Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

pwo_074.001
gewant, liep unde leit
, ferner Ergänzungen wie weip unde man, pwo_074.002
ere unde leip
u. a., schon im Hildebrandslied besonders alte anti pwo_074.003
frote, sumaro enti wintro
mit der Zahl der Jahre.

pwo_074.004

Zu festen Formeln sind namentlich die Bezeichnungen und Vergleiche pwo_074.005
für Rüstung und Kampf überall in dieser Poesie gefügt. pwo_074.006
Doch lassen sich auch sonst vielfach stehende Ausdrücke und Redensarten pwo_074.007
erkennen. Schon der Anfang der Lieder setzt gern mit einer pwo_074.008
stereotypen Wendung ein. Talvj betont, wie eine ganze Anzahl serbischer pwo_074.009
Volkslieder beginnt:

pwo_074.010
"Tranken Wein zwei wackere Serbenhelden",
pwo_074.011

oder dem ähnlich; eine andere Anzahl:

pwo_074.012
"Jn der Frühe ritten die Woiwoden."
pwo_074.013

Eine ältere und natürlichere Einleitungsformel können wir in der pwo_074.014
deutschen Dichtung beobachten: die Quellenberufung. Nicht nur das pwo_074.015
Hildebrandslied beginnt:

pwo_074.016

"Ik gihorta dhat seggen";

pwo_074.017

wie derselbe Stil auf andere mündlich fortgepflanzte Dichtungen übergeht, pwo_074.018
darf man auch das Wessobrunner Gebet heranziehen, das ähnlich pwo_074.019
einsetzt:

pwo_074.020

"Dat gefregin ih mit firahim."

pwo_074.021

Ebenso lernten wir schon beiher die stehende Einführung der direkten pwo_074.022
Rede kennen. Ja, auch in der Rede und ihrer Vorankündigung sowie pwo_074.023
in Frage und Antwort kehren die gleichen Wendungen wieder. Jm pwo_074.024
eddischen Lied von Thrym vergleiche man wiederholt (Strophe 26 pwo_074.025
und 28):

pwo_074.026
"Bei Freyja saß | die findige Magd, pwo_074.027
Die Erwid'rung wußte | auf das Wort des Riesen."
pwo_074.028

Thrym fragt (Strophe 6):

pwo_074.029
"Wie steht's bei den Asen, | wie steht's bei den Elben? pwo_074.030
Was reistest du einsam | nach Riesenheim?"
pwo_074.031

Loki.

pwo_074.032
Schlimm steht's bei den Asen, | schlimm steht's bei den Elben; pwo_074.033
Hast du Hlorridis | Hammer verborgen?

pwo_074.001
gewant, liep unde leit
, ferner Ergänzungen wie wîp unde man, pwo_074.002
êre unde lîp
u. a., schon im Hildebrandslied besonders alte anti pwo_074.003
frôte, sumaro enti wintro
mit der Zahl der Jahre.

pwo_074.004

  Zu festen Formeln sind namentlich die Bezeichnungen und Vergleiche pwo_074.005
für Rüstung und Kampf überall in dieser Poesie gefügt. pwo_074.006
Doch lassen sich auch sonst vielfach stehende Ausdrücke und Redensarten pwo_074.007
erkennen. Schon der Anfang der Lieder setzt gern mit einer pwo_074.008
stereotypen Wendung ein. Talvj betont, wie eine ganze Anzahl serbischer pwo_074.009
Volkslieder beginnt:

pwo_074.010
„Tranken Wein zwei wackere Serbenhelden“,
pwo_074.011

oder dem ähnlich; eine andere Anzahl:

pwo_074.012
„Jn der Frühe ritten die Woiwoden.“
pwo_074.013

Eine ältere und natürlichere Einleitungsformel können wir in der pwo_074.014
deutschen Dichtung beobachten: die Quellenberufung. Nicht nur das pwo_074.015
Hildebrandslied beginnt:

pwo_074.016

„Ik gihôrta dhat seggen“;

