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F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mir werden? -- Erschrocken sah ich sie an: Also du gewahrtest die Gestalt ebenfalls? -- Thörichtes Kind, es war R., wie kannst du daran zweifeln? Aber ach, wie hätte er zu unglückseligerer Stunde kommen können! Was wird er denken, was sagen? -- Nie, nie sollte man der Eingebung auch des untadelhaftesten Gefühls folgen, wenn der Schein zweifelhaft ist. In Gegenwart von Tausenden könnte ich, freigesprochen vom eignen Bewußtsein, meine Hand auf Sternheim's Arm legen und fragen: Was fehlt Ihnen? Aber was ich Angesichts der ganzen Welt könnte, nie würde ich es in R.'s Gegenwart gewagt haben! Theure Emmy, sieh, ob Licht in R.'s Zimmer ist, mir fehlt die Kraft, selber hinzugehen. -- Ich eilte aus den Vorsaal, von wo aus man diese Fenster übersieht, und brachte ihr die bestätigende Nachricht. Sie zitterte vor innerer Erregung und sagte sehr bewegt: Meine einzige Furcht ist, daß er abreist, ohne mich zu sehen; o Emmy, wenn du mich lieb hast, so schaffe Hülfe, versprich, versprich mir, daß ich ihn zuvor sehen werde. Ihr rührendes Vertrauen bewegte mich tief: Ich verspreche es dir, ich will zu ihm gehn. -- Sie sah mich groß an: Das willst du? Ach, der Himmel, segne dich dafür, du liebster Engel! -- Zu keinem Besinnen mir Zeit lassend, trat ich rasch den Weg an; mit bebender Hand klopfte ich an die Thür seines Zimmers. Ein ziemlich rauhes "Herein!" gestattete mir den Eingang. Er saß am Tisch, einen Brief in

mir werden? — Erschrocken sah ich sie an: Also du gewahrtest die Gestalt ebenfalls? — Thörichtes Kind, es war R., wie kannst du daran zweifeln? Aber ach, wie hätte er zu unglückseligerer Stunde kommen können! Was wird er denken, was sagen? — Nie, nie sollte man der Eingebung auch des untadelhaftesten Gefühls folgen, wenn der Schein zweifelhaft ist. In Gegenwart von Tausenden könnte ich, freigesprochen vom eignen Bewußtsein, meine Hand auf Sternheim's Arm legen und fragen: Was fehlt Ihnen? Aber was ich Angesichts der ganzen Welt könnte, nie würde ich es in R.'s Gegenwart gewagt haben! Theure Emmy, sieh, ob Licht in R.'s Zimmer ist, mir fehlt die Kraft, selber hinzugehen. — Ich eilte aus den Vorsaal, von wo aus man diese Fenster übersieht, und brachte ihr die bestätigende Nachricht. Sie zitterte vor innerer Erregung und sagte sehr bewegt: Meine einzige Furcht ist, daß er abreist, ohne mich zu sehen; o Emmy, wenn du mich lieb hast, so schaffe Hülfe, versprich, versprich mir, daß ich ihn zuvor sehen werde. Ihr rührendes Vertrauen bewegte mich tief: Ich verspreche es dir, ich will zu ihm gehn. — Sie sah mich groß an: Das willst du? Ach, der Himmel, segne dich dafür, du liebster Engel! — Zu keinem Besinnen mir Zeit lassend, trat ich rasch den Weg an; mit bebender Hand klopfte ich an die Thür seines Zimmers. Ein ziemlich rauhes „Herein!“ gestattete mir den Eingang. Er saß am Tisch, einen Brief in

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[0074] mir werden? — Erschrocken sah ich sie an: Also du gewahrtest die Gestalt ebenfalls? — Thörichtes Kind, es war R., wie kannst du daran zweifeln? Aber ach, wie hätte er zu unglückseligerer Stunde kommen können! Was wird er denken, was sagen? — Nie, nie sollte man der Eingebung auch des untadelhaftesten Gefühls folgen, wenn der Schein zweifelhaft ist. In Gegenwart von Tausenden könnte ich, freigesprochen vom eignen Bewußtsein, meine Hand auf Sternheim's Arm legen und fragen: Was fehlt Ihnen? Aber was ich Angesichts der ganzen Welt könnte, nie würde ich es in R.'s Gegenwart gewagt haben! Theure Emmy, sieh, ob Licht in R.'s Zimmer ist, mir fehlt die Kraft, selber hinzugehen. — Ich eilte aus den Vorsaal, von wo aus man diese Fenster übersieht, und brachte ihr die bestätigende Nachricht. Sie zitterte vor innerer Erregung und sagte sehr bewegt: Meine einzige Furcht ist, daß er abreist, ohne mich zu sehen; o Emmy, wenn du mich lieb hast, so schaffe Hülfe, versprich, versprich mir, daß ich ihn zuvor sehen werde. Ihr rührendes Vertrauen bewegte mich tief: Ich verspreche es dir, ich will zu ihm gehn. — Sie sah mich groß an: Das willst du? Ach, der Himmel, segne dich dafür, du liebster Engel! — Zu keinem Besinnen mir Zeit lassend, trat ich rasch den Weg an; mit bebender Hand klopfte ich an die Thür seines Zimmers. Ein ziemlich rauhes „Herein!“ gestattete mir den Eingang. Er saß am Tisch, einen Brief in

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:52:17Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/74>, abgerufen am 25.11.2024.