Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

von der Prädelineation.
nicht da ist, durch Schlüße beweisen, daß es
nicht da sey. Und folglich, es mag da seyn oder
nicht da seyn, so können Sie überhaupt niemahls
beweisen, daß etwas nicht da sey. Daher haben
schon die Scholastiker die so bekannte und sehr ver-
nünftige Regel gemacht affirmanti incumbit pro-
batio!
und ich auf meiner Seite werde mich so
ausdrücken: ich habe keinen Grund, warum ich
von einem Dinge, von dem ich nichts höre oder
sehe, behaupten sollte, daß es da sey; also behaup-
te ich dieses auch nicht. Jndessen aber kann ich
doch auch nicht demonstriren, daß es nicht da sey.

Uebrigens muß ich erinnern, daß eine De-
monstration der Abwesenheit eines Dinges nur so
lange unmöglich sey, als von einem Dinge oder
auch von einem Körper überhaupt gesprochen wird,
folglich so lange ich den Satz, was ich nicht se-
he, ist nicht da,
als einen allgemeinen Satz
ansehe; wie solches gut wäre, wenn man ihn in
mein System einschieben könnte. Allein die De-
monstration hört auf, unmöglich zu seyn, so bald
das Ding, davon die Rede ist, bestimmt und zu
eine gewisse Art von Körpern reducirt wird. Als-
dann sind diese Determinationen wesentlich mit
gewissen Erscheinungen verknüpft, die mir, wenn
sie nicht statt finden, einen Grund abgeben, zu
schließen, daß ein solches Ding unmöglich da seyn
könne, und folglich auch nicht da sey. Auf diese
Art kann ich zum Exempel sehr leicht beweisen,
daß in meinem Geldbeutel kein Friederichs d'or

sey;
E 3

von der Praͤdelineation.
nicht da iſt, durch Schluͤße beweiſen, daß es
nicht da ſey. Und folglich, es mag da ſeyn oder
nicht da ſeyn, ſo koͤnnen Sie uͤberhaupt niemahls
beweiſen, daß etwas nicht da ſey. Daher haben
ſchon die Scholaſtiker die ſo bekannte und ſehr ver-
nuͤnftige Regel gemacht affirmanti incumbit pro-
batio!
und ich auf meiner Seite werde mich ſo
ausdruͤcken: ich habe keinen Grund, warum ich
von einem Dinge, von dem ich nichts hoͤre oder
ſehe, behaupten ſollte, daß es da ſey; alſo behaup-
te ich dieſes auch nicht. Jndeſſen aber kann ich
doch auch nicht demonſtriren, daß es nicht da ſey.

Uebrigens muß ich erinnern, daß eine De-
monſtration der Abweſenheit eines Dinges nur ſo
lange unmoͤglich ſey, als von einem Dinge oder
auch von einem Koͤrper uͤberhaupt geſprochen wird,
folglich ſo lange ich den Satz, was ich nicht ſe-
he, iſt nicht da,
als einen allgemeinen Satz
anſehe; wie ſolches gut waͤre, wenn man ihn in
mein Syſtem einſchieben koͤnnte. Allein die De-
monſtration hoͤrt auf, unmoͤglich zu ſeyn, ſo bald
das Ding, davon die Rede iſt, beſtimmt und zu
eine gewiſſe Art von Koͤrpern reducirt wird. Als-
dann ſind dieſe Determinationen weſentlich mit
gewiſſen Erſcheinungen verknuͤpft, die mir, wenn
ſie nicht ſtatt finden, einen Grund abgeben, zu
ſchließen, daß ein ſolches Ding unmoͤglich da ſeyn
koͤnne, und folglich auch nicht da ſey. Auf dieſe
Art kann ich zum Exempel ſehr leicht beweiſen,
daß in meinem Geldbeutel kein Friederichs d’or

