Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Auflösung der Schwierigkeiten,
ken, der gleich am Anfange steht, und nach
welchem dasjenige nicht da ist, was man
nicht sieht
". Jn der Folge läugnet er diesen
Satz, und beweiset durch das Exempel der Ge-
krößadern in den Fröschen, daß oft Theile ihrer
Durchsichtigkeit wegen unsichtbar seyn könnten,
und dennoch würklich vorhanden seyn müsten; Er
setzt hinzu, daß man auch nicht allemahl im Stan-
de sey, die Durchsichtigkeit, durch Weingeist zu
heben, und daß man folglich nicht schließen kön-
ne, was nicht gesehn wird, sey nicht da. Jch
muß also zeigen, daß dieser Satz, was man nicht
sieht, ist nicht da, keine Stütze meines Systems
sey; daß ich alle meine Wahrheiten, ohne diesen
Satz zu berühren, beweisen könne, und daß es
auch würklich meine Absicht nicht gewesen sey, ihn
dazu zu gebrauchen. Jn wie fern dieser Satz
wahr oder falsch sey, das ist hernach eine andere
Frage, die mir nichts angeht. Jst er falsch, so
ist es genug, daß ich ihm nicht brauche. Jst er
in eigentlichen Absichten, die zu unserm Zweck
gehören, wahr, so geht mir auch das nichts an,
weil er in mein System keinen Einfluß hat, nur
daß ich um desto weniger Ursache habe mich für
ihn zu fürchten.

Der Satz,
was ich nicht
sehe, ist nicht
da, ist kein
Grundsatz die-
ser Theorie.

Man muß, wenn von einem
Grundsatz eines Systems die Rede ist,
dreyerley verschiedene Dinge wohl von
einander unterscheiden. Man kann
in einem System sich eines Satzes

vors

Aufloͤſung der Schwierigkeiten,
ken, der gleich am Anfange ſteht, und nach
welchem dasjenige nicht da iſt, was man
nicht ſieht
‟. Jn der Folge laͤugnet er dieſen
Satz, und beweiſet durch das Exempel der Ge-
kroͤßadern in den Froͤſchen, daß oft Theile ihrer
Durchſichtigkeit wegen unſichtbar ſeyn koͤnnten,
und dennoch wuͤrklich vorhanden ſeyn muͤſten; Er
ſetzt hinzu, daß man auch nicht allemahl im Stan-
de ſey, die Durchſichtigkeit, durch Weingeiſt zu
heben, und daß man folglich nicht ſchließen koͤn-
ne, was nicht geſehn wird, ſey nicht da. Jch
muß alſo zeigen, daß dieſer Satz, was man nicht
ſieht, iſt nicht da, keine Stuͤtze meines Syſtems
ſey; daß ich alle meine Wahrheiten, ohne dieſen
Satz zu beruͤhren, beweiſen koͤnne, und daß es
auch wuͤrklich meine Abſicht nicht geweſen ſey, ihn
dazu zu gebrauchen. Jn wie fern dieſer Satz
wahr oder falſch ſey, das iſt hernach eine andere
Frage, die mir nichts angeht. Jſt er falſch, ſo
iſt es genug, daß ich ihm nicht brauche. Jſt er
in eigentlichen Abſichten, die zu unſerm Zweck
gehoͤren, wahr, ſo geht mir auch das nichts an,
weil er in mein Syſtem keinen Einfluß hat, nur
daß ich um deſto weniger Urſache habe mich fuͤr
ihn zu fuͤrchten.

Der Satz,
was ich nicht
ſehe, iſt nicht
da, iſt kein
Grundſatz die-
ſer Theorie.

Man muß, wenn von einem
Grundſatz eines Syſtems die Rede iſt,
dreyerley verſchiedene Dinge wohl von
einander unterſcheiden. Man kann
in einem Syſtem ſich eines Satzes

