Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Unwahrscheinlichkeit der Hypothes.
schobenen Theilen erst, als erwachsene, zum Vor-
schein kommen, worüber Herr Bonnet pag. 103
sich so wundert. Jch sehe im Vorbeygehen, daß
er würklich jene existirende Evolution mit der in
der Hypothese angenommenen völlig vermischt, und
für einerley hält. Er sagt an eben dem Ort p. 103.
"Il y a plaus, on observe, pour ainsi dire, a l'
"oeil, cet enveloppement. On decouvre dans
"un Oignon d'Hyacinte jusqu' a quatrieme Ge-
"neration".
Es ist also wohl nöthig, wie ich
merke, daß ich diese Sache ein wenig ausein-
ander setze.

Bey denen filicibus, welche in ihrem Bau
von den Pflanzen im eigentlichen Verstande sehr
unterschieden sind, indem die ganze Pflanze eigent-
lich nur ein einziges zusammengesetztes Blatt ist,
kann die Einwickelung der jungen Theile durch
ordentliche Knospen oder Augen, dieser besondern
Strucktur wegen, nicht bewerkstelliget werden.
Sie bekommen also auch keine Knospen, wie an-
dere Pflanzen haben. Jst nun der Endzweck bey
den gemmis etwas anderes, als die bloße Ver-
wahrung der jungen Theile gewesen, so wird sich
dieses hier vielleicht offenbaren. Es wird der-
selbe Endzweck durch andere Mittel erreicht, und
dieselbe Sache auf eine andere Art bewerkstelliget
werden. Und also werden wir auf diese Art hin-
ter die wahre Absicht der Natur kommen können.
Jst aber, wie ich sage, die bloße Verwahrung der
jungen zarten Theile der Endzweck bey den Knos-

pen

Unwahrſcheinlichkeit der Hypotheſ.
ſchobenen Theilen erſt, als erwachſene, zum Vor-
ſchein kommen, woruͤber Herr Bonnet pag. 103
ſich ſo wundert. Jch ſehe im Vorbeygehen, daß
er wuͤrklich jene exiſtirende Evolution mit der in
der Hypotheſe angenommenen voͤllig vermiſcht, und
fuͤr einerley haͤlt. Er ſagt an eben dem Ort p. 103.
„Il y a plûs, on obſerve, pour ainſi dire, a l’
„œil, cet enveloppement. On decouvre dans
„un Oignon d’Hyacinte jusqu’ a quatrieme Ge-
„neration‟.
Es iſt alſo wohl noͤthig, wie ich
merke, daß ich dieſe Sache ein wenig ausein-
ander ſetze.

Bey denen filicibus, welche in ihrem Bau
von den Pflanzen im eigentlichen Verſtande ſehr
unterſchieden ſind, indem die ganze Pflanze eigent-
lich nur ein einziges zuſammengeſetztes Blatt iſt,
kann die Einwickelung der jungen Theile durch
ordentliche Knoſpen oder Augen, dieſer beſondern
Strucktur wegen, nicht bewerkſtelliget werden.
Sie bekommen alſo auch keine Knoſpen, wie an-
dere Pflanzen haben. Jſt nun der Endzweck bey
den gemmis etwas anderes, als die bloße Ver-
wahrung der jungen Theile geweſen, ſo wird ſich
dieſes hier vielleicht offenbaren. Es wird der-
ſelbe Endzweck durch andere Mittel erreicht, und
dieſelbe Sache auf eine andere Art bewerkſtelliget
werden. Und alſo werden wir auf dieſe Art hin-
ter die wahre Abſicht der Natur kommen koͤnnen.
Jſt aber, wie ich ſage, die bloße Verwahrung der
jungen zarten Theile der Endzweck bey den Knoſ-