pwo_074.017

wie derselbe Stil auf andere mündlich fortgepflanzte Dichtungen übergeht, pwo_074.018
darf man auch das Wessobrunner Gebet heranziehen, das ähnlich pwo_074.019
einsetzt:

pwo_074.020

„Dat gefregin ih mit firahim.“

pwo_074.021

Ebenso lernten wir schon beiher die stehende Einführung der direkten pwo_074.022
Rede kennen. Ja, auch in der Rede und ihrer Vorankündigung sowie pwo_074.023
in Frage und Antwort kehren die gleichen Wendungen wieder. Jm pwo_074.024
eddischen Lied von Thrym vergleiche man wiederholt (Strophe 26 pwo_074.025
und 28):

pwo_074.026
„Bei Freyja saß │ die findige Magd, pwo_074.027
Die Erwid'rung wußte │ auf das Wort des Riesen.“
pwo_074.028

Thrym fragt (Strophe 6):

pwo_074.029
„Wie steht's bei den Asen, │ wie steht's bei den Elben? pwo_074.030
Was reistest du einsam │ nach Riesenheim?“
pwo_074.031

Loki.

pwo_074.032
Schlimm steht's bei den Asen, │ schlimm steht's bei den Elben; pwo_074.033
Hast du Hlorridis │ Hammer verborgen?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0088" n="74"/><lb n="pwo_074.001"/>
gewant, liep unde leit</hi>, ferner Ergänzungen wie <hi rendition="#aq">wîp unde man, <lb n="pwo_074.002"/>
êre unde lîp</hi> u. a., schon im Hildebrandslied besonders <hi rendition="#aq">alte anti <lb n="pwo_074.003"/>
frôte, sumaro enti wintro</hi> mit der Zahl der Jahre.</p>
            <lb n="pwo_074.004"/>
            <p>  Zu festen Formeln sind namentlich die Bezeichnungen und Vergleiche <lb n="pwo_074.005"/>
für Rüstung und Kampf überall in dieser Poesie gefügt. <lb n="pwo_074.006"/>
Doch lassen sich auch sonst vielfach stehende Ausdrücke und Redensarten <lb n="pwo_074.007"/>
erkennen. Schon der Anfang der Lieder setzt gern mit einer <lb n="pwo_074.008"/>
stereotypen Wendung ein. Talvj betont, wie eine ganze Anzahl serbischer <lb n="pwo_074.009"/>
Volkslieder beginnt:</p>
            <lb n="pwo_074.010"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Tranken Wein zwei wackere Serbenhelden&#x201C;,</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_074.011"/>
            <p>oder dem ähnlich; eine andere Anzahl:</p>
            <lb n="pwo_074.012"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Jn der Frühe ritten die Woiwoden.&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_074.013"/>
            <p>Eine ältere und natürlichere Einleitungsformel können wir in der <lb n="pwo_074.014"/>
deutschen Dichtung beobachten: die Quellenberufung. Nicht nur das <lb n="pwo_074.015"/>
Hildebrandslied beginnt:</p>
            <lb n="pwo_074.016"/>
            <p>
              <lg>
                <l><hi rendition="#aq">&#x201E;Ik gihôrta dhat seggen</hi>&#x201C;;</l>
              </lg>
            </p>
            <lb n="pwo_074.017"/>
            <p>wie derselbe Stil auf andere mündlich fortgepflanzte Dichtungen übergeht, <lb n="pwo_074.018"/>
darf man auch das Wessobrunner Gebet heranziehen, das ähnlich <lb n="pwo_074.019"/>
einsetzt:</p>
            <lb n="pwo_074.020"/>
            <p> <hi rendition="#aq">
                <lg>
                  <l>&#x201E;Dat gefregin ih mit firahim.&#x201C;</l>
                </lg>
              </hi> </p>
            <lb n="pwo_074.021"/>
            <p>Ebenso lernten wir schon beiher die stehende Einführung der direkten <lb n="pwo_074.022"/>
Rede kennen. Ja, auch in der Rede und ihrer Vorankündigung sowie <lb n="pwo_074.023"/>