vors
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0098" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Auflo&#x0364;&#x017F;ung der Schwierigkeiten,</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">ken, der gleich am Anfange &#x017F;teht, und nach<lb/>
welchem dasjenige nicht da i&#x017F;t, was man<lb/>
nicht &#x017F;ieht</hi>&#x201F;. Jn der Folge la&#x0364;ugnet er die&#x017F;en<lb/>
Satz, und bewei&#x017F;et durch das Exempel der Ge-<lb/>
kro&#x0364;ßadern in den Fro&#x0364;&#x017F;chen, daß oft Theile ihrer<lb/>
Durch&#x017F;ichtigkeit wegen un&#x017F;ichtbar &#x017F;eyn ko&#x0364;nnten,<lb/>
und dennoch wu&#x0364;rklich vorhanden &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;ten; Er<lb/>
&#x017F;etzt hinzu, daß man auch nicht allemahl im Stan-<lb/>
de &#x017F;ey, die Durch&#x017F;ichtigkeit, durch Weingei&#x017F;t zu<lb/>
heben, und daß man folglich nicht &#x017F;chließen ko&#x0364;n-<lb/>
ne, was nicht ge&#x017F;ehn wird, &#x017F;ey nicht da. Jch<lb/>
muß al&#x017F;o zeigen, daß die&#x017F;er Satz, was man nicht<lb/>
&#x017F;ieht, i&#x017F;t nicht da, keine Stu&#x0364;tze meines Sy&#x017F;tems<lb/>
&#x017F;ey; daß ich alle meine Wahrheiten, ohne die&#x017F;en<lb/>
Satz zu beru&#x0364;hren, bewei&#x017F;en ko&#x0364;nne, und daß es<lb/>
auch wu&#x0364;rklich meine Ab&#x017F;icht nicht gewe&#x017F;en &#x017F;ey, ihn<lb/>
dazu zu gebrauchen. Jn wie fern die&#x017F;er Satz<lb/>
wahr oder fal&#x017F;ch &#x017F;ey, das i&#x017F;t hernach eine andere<lb/>
Frage, die mir nichts angeht. J&#x017F;t er fal&#x017F;ch, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es genug, daß ich ihm nicht brauche. J&#x017F;t er<lb/>
in eigentlichen Ab&#x017F;ichten, die zu un&#x017F;erm Zweck<lb/>
geho&#x0364;ren, wahr, &#x017F;o geht mir auch das nichts an,<lb/>
weil er in mein Sy&#x017F;tem keinen Einfluß hat, nur<lb/>
daß ich um de&#x017F;to weniger Ur&#x017F;ache habe mich fu&#x0364;r<lb/>
ihn zu fu&#x0364;rchten.</p><lb/>
            <note place="left">Der Satz,<lb/>
was ich nicht<lb/>
&#x017F;ehe, i&#x017F;t nicht<lb/>
da, i&#x017F;t kein<lb/>
Grund&#x017F;atz die-<lb/>
&#x017F;er Theorie.</note>
            <p>Man muß, wenn von einem<lb/>
Grund&#x017F;atz eines Sy&#x017F;tems die Rede i&#x017F;t,<lb/>
dreyerley ver&#x017F;chiedene Dinge wohl von<lb/>
einander unter&#x017F;cheiden. Man kann<lb/>
in einem Sy&#x017F;tem &#x017F;ich eines Satzes<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vors</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0098] Aufloͤſung der Schwierigkeiten, ken, der gleich am Anfange ſteht, und nach welchem dasjenige nicht da iſt, was man nicht ſieht‟. Jn der Folge laͤugnet er dieſen Satz, und beweiſet durch das Exempel der Ge- kroͤßadern in den Froͤſchen, daß oft Theile ihrer Durchſichtigkeit wegen unſichtbar ſeyn koͤnnten, und dennoch wuͤrklich vorhanden ſeyn muͤſten; Er ſetzt hinzu, daß man auch nicht allemahl im Stan- de ſey, die Durchſichtigkeit, durch Weingeiſt zu heben, und daß man folglich nicht ſchließen koͤn- ne, was nicht geſehn wird, ſey nicht da. Jch muß alſo zeigen, daß dieſer Satz, was man nicht ſieht, iſt nicht da, keine Stuͤtze meines Syſtems ſey; daß ich alle meine Wahrheiten, ohne dieſen Satz zu beruͤhren, beweiſen koͤnne, und daß es auch wuͤrklich meine Abſicht nicht geweſen ſey, ihn dazu zu gebrauchen. Jn wie fern dieſer Satz wahr oder falſch ſey, das iſt hernach eine andere Frage, die mir nichts angeht. Jſt er falſch, ſo iſt es genug, daß ich ihm nicht brauche. Jſt er in eigentlichen Abſichten, die zu unſerm Zweck gehoͤren, wahr, ſo geht mir auch das nichts an, weil er in mein Syſtem keinen Einfluß hat, nur daß ich um deſto weniger Urſache habe mich fuͤr ihn zu fuͤrchten. Man muß, wenn von einem Grundſatz eines Syſtems die Rede iſt, dreyerley verſchiedene Dinge wohl von einander unterſcheiden. Man kann in einem Syſtem ſich eines Satzes vors

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/98
Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/98>, abgerufen am 05.05.2024.