unglu&#x0364;ck&#x017F;eelig machen. Ferner i&#x017F;t klar, <hi rendition="#fr">daß<lb/>
man alles Misvergnu&#x0364;gen, ob es gleich<lb/>
klein i&#x017F;t, verab&#x017F;cheuen mu&#x0364;ße;</hi> weil da&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
be der Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit entgegen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 119.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Wir leben bequemlich</hi><hi rendition="#aq">(vitam commo-</hi><note place="right">Vom be-<lb/>
quemli-<lb/>
chen und<lb/>
vergnu&#x0364;g-<lb/>
ten Leben.</note><lb/><hi rendition="#aq">de tran&#x017F;igimus),</hi> wenn wir dasjenige, was<lb/>
wir zu thun haben, ohne alles Mißvergnu&#x0364;gen<lb/>
verrichten ko&#x0364;nnen, oder da&#x017F;&#x017F;elbe alles Miß-<lb/>
vergnu&#x0364;gen von uns entfernt. Wenn wir aber<lb/>
dasjenige thun, woraus wir ein un&#x017F;chuldiges<lb/>
Vergnu&#x0364;gen empfinden, &#x017F;o <hi rendition="#fr">leben wir ver-<lb/>
gnu&#x0364;gt</hi> <hi rendition="#aq">(jucunde vivimus)</hi>. <hi rendition="#fr">Der Men&#x017F;ch<lb/>
muß demnach be&#x017F;orgt &#x017F;eyn, daß er be-<lb/>
quemlich und vergnu&#x0364;gt leben mo&#x0364;ge</hi> (§.<lb/>
118.); folglich <hi rendition="#fr">hat er ein Recht zu allen<lb/>
denjenigen Dingen, die zur Bequem-<lb/>
lichkeit und zum Vergnu&#x0364;gen des Le-<lb/>
bens etwas beytragen</hi> (§. 46.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 120.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Das verga&#x0364;ngliche Vergnu&#x0364;gen</hi><hi rendition="#aq">(vo-</hi><note place="right">Von der<lb/>
verga&#x0364;ng-<lb/>
lichen<lb/>
Lu&#x017F;t.</note><lb/><hi rendition="#aq">luptas tran&#x017F;itoria)</hi> i&#x017F;t dasjenige, welches nur<lb/>
eine kleine Zeit dauert, und niemahls wieder-<lb/>
ko&#x0364;mmt; dergleichen i&#x017F;t alles, was die Sin-<lb/>
nen ergo&#x0364;tzet. Wenn es un&#x017F;cha&#x0364;dlich i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
tra&#x0364;gt es zur Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit des Men&#x017F;chen et-<lb/>
was bey; wenn es aber &#x017F;cha&#x0364;dlich i&#x017F;t, &#x017F;o be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fo&#x0364;rdert</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0113] des Menſchen gegen ſich ſelbſt. der Erklaͤrung der Gluͤckſeeligkeit, daß man die wahre Gluͤckſeeligkeit von der fal- ſchen, die nur den Schein derſelben hat, un- terſcheiden muͤße; damit wir nicht, wenn wir begehren gluͤckſeelig zu ſeyn, uns ſelbſt ungluͤckſeelig machen. Ferner iſt klar, daß man alles Misvergnuͤgen, ob es gleich klein iſt, verabſcheuen muͤße; weil daſſel- be der Gluͤckſeeligkeit entgegen. §. 119. Wir leben bequemlich (vitam commo- de tranſigimus), wenn wir dasjenige, was wir zu thun haben, ohne alles Mißvergnuͤgen verrichten koͤnnen, oder daſſelbe alles Miß- vergnuͤgen von uns entfernt. Wenn wir aber dasjenige thun, woraus wir ein unſchuldiges Vergnuͤgen empfinden, ſo leben wir ver- gnuͤgt (jucunde vivimus). Der Menſch muß demnach beſorgt ſeyn, daß er be- quemlich und vergnuͤgt leben moͤge (§. 118.); folglich hat er ein Recht zu allen denjenigen Dingen, die zur Bequem- lichkeit und zum Vergnuͤgen des Le- bens etwas beytragen (§. 46.). Vom be- quemli- chen und vergnuͤg- ten Leben. §. 120. Das vergaͤngliche Vergnuͤgen (vo- luptas tranſitoria) iſt dasjenige, welches nur eine kleine Zeit dauert, und niemahls wieder- koͤmmt; dergleichen iſt alles, was die Sin- nen ergoͤtzet. Wenn es unſchaͤdlich iſt, ſo traͤgt es zur Gluͤckſeeligkeit des Menſchen et- was bey; wenn es aber ſchaͤdlich iſt, ſo be- foͤrdert Von der vergaͤng- lichen Luſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/113
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/113>, abgerufen am 03.12.2024.