pen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0072" n="50"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Unwahr&#x017F;cheinlichkeit der Hypothe&#x017F;.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chobenen Theilen er&#x017F;t, als erwach&#x017F;ene, zum Vor-<lb/>
&#x017F;chein kommen, woru&#x0364;ber Herr <hi rendition="#fr">Bonnet</hi> pag. 103<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o wundert. Jch &#x017F;ehe im Vorbeygehen, daß<lb/>
er wu&#x0364;rklich jene exi&#x017F;tirende Evolution mit der in<lb/>
der Hypothe&#x017F;e angenommenen vo&#x0364;llig vermi&#x017F;cht, und<lb/>
fu&#x0364;r einerley ha&#x0364;lt. Er &#x017F;agt an eben dem Ort <hi rendition="#aq">p. 103.<lb/>
&#x201E;Il y a plûs, on ob&#x017F;erve, pour ain&#x017F;i dire, a l&#x2019;<lb/>
&#x201E;&#x0153;il, cet enveloppement. On decouvre dans<lb/>
&#x201E;un Oignon d&#x2019;Hyacinte jusqu&#x2019; a quatrieme Ge-<lb/>
&#x201E;neration&#x201F;.</hi> Es i&#x017F;t al&#x017F;o wohl no&#x0364;thig, wie ich<lb/>
merke, daß ich die&#x017F;e Sache ein wenig ausein-<lb/>
ander &#x017F;etze.</p><lb/>
            <p>Bey denen <hi rendition="#aq">filicibus,</hi> welche in ihrem Bau<lb/>
von den Pflanzen im eigentlichen Ver&#x017F;tande &#x017F;ehr<lb/>
unter&#x017F;chieden &#x017F;ind, indem die ganze Pflanze eigent-<lb/>
lich nur ein einziges zu&#x017F;ammenge&#x017F;etztes Blatt i&#x017F;t,<lb/>
kann die Einwickelung der jungen Theile durch<lb/>
ordentliche Kno&#x017F;pen oder Augen, die&#x017F;er be&#x017F;ondern<lb/>
Strucktur wegen, nicht bewerk&#x017F;telliget werden.<lb/>
Sie bekommen al&#x017F;o auch keine Kno&#x017F;pen, wie an-<lb/>
dere Pflanzen haben. J&#x017F;t nun der Endzweck bey<lb/>
den <hi rendition="#aq">gemmis</hi> etwas anderes, als die bloße Ver-<lb/>
wahrung der jungen Theile gewe&#x017F;en, &#x017F;o wird &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;es hier vielleicht offenbaren. Es wird der-<lb/>
&#x017F;elbe Endzweck durch andere Mittel erreicht, und<lb/>
die&#x017F;elbe Sache auf eine andere Art bewerk&#x017F;telliget<lb/>
werden. Und al&#x017F;o werden wir auf die&#x017F;e Art hin-<lb/>
ter die wahre Ab&#x017F;icht der Natur kommen ko&#x0364;nnen.<lb/>
J&#x017F;t aber, wie ich &#x017F;age, die bloße Verwahrung der<lb/>
jungen zarten Theile der Endzweck bey den Kno&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">pen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0072] Unwahrſcheinlichkeit der Hypotheſ. ſchobenen Theilen erſt, als erwachſene, zum Vor- ſchein kommen, woruͤber Herr Bonnet pag. 103 ſich ſo wundert. Jch ſehe im Vorbeygehen, daß er wuͤrklich jene exiſtirende Evolution mit der in der Hypotheſe angenommenen voͤllig vermiſcht, und fuͤr einerley haͤlt. Er ſagt an eben dem Ort p. 103. „Il y a plûs, on obſerve, pour ainſi dire, a l’ „œil, cet enveloppement. On decouvre dans „un Oignon d’Hyacinte jusqu’ a quatrieme Ge- „neration‟. Es iſt alſo wohl noͤthig, wie ich merke, daß ich dieſe Sache ein wenig ausein- ander ſetze. Bey denen filicibus, welche in ihrem Bau von den Pflanzen im eigentlichen Verſtande ſehr unterſchieden ſind, indem die ganze Pflanze eigent- lich nur ein einziges zuſammengeſetztes Blatt iſt, kann die Einwickelung der jungen Theile durch ordentliche Knoſpen oder Augen, dieſer beſondern Strucktur wegen, nicht bewerkſtelliget werden. Sie bekommen alſo auch keine Knoſpen, wie an- dere Pflanzen haben. Jſt nun der Endzweck bey den gemmis etwas anderes, als die bloße Ver- wahrung der jungen Theile geweſen, ſo wird ſich dieſes hier vielleicht offenbaren. Es wird der- ſelbe Endzweck durch andere Mittel erreicht, und dieſelbe Sache auf eine andere Art bewerkſtelliget werden. Und alſo werden wir auf dieſe Art hin- ter die wahre Abſicht der Natur kommen koͤnnen. Jſt aber, wie ich ſage, die bloße Verwahrung der jungen zarten Theile der Endzweck bey den Knoſ- pen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/72
Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/72>, abgerufen am 06.05.2024.