Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_068.001 Was macht aus diesen geschichtlichen Thatsachen die Volksphantasie? pwo_068.006 Noch schärfer können wir die geschichtlichen Bestandteile der pwo_068.018 Aus allem diesen wird zunächst die Vermählung von Gundaharis pwo_068.026 pwo_068.001 Was macht aus diesen geschichtlichen Thatsachen die Volksphantasie? pwo_068.006 Noch schärfer können wir die geschichtlichen Bestandteile der pwo_068.018 Aus allem diesen wird zunächst die Vermählung von Gundaharis pwo_068.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0082" n="68"/><lb n="pwo_068.001"/> den römischen Kaiser; aber siebzehn Jahre später fällt Odovakar selbst <lb n="pwo_068.002"/> durch List von der Hand Theodorichs. An diese große Persönlichkeit <lb n="pwo_068.003"/> knüpft sich die Blüte des ostgothischen Reiches. Schon 552 erliegt <lb n="pwo_068.004"/> auch dieses dem Ansturm des byzantinischen Heeres.</p> <lb n="pwo_068.005"/> <p> Was macht aus diesen geschichtlichen Thatsachen die Volksphantasie? <lb n="pwo_068.006"/> Jn ihr blieb der endgültige Untergang des Ostgothenreiches fester <lb n="pwo_068.007"/> haften als die vorübergegangene Blüte. Andererseits war ihr Theodorich <lb n="pwo_068.008"/> (Dietrich) als Hauptträger ostgothischer Heldenkämpfe geläufig. <lb n="pwo_068.009"/> So kehrt sie die geschichtliche Ueberlieferung geradezu um: Ermanrich <lb n="pwo_068.010"/> wird mit Odovakar zusammengeworfen und zum gefährlichsten Feind <lb n="pwo_068.011"/> Dietrichs gestempelt. Vor seinem Zorn flieht Dietrich; alle Mannen, <lb n="pwo_068.012"/> d. h. sein ganzes Reich, hat er verloren. Später aber kehrt er zurück <lb n="pwo_068.013"/> und wird in Rom gekrönt. Dazwischen erscheint er, nach seiner <lb n="pwo_068.014"/> Flucht, an Etzels Hof in einer Art Abhängigkeitsverhältnis, äußerlich <lb n="pwo_068.015"/> etwa wie in der Geschichte sein Vater Theodomer, während Dietrich <lb n="pwo_068.016"/> selbst gar kein Zeitgenosse des Etzel ist.</p> <lb n="pwo_068.017"/> <p> Noch schärfer können wir die geschichtlichen Bestandteile der <lb n="pwo_068.018"/> Burgundensage von einander scheiden bezw. in ihrem Zusammenwachsen <lb n="pwo_068.019"/> verfolgen. Jns Jahr 437 fällt die Besiegung der Burgunden unter <lb n="pwo_068.020"/> Gundahari durch die Hunnen. 454 stirbt Etzel, unmittelbar nach <lb n="pwo_068.021"/> seiner (zweiten) Vermählung mit der Burgundin Hildiko. Erst 534 <lb n="pwo_068.022"/> erfolgt die Zerstörung des Burgundenreiches jenseits der Vogesen auf <lb n="pwo_068.023"/> Veranlassung der mit Chlodwig <hi rendition="#aq">I</hi>. von Franken vermählten burgundischen <lb n="pwo_068.024"/> Prinzessin Chlothilde durch deren Söhne.</p> <lb n="pwo_068.025"/> <p> Aus allem diesen wird zunächst die Vermählung von Gundaharis <lb n="pwo_068.026"/> Schwester mit Etzel, sowie dessen Tod <hi rendition="#g">von der Hand</hi> seiner Neuvermählten. <lb n="pwo_068.027"/> Diese Fassung der Sage gelangt noch vor Ablauf des <lb n="pwo_068.028"/> fünften Jahrhunderts stufenweise zur Ausbildung. Als Motiv der <lb n="pwo_068.029"/> Thäterin erscheint Rache für ihre Brüder. So gelangt die Sage nach <lb n="pwo_068.030"/> Skandinavien, und die nordische Darstellung zeugt noch für diese der <lb n="pwo_068.031"/> Geschichte näher stehende Auffassung. Nach der 534 erfolgten Zerstörung <lb n="pwo_068.032"/> des Burgundenreiches erfährt der Abschluß der Sage eine <lb n="pwo_068.033"/> volle Umbiegung, indem nun die burgundische Prinzessin nicht mehr <lb n="pwo_068.034"/> ihre Brüder an Etzel rächt, sondern mit Etzels Hilfe an ihren Brüdern <lb n="pwo_068.035"/> Rache nimmt. Eine Begründung dieser Rache bot sich durch <lb n="pwo_068.036"/> ein inzwischen von anderer Seite hinzugeflossenes Element: auch die </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0082]
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den römischen Kaiser; aber siebzehn Jahre später fällt Odovakar selbst pwo_068.002
durch List von der Hand Theodorichs. An diese große Persönlichkeit pwo_068.003
knüpft sich die Blüte des ostgothischen Reiches. Schon 552 erliegt pwo_068.004
auch dieses dem Ansturm des byzantinischen Heeres.
