also nicht mehr, die Hypothese ist unwahr- scheinlich, sondern es heist, sie ist falsch.
Das will ich Jhnen nun also jetzo zeigen, nicht in der Absicht, als wenn ich hierauf bloß die Wahrheit bauen wollte, diese muß auf mehr unmittelbahre und mehr in die Augen fallende Gründe, auf Beobachtungen, die von der Sa- che selbst hergenommen sind, nicht auf eine Reihe von Schlüßen gebauet werden. Jch will diesen Beweis nur im Vorbeygehen mit anführen. Die vierfüßigen Thiere und Vögel geben ihn uns. Diese sind alle, so lange sie noch Embryonen sind, entweder in einem Ey, und also nicht nur in einer Schale sondern auch in einem dicken und weichen Wesen, oder aber in Häuten und mit diesen im Utero enthalten, und folglich für äußerliche Be- schädigungen sicher. Wenn nun also, wie ich sage, die Natur bey der Einwickelung der jüngern Theile keine andere Absicht hat, als die Erhaltung derselben, so wird bey den Thieren diese Einwicke- lung der jüngern in ältere Theile nicht nöthig seyn, und da die Natur nichts umsonst thut, so muß sie bey denselben nicht statt finden. Sie findet aber auch in der That nicht nur nicht statt, sondern sie findet auch so sehr nicht statt, daß, gleichsam als wenn die Natur gegen meinen Antagonisten sich recht eigensinnig bezeigen wollte, vielmehr das Gegentheil geschiehet; denn das Herz wird, an statt daß es innerhalb der ältern Theile herfürge- bracht und organisirt werden sollte, außer dem
Leibe
D 3
von der Praͤdelineation.
alſo nicht mehr, die Hypotheſe iſt unwahr- ſcheinlich, ſondern es heiſt, ſie iſt falſch.
Das will ich Jhnen nun alſo jetzo zeigen, nicht in der Abſicht, als wenn ich hierauf bloß die Wahrheit bauen wollte, dieſe muß auf mehr unmittelbahre und mehr in die Augen fallende Gruͤnde, auf Beobachtungen, die von der Sa- che ſelbſt hergenommen ſind, nicht auf eine Reihe von Schluͤßen gebauet werden. Jch will dieſen Beweis nur im Vorbeygehen mit anfuͤhren. Die vierfuͤßigen Thiere und Voͤgel geben ihn uns. Dieſe ſind alle, ſo lange ſie noch Embryonen ſind, entweder in einem Ey, und alſo nicht nur in einer Schale ſondern auch in einem dicken und weichen Weſen, oder aber in Haͤuten und mit dieſen im Utero enthalten, und folglich fuͤr aͤußerliche Be- ſchaͤdigungen ſicher. Wenn nun alſo, wie ich ſage, die Natur bey der Einwickelung der juͤngern Theile keine andere Abſicht hat, als die Erhaltung derſelben, ſo wird bey den Thieren dieſe Einwicke- lung der juͤngern in aͤltere Theile nicht noͤthig ſeyn, und da die Natur nichts umſonſt thut, ſo muß ſie bey denſelben nicht ſtatt finden. Sie findet aber auch in der That nicht nur nicht ſtatt, ſondern ſie findet auch ſo ſehr nicht ſtatt, daß, gleichſam als wenn die Natur gegen meinen Antagoniſten ſich recht eigenſinnig bezeigen wollte, vielmehr das Gegentheil geſchiehet; denn das Herz wird, an ſtatt daß es innerhalb der aͤltern Theile herfuͤrge- bracht und organiſirt werden ſollte, außer dem
Leibe
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[53/0075]
von der Praͤdelineation.
alſo nicht mehr, die Hypotheſe iſt unwahr-
ſcheinlich, ſondern es heiſt, ſie iſt falſch.
Das will ich Jhnen nun alſo jetzo zeigen,
nicht in der Abſicht, als wenn ich hierauf bloß
die Wahrheit bauen wollte, dieſe muß auf mehr
unmittelbahre und mehr in die Augen fallende
Gruͤnde, auf Beobachtungen, die von der Sa-
che ſelbſt hergenommen ſind, nicht auf eine Reihe
von Schluͤßen gebauet werden. Jch will dieſen
Beweis nur im Vorbeygehen mit anfuͤhren. Die
vierfuͤßigen Thiere und Voͤgel geben ihn uns.
Dieſe ſind alle, ſo lange ſie noch Embryonen ſind,
entweder in einem Ey, und alſo nicht nur in einer
Schale ſondern auch in einem dicken und weichen
Weſen, oder aber in Haͤuten und mit dieſen im
Utero enthalten, und folglich fuͤr aͤußerliche Be-
ſchaͤdigungen ſicher. Wenn nun alſo, wie ich
ſage, die Natur bey der Einwickelung der juͤngern
Theile keine andere Abſicht hat, als die Erhaltung
derſelben, ſo wird bey den Thieren dieſe Einwicke-
lung der juͤngern in aͤltere Theile nicht noͤthig ſeyn,
und da die Natur nichts umſonſt thut, ſo muß ſie
bey denſelben nicht ſtatt finden. Sie findet aber
auch in der That nicht nur nicht ſtatt, ſondern ſie
findet auch ſo ſehr nicht ſtatt, daß, gleichſam als
wenn die Natur gegen meinen Antagoniſten ſich
recht eigenſinnig bezeigen wollte, vielmehr das
Gegentheil geſchiehet; denn das Herz wird, an
ſtatt daß es innerhalb der aͤltern Theile herfuͤrge-
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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/75>, abgerufen am 27.07.2024.
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