ſey;
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0091" n="69"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der Pra&#x0364;delineation.</hi></fw><lb/>
nicht da i&#x017F;t, durch Schlu&#x0364;ße bewei&#x017F;en, daß es<lb/>
nicht da &#x017F;ey. Und folglich, es mag da &#x017F;eyn oder<lb/>
nicht da &#x017F;eyn, &#x017F;o ko&#x0364;nnen Sie u&#x0364;berhaupt niemahls<lb/>
bewei&#x017F;en, daß etwas nicht da &#x017F;ey. Daher haben<lb/>
&#x017F;chon die Schola&#x017F;tiker die &#x017F;o bekannte und &#x017F;ehr ver-<lb/>
nu&#x0364;nftige Regel gemacht <hi rendition="#aq">affirmanti incumbit pro-<lb/>
batio!</hi> und ich auf meiner Seite werde mich &#x017F;o<lb/>
ausdru&#x0364;cken: ich habe keinen Grund, warum ich<lb/>
von einem Dinge, von dem ich nichts ho&#x0364;re oder<lb/>
&#x017F;ehe, behaupten &#x017F;ollte, daß es da &#x017F;ey; al&#x017F;o behaup-<lb/>
te ich die&#x017F;es auch nicht. Jnde&#x017F;&#x017F;en aber kann ich<lb/>
doch auch nicht demon&#x017F;triren, daß es nicht da &#x017F;ey.</p><lb/>
            <p>Uebrigens muß ich erinnern, daß eine De-<lb/>
mon&#x017F;tration der Abwe&#x017F;enheit eines Dinges nur &#x017F;o<lb/>
lange unmo&#x0364;glich &#x017F;ey, als von einem Dinge oder<lb/>
auch von einem Ko&#x0364;rper u&#x0364;berhaupt ge&#x017F;prochen wird,<lb/>
folglich &#x017F;o lange ich den Satz, <hi rendition="#fr">was ich nicht &#x017F;e-<lb/>
he, i&#x017F;t nicht da,</hi> als einen allgemeinen Satz<lb/>
an&#x017F;ehe; wie &#x017F;olches gut wa&#x0364;re, wenn man ihn in<lb/>
mein Sy&#x017F;tem ein&#x017F;chieben ko&#x0364;nnte. Allein die De-<lb/>
mon&#x017F;tration ho&#x0364;rt auf, unmo&#x0364;glich zu &#x017F;eyn, &#x017F;o bald<lb/>
das Ding, davon die Rede i&#x017F;t, be&#x017F;timmt und zu<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Art von Ko&#x0364;rpern reducirt wird. Als-<lb/>
dann &#x017F;ind die&#x017F;e Determinationen we&#x017F;entlich mit<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Er&#x017F;cheinungen verknu&#x0364;pft, die mir, wenn<lb/>
&#x017F;ie nicht &#x017F;tatt finden, einen Grund abgeben, zu<lb/>
&#x017F;chließen, daß ein &#x017F;olches Ding unmo&#x0364;glich da &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nne, und folglich auch nicht da &#x017F;ey. Auf die&#x017F;e<lb/>
Art kann ich zum Exempel &#x017F;ehr leicht bewei&#x017F;en,<lb/>
daß in meinem Geldbeutel kein Friederichs d&#x2019;or<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ey;</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0091] von der Praͤdelineation. nicht da iſt, durch Schluͤße beweiſen, daß es nicht da ſey. Und folglich, es mag da ſeyn oder nicht da ſeyn, ſo koͤnnen Sie uͤberhaupt niemahls beweiſen, daß etwas nicht da ſey. Daher haben ſchon die Scholaſtiker die ſo bekannte und ſehr ver- nuͤnftige Regel gemacht affirmanti incumbit pro- batio! und ich auf meiner Seite werde mich ſo ausdruͤcken: ich habe keinen Grund, warum ich von einem Dinge, von dem ich nichts hoͤre oder ſehe, behaupten ſollte, daß es da ſey; alſo behaup- te ich dieſes auch nicht. Jndeſſen aber kann ich doch auch nicht demonſtriren, daß es nicht da ſey. Uebrigens muß ich erinnern, daß eine De- monſtration der Abweſenheit eines Dinges nur ſo lange unmoͤglich ſey, als von einem Dinge oder auch von einem Koͤrper uͤberhaupt geſprochen wird, folglich ſo lange ich den Satz, was ich nicht ſe- he, iſt nicht da, als einen allgemeinen Satz anſehe; wie ſolches gut waͤre, wenn man ihn in mein Syſtem einſchieben koͤnnte. Allein die De- monſtration hoͤrt auf, unmoͤglich zu ſeyn, ſo bald das Ding, davon die Rede iſt, beſtimmt und zu eine gewiſſe Art von Koͤrpern reducirt wird. Als- dann ſind dieſe Determinationen weſentlich mit gewiſſen Erſcheinungen verknuͤpft, die mir, wenn ſie nicht ſtatt finden, einen Grund abgeben, zu ſchließen, daß ein ſolches Ding unmoͤglich da ſeyn koͤnne, und folglich auch nicht da ſey. Auf dieſe Art kann ich zum Exempel ſehr leicht beweiſen, daß in meinem Geldbeutel kein Friederichs d’or ſey; E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/91
Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/91>, abgerufen am 27.11.2024.