in Frage und Antwort kehren die gleichen Wendungen wieder. Jm <lb n="pwo_074.024"/>
eddischen Lied von Thrym vergleiche man wiederholt (Strophe 26 <lb n="pwo_074.025"/>
und 28):</p>
            <lb n="pwo_074.026"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Bei Freyja saß &#x2502; die findige Magd,</l>
              <lb n="pwo_074.027"/>
              <l>Die Erwid'rung wußte &#x2502; auf das Wort des Riesen.&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_074.028"/>
            <p>Thrym fragt (Strophe 6):</p>
            <lb n="pwo_074.029"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Wie steht's bei den Asen, &#x2502; wie steht's bei den Elben?</l>
              <lb n="pwo_074.030"/>
              <l>Was reistest du einsam &#x2502; nach Riesenheim?&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_074.031"/>
            <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Loki</hi>.</hi> </p>
            <lb n="pwo_074.032"/>
            <lg>
              <l>Schlimm steht's bei den Asen, &#x2502; schlimm steht's bei den Elben;</l>
              <lb n="pwo_074.033"/>
              <l>Hast du Hlorridis &#x2502; Hammer verborgen?</l>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0088] pwo_074.001 gewant, liep unde leit, ferner Ergänzungen wie wîp unde man, pwo_074.002 êre unde lîp u. a., schon im Hildebrandslied besonders alte anti pwo_074.003 frôte, sumaro enti wintro mit der Zahl der Jahre. pwo_074.004   Zu festen Formeln sind namentlich die Bezeichnungen und Vergleiche pwo_074.005 für Rüstung und Kampf überall in dieser Poesie gefügt. pwo_074.006 Doch lassen sich auch sonst vielfach stehende Ausdrücke und Redensarten pwo_074.007 erkennen. Schon der Anfang der Lieder setzt gern mit einer pwo_074.008 stereotypen Wendung ein. Talvj betont, wie eine ganze Anzahl serbischer pwo_074.009 Volkslieder beginnt: pwo_074.010 „Tranken Wein zwei wackere Serbenhelden“, pwo_074.011 oder dem ähnlich; eine andere Anzahl: pwo_074.012 „Jn der Frühe ritten die Woiwoden.“ pwo_074.013 Eine ältere und natürlichere Einleitungsformel können wir in der pwo_074.014 deutschen Dichtung beobachten: die Quellenberufung. Nicht nur das pwo_074.015 Hildebrandslied beginnt: pwo_074.016 „Ik gihôrta dhat seggen“; pwo_074.017 wie derselbe Stil auf andere mündlich fortgepflanzte Dichtungen übergeht, pwo_074.018 darf man auch das Wessobrunner Gebet heranziehen, das ähnlich pwo_074.019 einsetzt: pwo_074.020 „Dat gefregin ih mit firahim.“ pwo_074.021 Ebenso lernten wir schon beiher die stehende Einführung der direkten pwo_074.022 Rede kennen. Ja, auch in der Rede und ihrer Vorankündigung sowie pwo_074.023 in Frage und Antwort kehren die gleichen Wendungen wieder. Jm pwo_074.024 eddischen Lied von Thrym vergleiche man wiederholt (Strophe 26 pwo_074.025 und 28): pwo_074.026 „Bei Freyja saß │ die findige Magd, pwo_074.027 Die Erwid'rung wußte │ auf das Wort des Riesen.“ pwo_074.028 Thrym fragt (Strophe 6): pwo_074.029 „Wie steht's bei den Asen, │ wie steht's bei den Elben? pwo_074.030 Was reistest du einsam │ nach Riesenheim?“ pwo_074.031 Loki. pwo_074.032 Schlimm steht's bei den Asen, │ schlimm steht's bei den Elben; pwo_074.033 Hast du Hlorridis │ Hammer verborgen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/88
Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/88>, abgerufen am 03.05.2024.