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Was macht aus diesen geschichtlichen Thatsachen die Volksphantasie? pwo_068.006
Jn ihr blieb der endgültige Untergang des Ostgothenreiches fester pwo_068.007
haften als die vorübergegangene Blüte. Andererseits war ihr Theodorich pwo_068.008
(Dietrich) als Hauptträger ostgothischer Heldenkämpfe geläufig. pwo_068.009
So kehrt sie die geschichtliche Ueberlieferung geradezu um: Ermanrich pwo_068.010
wird mit Odovakar zusammengeworfen und zum gefährlichsten Feind pwo_068.011
Dietrichs gestempelt. Vor seinem Zorn flieht Dietrich; alle Mannen, pwo_068.012
d. h. sein ganzes Reich, hat er verloren. Später aber kehrt er zurück pwo_068.013
und wird in Rom gekrönt. Dazwischen erscheint er, nach seiner pwo_068.014
Flucht, an Etzels Hof in einer Art Abhängigkeitsverhältnis, äußerlich pwo_068.015
etwa wie in der Geschichte sein Vater Theodomer, während Dietrich pwo_068.016
selbst gar kein Zeitgenosse des Etzel ist.
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Noch schärfer können wir die geschichtlichen Bestandteile der pwo_068.018
Burgundensage von einander scheiden bezw. in ihrem Zusammenwachsen pwo_068.019
verfolgen. Jns Jahr 437 fällt die Besiegung der Burgunden unter pwo_068.020
Gundahari durch die Hunnen. 454 stirbt Etzel, unmittelbar nach pwo_068.021
seiner (zweiten) Vermählung mit der Burgundin Hildiko. Erst 534 pwo_068.022
erfolgt die Zerstörung des Burgundenreiches jenseits der Vogesen auf pwo_068.023
Veranlassung der mit Chlodwig I. von Franken vermählten burgundischen pwo_068.024
Prinzessin Chlothilde durch deren Söhne.
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Aus allem diesen wird zunächst die Vermählung von Gundaharis pwo_068.026
Schwester mit Etzel, sowie dessen Tod von der Hand seiner Neuvermählten. pwo_068.027
Diese Fassung der Sage gelangt noch vor Ablauf des pwo_068.028
fünften Jahrhunderts stufenweise zur Ausbildung. Als Motiv der pwo_068.029
Thäterin erscheint Rache für ihre Brüder. So gelangt die Sage nach pwo_068.030
Skandinavien, und die nordische Darstellung zeugt noch für diese der pwo_068.031
Geschichte näher stehende Auffassung. Nach der 534 erfolgten Zerstörung pwo_068.032
des Burgundenreiches erfährt der Abschluß der Sage eine pwo_068.033
volle Umbiegung, indem nun die burgundische Prinzessin nicht mehr pwo_068.034
ihre Brüder an Etzel rächt, sondern mit Etzels Hilfe an ihren Brüdern pwo_068.035
Rache nimmt. Eine Begründung dieser Rache bot sich durch pwo_068.036
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