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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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Hypothesen von der Generation.
und allen andern am häusigsten antreffen, ist die-
se, daß sie schlechtweg die Struktur der Theile ana-
tomisch und also historisch beschreiben, und ohne
weitere Umstände alsdann diese Beschreibung für
eine physische Erklärung ausgeben. Sie werden
sagen, wo steckt denn hier die Kunst, oder das
wahrscheinliche Ansehen einer wahren Erklärung.
Freylich, wenn ich Jhnen vorher sage, was zu
einer Erklärung erfordert wird, und alsdann ohne
Umschweife bestimme, was der Verfasser gethan
hat, so sehen Sie wohl, daß er nicht erklärt hat;
allein Sie müssen sich an seine Stelle setzen,
Sie müssen vors erste zum Voraus setzen, daß
Sie keinen recht deutlichen Begriff von einer Er-
klärung haben, daß Sie über diesen, als über ei-
ne Kleinigkeit, welche einem jeden so schon hin-
länglich klar seyn müsse, weggehn. Alsdann
müssen Sie den Verfasser Schritt für Schritt fol-
gen. Dieser steht also, und Sie eben so wohl,
daß die Pflanzen, in dem sie wachsen, sich gleich-
sam aus einem Punkt in ihre verschiedene Theile,
Stamm, Aeste, Zweige, Blätter, allmählig
ausdehnen. Auf diese Art entstehen also die
Pflanzen; und folglich ist hierbey weiter nichts zu
erklären übrig, als den ersten Ursprung der Theile
zu entdecken, oder gleichsam das Nest zu entdecken,
aus welchem die verschiedene Theile entspringen.
Dieses alles aber, bemercken Sie es sich wohl,
sagen unsere Naturforscher nicht mit ausdrückli-
chen Worten, aber es befindet sich dunkel in ihrer
Seele, und es ist der Grund der Methode ihrer

gleich
B 2

Hypotheſen von der Generation.
und allen andern am haͤuſigſten antreffen, iſt die-
ſe, daß ſie ſchlechtweg die Struktur der Theile ana-
tomiſch und alſo hiſtoriſch beſchreiben, und ohne
weitere Umſtaͤnde alsdann dieſe Beſchreibung fuͤr
eine phyſiſche Erklaͤrung ausgeben. Sie werden
ſagen, wo ſteckt denn hier die Kunſt, oder das
wahrſcheinliche Anſehen einer wahren Erklaͤrung.
Freylich, wenn ich Jhnen vorher ſage, was zu
einer Erklaͤrung erfordert wird, und alsdann ohne
Umſchweife beſtimme, was der Verfaſſer gethan
hat, ſo ſehen Sie wohl, daß er nicht erklaͤrt hat;
allein Sie muͤſſen ſich an ſeine Stelle ſetzen,
Sie muͤſſen vors erſte zum Voraus ſetzen, daß
Sie keinen recht deutlichen Begriff von einer Er-
klaͤrung haben, daß Sie uͤber dieſen, als uͤber ei-
ne Kleinigkeit, welche einem jeden ſo ſchon hin-
laͤnglich klar ſeyn muͤſſe, weggehn. Alsdann
muͤſſen Sie den Verfaſſer Schritt fuͤr Schritt fol-
gen. Dieſer ſteht alſo, und Sie eben ſo wohl,
daß die Pflanzen, in dem ſie wachſen, ſich gleich-
ſam aus einem Punkt in ihre verſchiedene Theile,
Stamm, Aeſte, Zweige, Blaͤtter, allmaͤhlig
ausdehnen. Auf dieſe Art entſtehen alſo die
Pflanzen; und folglich iſt hierbey weiter nichts zu
erklaͤren uͤbrig, als den erſten Urſprung der Theile
zu entdecken, oder gleichſam das Neſt zu entdecken,
aus welchem die verſchiedene Theile entſpringen.
Dieſes alles aber, bemercken Sie es ſich wohl,
ſagen unſere Naturforſcher nicht mit ausdruͤckli-
chen Worten, aber es befindet ſich dunkel in ihrer
Seele, und es iſt der Grund der Methode ihrer

gleich
B 2
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[19/0041] Hypotheſen von der Generation. und allen andern am haͤuſigſten antreffen, iſt die- ſe, daß ſie ſchlechtweg die Struktur der Theile ana- tomiſch und alſo hiſtoriſch beſchreiben, und ohne weitere Umſtaͤnde alsdann dieſe Beſchreibung fuͤr eine phyſiſche Erklaͤrung ausgeben. Sie werden ſagen, wo ſteckt denn hier die Kunſt, oder das wahrſcheinliche Anſehen einer wahren Erklaͤrung. Freylich, wenn ich Jhnen vorher ſage, was zu einer Erklaͤrung erfordert wird, und alsdann ohne Umſchweife beſtimme, was der Verfaſſer gethan hat, ſo ſehen Sie wohl, daß er nicht erklaͤrt hat; allein Sie muͤſſen ſich an ſeine Stelle ſetzen, Sie muͤſſen vors erſte zum Voraus ſetzen, daß Sie keinen recht deutlichen Begriff von einer Er- klaͤrung haben, daß Sie uͤber dieſen, als uͤber ei- ne Kleinigkeit, welche einem jeden ſo ſchon hin- laͤnglich klar ſeyn muͤſſe, weggehn. Alsdann muͤſſen Sie den Verfaſſer Schritt fuͤr Schritt fol- gen. Dieſer ſteht alſo, und Sie eben ſo wohl, daß die Pflanzen, in dem ſie wachſen, ſich gleich- ſam aus einem Punkt in ihre verſchiedene Theile, Stamm, Aeſte, Zweige, Blaͤtter, allmaͤhlig ausdehnen. Auf dieſe Art entſtehen alſo die Pflanzen; und folglich iſt hierbey weiter nichts zu erklaͤren uͤbrig, als den erſten Urſprung der Theile zu entdecken, oder gleichſam das Neſt zu entdecken, aus welchem die verſchiedene Theile entſpringen. Dieſes alles aber, bemercken Sie es ſich wohl, ſagen unſere Naturforſcher nicht mit ausdruͤckli- chen Worten, aber es befindet ſich dunkel in ihrer Seele, und es iſt der Grund der Methode ihrer gleich B 2

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/41>, abgerufen am 23.11.2024.